zusammen bringen zu können. So ist am hellen Tage das Kunststück fertig gebracht worden, daß eine schwache Frau fast verhungern mußte, während drei baumstarke Männer unbekannt wo ihr rechtmäßiges Erbe vergeudeten. Denn gewiß haben sie Theile davon in Sicherheit gebracht, wie ja die Diebe auch ihren Raub zu verbergen wissen und gemächlich hervorholen, wenn sie aus dem Zuchthaus kommen."
Nicht nur weil sie mit ihrer Erzählung zu Ende war, sondern auch weil Brandolf Zeichen der Unruhe von sich gab und glühende Augen machte, hielt sie inne. Ehe sie jedoch seine Aufregung recht wahrnehmen konnte, hatte er den in ihm aufgestiegenen Grimm schon bezwungen und verschluckte gewaltsam die Wuth, die ihn gegen das Ge¬ sindel erfüllte, damit die genesende Frau nicht in Mit¬ leidenschaft gerathe, nachdem sie die Unglücksgeschichte so gelassen erzählt wie einen quälenden Traum, von dem man erwacht ist.
"Das ist nun vorbei und wird nicht wieder kommen!" sagte Brandolf ruhig und ergriff ihre Hand, die er sänft¬ lich streichelte; denn er fing ein wenig an, sie wie eine wohlerworbene Sache zu behandeln oder ein anvertrautes Gut, für das man verantwortlich ist, das man aber dafür nicht aus der Hand läßt. So zog sich das neue Leben still und ruhig dahin, bis im sonnigen März der Arzt die Baronin für genesen und fähig erklärte, ohne Gefahr eine Reise anzutreten.
zuſammen bringen zu können. So iſt am hellen Tage das Kunſtſtück fertig gebracht worden, daß eine ſchwache Frau faſt verhungern mußte, während drei baumſtarke Männer unbekannt wo ihr rechtmäßiges Erbe vergeudeten. Denn gewiß haben ſie Theile davon in Sicherheit gebracht, wie ja die Diebe auch ihren Raub zu verbergen wiſſen und gemächlich hervorholen, wenn ſie aus dem Zuchthaus kommen.“
Nicht nur weil ſie mit ihrer Erzählung zu Ende war, ſondern auch weil Brandolf Zeichen der Unruhe von ſich gab und glühende Augen machte, hielt ſie inne. Ehe ſie jedoch ſeine Aufregung recht wahrnehmen konnte, hatte er den in ihm aufgeſtiegenen Grimm ſchon bezwungen und verſchluckte gewaltſam die Wuth, die ihn gegen das Ge¬ ſindel erfüllte, damit die geneſende Frau nicht in Mit¬ leidenſchaft gerathe, nachdem ſie die Unglücksgeſchichte ſo gelaſſen erzählt wie einen quälenden Traum, von dem man erwacht iſt.
„Das iſt nun vorbei und wird nicht wieder kommen!“ ſagte Brandolf ruhig und ergriff ihre Hand, die er ſänft¬ lich ſtreichelte; denn er fing ein wenig an, ſie wie eine wohlerworbene Sache zu behandeln oder ein anvertrautes Gut, für das man verantwortlich iſt, das man aber dafür nicht aus der Hand läßt. So zog ſich das neue Leben ſtill und ruhig dahin, bis im ſonnigen März der Arzt die Baronin für geneſen und fähig erklärte, ohne Gefahr eine Reiſe anzutreten.
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[198/0208]
zuſammen bringen zu können. So iſt am hellen Tage
das Kunſtſtück fertig gebracht worden, daß eine ſchwache
Frau faſt verhungern mußte, während drei baumſtarke
Männer unbekannt wo ihr rechtmäßiges Erbe vergeudeten.
Denn gewiß haben ſie Theile davon in Sicherheit gebracht,
wie ja die Diebe auch ihren Raub zu verbergen wiſſen
und gemächlich hervorholen, wenn ſie aus dem Zuchthaus
kommen.“
Nicht nur weil ſie mit ihrer Erzählung zu Ende war,
ſondern auch weil Brandolf Zeichen der Unruhe von ſich
gab und glühende Augen machte, hielt ſie inne. Ehe ſie
jedoch ſeine Aufregung recht wahrnehmen konnte, hatte er
den in ihm aufgeſtiegenen Grimm ſchon bezwungen und
verſchluckte gewaltſam die Wuth, die ihn gegen das Ge¬
ſindel erfüllte, damit die geneſende Frau nicht in Mit¬
leidenſchaft gerathe, nachdem ſie die Unglücksgeſchichte ſo
gelaſſen erzählt wie einen quälenden Traum, von dem
man erwacht iſt.
„Das iſt nun vorbei und wird nicht wieder kommen!“
ſagte Brandolf ruhig und ergriff ihre Hand, die er ſänft¬
lich ſtreichelte; denn er fing ein wenig an, ſie wie eine
wohlerworbene Sache zu behandeln oder ein anvertrautes
Gut, für das man verantwortlich iſt, das man aber dafür
nicht aus der Hand läßt. So zog ſich das neue Leben
ſtill und ruhig dahin, bis im ſonnigen März der Arzt
die Baronin für geneſen und fähig erklärte, ohne Gefahr
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/208>, abgerufen am 21.11.2024.
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