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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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reinigten und abwechselnd rauchten; denn die Halunken¬
liebe zwischen ihnen schien geblieben zu sein.

Nach ungefähr einer halben Stunde, während es in
Strömen fortregnete, war in Brandolfs Gedanken ein
mehr lustiger als gewaltthätiger Rache- und zugleich
Befreiungsplan fertig, der sich um den Beschluß drehte,
das Kleeblatt auf seine Weise zur Hochzeit zu laden. Und
unverweilt machte er sich an die Vollziehung.

Er führte einen anschlägigen und getreuen Knecht vom
väterlichen Gute mit sich, der Jochel hieß und mit ihm
aufgewachsen war, auch in früheren Jahren manchen
närrischen Streich mit ihm bestanden hatte. Diesen Jochel
zog er jetzt in's Vertrauen und unterrichtete ihn, wie er
die drei Musikanten sich merken und ihre Spur verfolgen
müsse, damit er zur rechten Zeit sich in geeigneter Ver¬
kleidung an sie machen und sie in die Nähe des Gutes
locken konnte, mit der Aussicht auf ordentlichen Gewinn
und schönes Leben. Denn es handelte sich darum, sie am
Tage der Hochzeit und des Winzerfestes zur Hand zu
haben, ohne daß sie wußten, was vorging.

Es gelang auch der Schlauheit des guten Jochel so
vortrefflich, daß er sie bis zum rechten Zeitpunkt richtig
auf den Platz brachte, das heißt in ungefährliche Nähe,
wo ihnen der Mund wässerte, den Jochel vor der Hand
mit einem und andern Kruge Most erquickte und diesen
wieder mit einem Gläschen Branntwein abwechseln ließ.

Sie übten dabei wohlmeinend ihre grausigen Harmonien,

reinigten und abwechſelnd rauchten; denn die Halunken¬
liebe zwiſchen ihnen ſchien geblieben zu ſein.

Nach ungefähr einer halben Stunde, während es in
Strömen fortregnete, war in Brandolfs Gedanken ein
mehr luſtiger als gewaltthätiger Rache- und zugleich
Befreiungsplan fertig, der ſich um den Beſchluß drehte,
das Kleeblatt auf ſeine Weiſe zur Hochzeit zu laden. Und
unverweilt machte er ſich an die Vollziehung.

Er führte einen anſchlägigen und getreuen Knecht vom
väterlichen Gute mit ſich, der Jochel hieß und mit ihm
aufgewachſen war, auch in früheren Jahren manchen
närriſchen Streich mit ihm beſtanden hatte. Dieſen Jochel
zog er jetzt in's Vertrauen und unterrichtete ihn, wie er
die drei Muſikanten ſich merken und ihre Spur verfolgen
müſſe, damit er zur rechten Zeit ſich in geeigneter Ver¬
kleidung an ſie machen und ſie in die Nähe des Gutes
locken konnte, mit der Ausſicht auf ordentlichen Gewinn
und ſchönes Leben. Denn es handelte ſich darum, ſie am
Tage der Hochzeit und des Winzerfeſtes zur Hand zu
haben, ohne daß ſie wußten, was vorging.

Es gelang auch der Schlauheit des guten Jochel ſo
vortrefflich, daß er ſie bis zum rechten Zeitpunkt richtig
auf den Platz brachte, das heißt in ungefährliche Nähe,
wo ihnen der Mund wäſſerte, den Jochel vor der Hand
mit einem und andern Kruge Moſt erquickte und dieſen
wieder mit einem Gläschen Branntwein abwechſeln ließ.

Sie übten dabei wohlmeinend ihre grauſigen Harmonien,

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[207/0217] reinigten und abwechſelnd rauchten; denn die Halunken¬ liebe zwiſchen ihnen ſchien geblieben zu ſein. Nach ungefähr einer halben Stunde, während es in Strömen fortregnete, war in Brandolfs Gedanken ein mehr luſtiger als gewaltthätiger Rache- und zugleich Befreiungsplan fertig, der ſich um den Beſchluß drehte, das Kleeblatt auf ſeine Weiſe zur Hochzeit zu laden. Und unverweilt machte er ſich an die Vollziehung. Er führte einen anſchlägigen und getreuen Knecht vom väterlichen Gute mit ſich, der Jochel hieß und mit ihm aufgewachſen war, auch in früheren Jahren manchen närriſchen Streich mit ihm beſtanden hatte. Dieſen Jochel zog er jetzt in's Vertrauen und unterrichtete ihn, wie er die drei Muſikanten ſich merken und ihre Spur verfolgen müſſe, damit er zur rechten Zeit ſich in geeigneter Ver¬ kleidung an ſie machen und ſie in die Nähe des Gutes locken konnte, mit der Ausſicht auf ordentlichen Gewinn und ſchönes Leben. Denn es handelte ſich darum, ſie am Tage der Hochzeit und des Winzerfeſtes zur Hand zu haben, ohne daß ſie wußten, was vorging. Es gelang auch der Schlauheit des guten Jochel ſo vortrefflich, daß er ſie bis zum rechten Zeitpunkt richtig auf den Platz brachte, das heißt in ungefährliche Nähe, wo ihnen der Mund wäſſerte, den Jochel vor der Hand mit einem und andern Kruge Moſt erquickte und dieſen wieder mit einem Gläschen Branntwein abwechſeln ließ. Sie übten dabei wohlmeinend ihre grauſigen Harmonien,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/217>, abgerufen am 21.11.2024.