Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Lage bis zum letzten Augenblicke nicht ahnten. Dennoch
wollte ihr gutes Herkommen und adeliges Blut sich empören,
als sie eingekleidet und sozusagen angeschirrt wurden. Man
hüllte sie nämlich in grau und schwarz gefleckte Ziegenfelle,
schwärzte ihnen die Gesichter und setzte ihnen Ziegenhörner
auf den Kopf. An ihren Hinterseiten waren Kuhschwänze
sehr stark befestigt, alle drei Schwänze zusammengebunden
und an ein langes Heuseil geknüpft; an dieses Seil aber
stellten sich links und rechts an die zwanzig kräftige
Jünglinge in Küfertracht mit dichten Weinlaubkränzen
auf den Stirnen, und zogen das Seil an, um die drei
Teufel im Triumphe rücklings über den Schauplatz zu
schleppen. Wie gesagt, wollten diese sich zuerst störrisch
zeigen; allein die fünf Thaler Lohn, die jedem versprochen
waren, überwanden den Widerstand.

So kamen sie denn auch heran; immer rückwärts
hopsend und stapfend, durften sie keinen Augenblick stille
stehen; hinter ihrem Rücken hörten sie die vordere Musik,
das Singen, Jauchzen und Trommeln der Winzer und
Bacchanten, ohne zu wissen, wohin sie kamen; sie hörten
das Schreien und Lachen des Volkes am Wege und sahen
endlich die Reihen der geschmückten Hochzeitgäste, welche
in die Hände klatschten und Beifall riefen. Mit Schwei߬
tropfen auf der rußigen Stirn kratzte der Herr Rittmeister
von Schwendtner erbärmlich an seiner Geige und bliesen
die Lohäuser in ihre gesprungenen Röhren, bis sie un¬
versehens vor dem Epheutempelchen anlangten, in dem

Lage bis zum letzten Augenblicke nicht ahnten. Dennoch
wollte ihr gutes Herkommen und adeliges Blut ſich empören,
als ſie eingekleidet und ſozuſagen angeſchirrt wurden. Man
hüllte ſie nämlich in grau und ſchwarz gefleckte Ziegenfelle,
ſchwärzte ihnen die Geſichter und ſetzte ihnen Ziegenhörner
auf den Kopf. An ihren Hinterſeiten waren Kuhſchwänze
ſehr ſtark befeſtigt, alle drei Schwänze zuſammengebunden
und an ein langes Heuſeil geknüpft; an dieſes Seil aber
ſtellten ſich links und rechts an die zwanzig kräftige
Jünglinge in Küfertracht mit dichten Weinlaubkränzen
auf den Stirnen, und zogen das Seil an, um die drei
Teufel im Triumphe rücklings über den Schauplatz zu
ſchleppen. Wie geſagt, wollten dieſe ſich zuerſt ſtörriſch
zeigen; allein die fünf Thaler Lohn, die jedem verſprochen
waren, überwanden den Widerſtand.

So kamen ſie denn auch heran; immer rückwärts
hopſend und ſtapfend, durften ſie keinen Augenblick ſtille
ſtehen; hinter ihrem Rücken hörten ſie die vordere Muſik,
das Singen, Jauchzen und Trommeln der Winzer und
Bacchanten, ohne zu wiſſen, wohin ſie kamen; ſie hörten
das Schreien und Lachen des Volkes am Wege und ſahen
endlich die Reihen der geſchmückten Hochzeitgäſte, welche
in die Hände klatſchten und Beifall riefen. Mit Schwei߬
tropfen auf der rußigen Stirn kratzte der Herr Rittmeiſter
von Schwendtner erbärmlich an ſeiner Geige und blieſen
die Lohäuſer in ihre geſprungenen Röhren, bis ſie un¬
verſehens vor dem Epheutempelchen anlangten, in dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="210"/>
Lage bis zum letzten Augenblicke nicht ahnten. Dennoch<lb/>
wollte ihr gutes Herkommen und adeliges Blut &#x017F;ich empören,<lb/>
als &#x017F;ie eingekleidet und &#x017F;ozu&#x017F;agen ange&#x017F;chirrt wurden. Man<lb/>
hüllte &#x017F;ie nämlich in grau und &#x017F;chwarz gefleckte Ziegenfelle,<lb/>
&#x017F;chwärzte ihnen die Ge&#x017F;ichter und &#x017F;etzte ihnen Ziegenhörner<lb/>
auf den Kopf. An ihren Hinter&#x017F;eiten waren Kuh&#x017F;chwänze<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;tark befe&#x017F;tigt, alle drei Schwänze zu&#x017F;ammengebunden<lb/>
und an ein langes Heu&#x017F;eil geknüpft; an die&#x017F;es Seil aber<lb/>
&#x017F;tellten &#x017F;ich links und rechts an die zwanzig kräftige<lb/>
Jünglinge in Küfertracht mit dichten Weinlaubkränzen<lb/>
auf den Stirnen, und zogen das Seil an, um die drei<lb/>
Teufel im Triumphe rücklings über den Schauplatz zu<lb/>
&#x017F;chleppen. Wie ge&#x017F;agt, wollten die&#x017F;e &#x017F;ich zuer&#x017F;t &#x017F;törri&#x017F;ch<lb/>
zeigen; allein die fünf Thaler Lohn, die jedem ver&#x017F;prochen<lb/>
waren, überwanden den Wider&#x017F;tand.</p><lb/>
          <p>So kamen &#x017F;ie denn auch heran; immer rückwärts<lb/>
hop&#x017F;end und &#x017F;tapfend, durften &#x017F;ie keinen Augenblick &#x017F;tille<lb/>
&#x017F;tehen; hinter ihrem Rücken hörten &#x017F;ie die vordere Mu&#x017F;ik,<lb/>
das Singen, Jauchzen und Trommeln der Winzer und<lb/>
Bacchanten, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en, wohin &#x017F;ie kamen; &#x017F;ie hörten<lb/>
das Schreien und Lachen des Volkes am Wege und &#x017F;ahen<lb/>
endlich die Reihen der ge&#x017F;chmückten Hochzeitgä&#x017F;te, welche<lb/>
in die Hände klat&#x017F;chten und Beifall riefen. Mit Schwei߬<lb/>
tropfen auf der rußigen Stirn kratzte der Herr Rittmei&#x017F;ter<lb/>
von Schwendtner erbärmlich an &#x017F;einer Geige und blie&#x017F;en<lb/>
die Lohäu&#x017F;er in ihre ge&#x017F;prungenen Röhren, bis &#x017F;ie un¬<lb/>
ver&#x017F;ehens vor dem Epheutempelchen anlangten, in dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0220] Lage bis zum letzten Augenblicke nicht ahnten. Dennoch wollte ihr gutes Herkommen und adeliges Blut ſich empören, als ſie eingekleidet und ſozuſagen angeſchirrt wurden. Man hüllte ſie nämlich in grau und ſchwarz gefleckte Ziegenfelle, ſchwärzte ihnen die Geſichter und ſetzte ihnen Ziegenhörner auf den Kopf. An ihren Hinterſeiten waren Kuhſchwänze ſehr ſtark befeſtigt, alle drei Schwänze zuſammengebunden und an ein langes Heuſeil geknüpft; an dieſes Seil aber ſtellten ſich links und rechts an die zwanzig kräftige Jünglinge in Küfertracht mit dichten Weinlaubkränzen auf den Stirnen, und zogen das Seil an, um die drei Teufel im Triumphe rücklings über den Schauplatz zu ſchleppen. Wie geſagt, wollten dieſe ſich zuerſt ſtörriſch zeigen; allein die fünf Thaler Lohn, die jedem verſprochen waren, überwanden den Widerſtand. So kamen ſie denn auch heran; immer rückwärts hopſend und ſtapfend, durften ſie keinen Augenblick ſtille ſtehen; hinter ihrem Rücken hörten ſie die vordere Muſik, das Singen, Jauchzen und Trommeln der Winzer und Bacchanten, ohne zu wiſſen, wohin ſie kamen; ſie hörten das Schreien und Lachen des Volkes am Wege und ſahen endlich die Reihen der geſchmückten Hochzeitgäſte, welche in die Hände klatſchten und Beifall riefen. Mit Schwei߬ tropfen auf der rußigen Stirn kratzte der Herr Rittmeiſter von Schwendtner erbärmlich an ſeiner Geige und blieſen die Lohäuſer in ihre geſprungenen Röhren, bis ſie un¬ verſehens vor dem Epheutempelchen anlangten, in dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/220
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/220>, abgerufen am 21.11.2024.