Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

wesen, von dem rollenden, in den Bergen widerhallenden
Donner erschreckt, still stand bis auf den letzten Mann
und sich den Anordnungen der heransprengenden Reiter
fügte. Diese verlangten, daß nur die Fürstin mit ihrem
eigentlichen Gefolge näher komme, der große Haufen aber
sich nicht weiter von der Stelle rühre. So entwickelte
sich aus der Masse heraus ein kleinerer Zug, der immer
noch ansehnlich genug war in seinem barbarischen Pompe
mit den damals noch vorhandenen Spuren einer jetzt
gänzlich verwilderten Völkerwelt.

Voraus wurde als Geschenk des Königs eine Herde
wilder Thiere, Elephanten, Giraffen, Löwen, Tiger und der¬
gleichen an Ketten geführt, und zwar von Männern, die mit
ihrem hohen Wuchs und trotzigen Aussehen die Kraft und
Ueberlegenheit des Volkes zeigen sollten, mit welchem man es
zu thun habe. Dann ritt ein Dutzend persönlicher Vasallen
der Annachinga auf ziemlich bunt geschirrten Ochsen
vorüber, jeder von einigen schild- und speertragenden
Reisigen oder Knappen begleitet, wahrscheinlich seinen
Untervasallen; denn auch diese gingen schlank wie Tannen
und elastisch einher gleich Leuten, die auch noch irgend
Etwas unter sich haben. Auf einem mit Ochsen be¬
spannten Wagen schwerfälligster Form, der mit Decken
behangen war, erschien endlich die Fürstin, in kostbare,
offenbar sehr alte Stoffe gekleidet, Hals und Arme mit
einer Last von Ketten und Ringen geschmückt. Sie saß
nach abendländischer Weise auf ihrem Sitze, eine kalte

weſen, von dem rollenden, in den Bergen widerhallenden
Donner erſchreckt, ſtill ſtand bis auf den letzten Mann
und ſich den Anordnungen der heranſprengenden Reiter
fügte. Dieſe verlangten, daß nur die Fürſtin mit ihrem
eigentlichen Gefolge näher komme, der große Haufen aber
ſich nicht weiter von der Stelle rühre. So entwickelte
ſich aus der Maſſe heraus ein kleinerer Zug, der immer
noch anſehnlich genug war in ſeinem barbariſchen Pompe
mit den damals noch vorhandenen Spuren einer jetzt
gänzlich verwilderten Völkerwelt.

Voraus wurde als Geſchenk des Königs eine Herde
wilder Thiere, Elephanten, Giraffen, Löwen, Tiger und der¬
gleichen an Ketten geführt, und zwar von Männern, die mit
ihrem hohen Wuchs und trotzigen Ausſehen die Kraft und
Ueberlegenheit des Volkes zeigen ſollten, mit welchem man es
zu thun habe. Dann ritt ein Dutzend perſönlicher Vaſallen
der Annachinga auf ziemlich bunt geſchirrten Ochſen
vorüber, jeder von einigen ſchild- und ſpeertragenden
Reiſigen oder Knappen begleitet, wahrſcheinlich ſeinen
Untervaſallen; denn auch dieſe gingen ſchlank wie Tannen
und elaſtiſch einher gleich Leuten, die auch noch irgend
Etwas unter ſich haben. Auf einem mit Ochſen be¬
ſpannten Wagen ſchwerfälligſter Form, der mit Decken
behangen war, erſchien endlich die Fürſtin, in koſtbare,
offenbar ſehr alte Stoffe gekleidet, Hals und Arme mit
einer Laſt von Ketten und Ringen geſchmückt. Sie ſaß
nach abendländiſcher Weiſe auf ihrem Sitze, eine kalte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="304"/>
we&#x017F;en, von dem rollenden, in den Bergen widerhallenden<lb/>
Donner er&#x017F;chreckt, &#x017F;till &#x017F;tand bis auf den letzten Mann<lb/>
und &#x017F;ich den Anordnungen der heran&#x017F;prengenden Reiter<lb/>
fügte. Die&#x017F;e verlangten, daß nur die Für&#x017F;tin mit ihrem<lb/>
eigentlichen Gefolge näher komme, der große Haufen aber<lb/>
&#x017F;ich nicht weiter von der Stelle rühre. So entwickelte<lb/>
&#x017F;ich aus der Ma&#x017F;&#x017F;e heraus ein kleinerer Zug, der immer<lb/>
noch an&#x017F;ehnlich genug war in &#x017F;einem barbari&#x017F;chen Pompe<lb/>
mit den damals noch vorhandenen Spuren einer jetzt<lb/>
gänzlich verwilderten Völkerwelt.</p><lb/>
          <p>Voraus wurde als Ge&#x017F;chenk des Königs eine Herde<lb/>
wilder Thiere, Elephanten, Giraffen, Löwen, Tiger und der¬<lb/>
gleichen an Ketten geführt, und zwar von Männern, die mit<lb/>
ihrem hohen Wuchs und trotzigen Aus&#x017F;ehen die Kraft und<lb/>
Ueberlegenheit des Volkes zeigen &#x017F;ollten, mit welchem man es<lb/>
zu thun habe. Dann ritt ein Dutzend per&#x017F;önlicher Va&#x017F;allen<lb/>
der Annachinga auf ziemlich bunt ge&#x017F;chirrten Och&#x017F;en<lb/>
vorüber, jeder von einigen &#x017F;child- und &#x017F;peertragenden<lb/>
Rei&#x017F;igen oder Knappen begleitet, wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;einen<lb/>
Unterva&#x017F;allen; denn auch die&#x017F;e gingen &#x017F;chlank wie Tannen<lb/>
und ela&#x017F;ti&#x017F;ch einher gleich Leuten, die auch noch irgend<lb/>
Etwas unter &#x017F;ich haben. Auf einem mit Och&#x017F;en be¬<lb/>
&#x017F;pannten Wagen &#x017F;chwerfällig&#x017F;ter Form, der mit Decken<lb/>
behangen war, er&#x017F;chien endlich die Für&#x017F;tin, in ko&#x017F;tbare,<lb/>
offenbar &#x017F;ehr alte Stoffe gekleidet, Hals und Arme mit<lb/>
einer La&#x017F;t von Ketten und Ringen ge&#x017F;chmückt. Sie &#x017F;<lb/>
nach abendländi&#x017F;cher Wei&#x017F;e auf ihrem Sitze, eine kalte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0314] weſen, von dem rollenden, in den Bergen widerhallenden Donner erſchreckt, ſtill ſtand bis auf den letzten Mann und ſich den Anordnungen der heranſprengenden Reiter fügte. Dieſe verlangten, daß nur die Fürſtin mit ihrem eigentlichen Gefolge näher komme, der große Haufen aber ſich nicht weiter von der Stelle rühre. So entwickelte ſich aus der Maſſe heraus ein kleinerer Zug, der immer noch anſehnlich genug war in ſeinem barbariſchen Pompe mit den damals noch vorhandenen Spuren einer jetzt gänzlich verwilderten Völkerwelt. Voraus wurde als Geſchenk des Königs eine Herde wilder Thiere, Elephanten, Giraffen, Löwen, Tiger und der¬ gleichen an Ketten geführt, und zwar von Männern, die mit ihrem hohen Wuchs und trotzigen Ausſehen die Kraft und Ueberlegenheit des Volkes zeigen ſollten, mit welchem man es zu thun habe. Dann ritt ein Dutzend perſönlicher Vaſallen der Annachinga auf ziemlich bunt geſchirrten Ochſen vorüber, jeder von einigen ſchild- und ſpeertragenden Reiſigen oder Knappen begleitet, wahrſcheinlich ſeinen Untervaſallen; denn auch dieſe gingen ſchlank wie Tannen und elaſtiſch einher gleich Leuten, die auch noch irgend Etwas unter ſich haben. Auf einem mit Ochſen be¬ ſpannten Wagen ſchwerfälligſter Form, der mit Decken behangen war, erſchien endlich die Fürſtin, in koſtbare, offenbar ſehr alte Stoffe gekleidet, Hals und Arme mit einer Laſt von Ketten und Ringen geſchmückt. Sie ſaß nach abendländiſcher Weiſe auf ihrem Sitze, eine kalte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/314
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/314>, abgerufen am 22.11.2024.