gehen, ob er nirgends die Zambo erblicken könne. Und das Glück wollte, daß es geschah. In einiger Höhe schauten hinter einem hölzernen Gitter zwei Frauengesichter her¬ unter, wovon das eine, noch im weltlichen Haarschmuck und ohne Schleier, niemand Anderem als der dunkeln Zambo angehörte.
Kaum hatte Luis sie erkannt, so trieb er unvermerkt den Esel näher, bis das graue Thierchen unter dem Fenster stand; und nun fing Jener aus Leibeskräften an zu rufen: "Kauft, hochwürdige Damen! Kauft frische Orangen für den Durst! Sie sind gesund, wie die Aerzte sagen, und preiswürdig! Für ein halbes Soundsoviel und ein viertel Nichts dazu kann ich drei Stücke geben! Kauft, gnädige Frauen, und erlabt Euch, so vergeßt Ihr die Gefahr! Das Neueste ist, daß Niemand in den Hafen von Cadix einfahren darf, der aus der Ferne herkommt. Nehmt die Orangen geschenkt, fromme Frau Mutter! Gestern mußte der Vicekönig von Angola, der berühmte und prächtige Don Salvador Correa, der tapfere Erstürmer so vieler Festungen, unverrichteter Dinge aus unserem Gewässer abziehen. Ich sah seine Schiffe; er sei nach Lissabon gefahren, heißt es, und werde einige Zeit sich dort auf¬ halten! Er soll ein gar schöner und stolzer Herr sein, sagt man; aber solche Leute sind oftmals die allerleut¬ seligsten mit denen, die ihnen gefallen! Kauft mir die Orangen ab, so kann ich nach Hause!"
Alles das rief der kecke Bursche so vernehmlich als
gehen, ob er nirgends die Zambo erblicken könne. Und das Glück wollte, daß es geſchah. In einiger Höhe ſchauten hinter einem hölzernen Gitter zwei Frauengeſichter her¬ unter, wovon das eine, noch im weltlichen Haarſchmuck und ohne Schleier, niemand Anderem als der dunkeln Zambo angehörte.
Kaum hatte Luis ſie erkannt, ſo trieb er unvermerkt den Eſel näher, bis das graue Thierchen unter dem Fenſter ſtand; und nun fing Jener aus Leibeskräften an zu rufen: „Kauft, hochwürdige Damen! Kauft friſche Orangen für den Durſt! Sie ſind geſund, wie die Aerzte ſagen, und preiswürdig! Für ein halbes Soundſoviel und ein viertel Nichts dazu kann ich drei Stücke geben! Kauft, gnädige Frauen, und erlabt Euch, ſo vergeßt Ihr die Gefahr! Das Neueſte iſt, daß Niemand in den Hafen von Cadix einfahren darf, der aus der Ferne herkommt. Nehmt die Orangen geſchenkt, fromme Frau Mutter! Geſtern mußte der Vicekönig von Angola, der berühmte und prächtige Don Salvador Correa, der tapfere Erſtürmer ſo vieler Feſtungen, unverrichteter Dinge aus unſerem Gewäſſer abziehen. Ich ſah ſeine Schiffe; er ſei nach Liſſabon gefahren, heißt es, und werde einige Zeit ſich dort auf¬ halten! Er ſoll ein gar ſchöner und ſtolzer Herr ſein, ſagt man; aber ſolche Leute ſind oftmals die allerleut¬ ſeligſten mit denen, die ihnen gefallen! Kauft mir die Orangen ab, ſo kann ich nach Hauſe!“
Alles das rief der kecke Burſche ſo vernehmlich als
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gehen, ob er nirgends die Zambo erblicken könne. Und
das Glück wollte, daß es geſchah. In einiger Höhe ſchauten
hinter einem hölzernen Gitter zwei Frauengeſichter her¬
unter, wovon das eine, noch im weltlichen Haarſchmuck
und ohne Schleier, niemand Anderem als der dunkeln
Zambo angehörte.
Kaum hatte Luis ſie erkannt, ſo trieb er unvermerkt
den Eſel näher, bis das graue Thierchen unter dem Fenſter
ſtand; und nun fing Jener aus Leibeskräften an zu rufen:
„Kauft, hochwürdige Damen! Kauft friſche Orangen für
den Durſt! Sie ſind geſund, wie die Aerzte ſagen, und
preiswürdig! Für ein halbes Soundſoviel und ein viertel
Nichts dazu kann ich drei Stücke geben! Kauft, gnädige
Frauen, und erlabt Euch, ſo vergeßt Ihr die Gefahr!
Das Neueſte iſt, daß Niemand in den Hafen von Cadix
einfahren darf, der aus der Ferne herkommt. Nehmt die
Orangen geſchenkt, fromme Frau Mutter! Geſtern mußte
der Vicekönig von Angola, der berühmte und prächtige
Don Salvador Correa, der tapfere Erſtürmer ſo vieler
Feſtungen, unverrichteter Dinge aus unſerem Gewäſſer
abziehen. Ich ſah ſeine Schiffe; er ſei nach Liſſabon
gefahren, heißt es, und werde einige Zeit ſich dort auf¬
halten! Er ſoll ein gar ſchöner und ſtolzer Herr ſein,
ſagt man; aber ſolche Leute ſind oftmals die allerleut¬
ſeligſten mit denen, die ihnen gefallen! Kauft mir die
Orangen ab, ſo kann ich nach Hauſe!“
Alles das rief der kecke Burſche ſo vernehmlich als
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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