halblaut vor sich hin, aber nur einen Augenblick, als ob ihm etwas sehr Drolliges einfiele. Sonst ereignete sich nichts Besonderes mehr. Er begleitete uns noch bis vor unsere Hausthüre und verabschiedete sich, da er in der Morgenfrühe abreisen wollte. Mir drückte er ernst und gütig die Hand und ermahnte mich, ferner so lieb und gut zu sein und fleißig zu lernen. Ich blickte ihm nach, bis seine hohe Gestalt in der Abenddämmerung verschwand. Dann trat ich in das Haus, während Fräulein Hansa schon oben saß und ihre Jagdbeute musterte.
Frühzeitig ging ich zu Bette, um ungestört weinen und über die ernste Wendung meines jungen Lebens, über die Worte Leodegar's nachdenken zu können. All¬ mälig aber schlief ich ein, erwachte jedoch kurz nach Mitternacht. Da stand ich leise auf und kleidete mich voll¬ ständig reisefertig an, worauf ich einen Handkorb mit den nothwendigsten Sachen voll packte, endlich aber auch einen Brief an meine Hausgenossinnen schrieb, worin ich ihnen meldete, ich hätte ein Heimweh nach der Jugend¬ freundin meiner Mutter, der Nonne, empfunden und sei in das Kloster hinuntergefahren, wo ich einige Zeit, bis der Vater zurückkehre, verweilen werde. Punktum.
Hierauf nahm ich meine Nachtkerze und den Reise¬ oder vielmehr Marktkorb, schlich mit unhörbaren Schritten in den Flur hinunter, öffnete die hintere Hausthüre, die in den Garten führte, und stieg in den dort angebundenen Nachen, den Korb auf dessen Boden setzend. Nach alle¬
halblaut vor ſich hin, aber nur einen Augenblick, als ob ihm etwas ſehr Drolliges einfiele. Sonſt ereignete ſich nichts Beſonderes mehr. Er begleitete uns noch bis vor unſere Hausthüre und verabſchiedete ſich, da er in der Morgenfrühe abreiſen wollte. Mir drückte er ernſt und gütig die Hand und ermahnte mich, ferner ſo lieb und gut zu ſein und fleißig zu lernen. Ich blickte ihm nach, bis ſeine hohe Geſtalt in der Abenddämmerung verſchwand. Dann trat ich in das Haus, während Fräulein Hanſa ſchon oben ſaß und ihre Jagdbeute muſterte.
Frühzeitig ging ich zu Bette, um ungeſtört weinen und über die ernſte Wendung meines jungen Lebens, über die Worte Leodegar's nachdenken zu können. All¬ mälig aber ſchlief ich ein, erwachte jedoch kurz nach Mitternacht. Da ſtand ich leiſe auf und kleidete mich voll¬ ſtändig reiſefertig an, worauf ich einen Handkorb mit den nothwendigſten Sachen voll packte, endlich aber auch einen Brief an meine Hausgenoſſinnen ſchrieb, worin ich ihnen meldete, ich hätte ein Heimweh nach der Jugend¬ freundin meiner Mutter, der Nonne, empfunden und ſei in das Kloſter hinuntergefahren, wo ich einige Zeit, bis der Vater zurückkehre, verweilen werde. Punktum.
Hierauf nahm ich meine Nachtkerze und den Reiſe¬ oder vielmehr Marktkorb, ſchlich mit unhörbaren Schritten in den Flur hinunter, öffnete die hintere Hausthüre, die in den Garten führte, und ſtieg in den dort angebundenen Nachen, den Korb auf deſſen Boden ſetzend. Nach alle¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0402"n="392"/>
halblaut vor ſich hin, aber nur einen Augenblick, als ob<lb/>
ihm etwas ſehr Drolliges einfiele. Sonſt ereignete ſich<lb/>
nichts Beſonderes mehr. Er begleitete uns noch bis vor<lb/>
unſere Hausthüre und verabſchiedete ſich, da er in der<lb/>
Morgenfrühe abreiſen wollte. Mir drückte er ernſt und<lb/>
gütig die Hand und ermahnte mich, ferner ſo lieb und<lb/>
gut zu ſein und fleißig zu lernen. Ich blickte ihm nach,<lb/>
bis ſeine hohe Geſtalt in der Abenddämmerung verſchwand.<lb/>
Dann trat ich in das Haus, während Fräulein Hanſa<lb/>ſchon oben ſaß und ihre Jagdbeute muſterte.</p><lb/><p>Frühzeitig ging ich zu Bette, um ungeſtört weinen<lb/>
und über die ernſte Wendung meines jungen Lebens,<lb/>
über die Worte Leodegar's nachdenken zu können. All¬<lb/>
mälig aber ſchlief ich ein, erwachte jedoch kurz nach<lb/>
Mitternacht. Da ſtand ich leiſe auf und kleidete mich voll¬<lb/>ſtändig reiſefertig an, worauf ich einen Handkorb mit<lb/>
den nothwendigſten Sachen voll packte, endlich aber auch<lb/>
einen Brief an meine Hausgenoſſinnen ſchrieb, worin ich<lb/>
ihnen meldete, ich hätte ein Heimweh nach der Jugend¬<lb/>
freundin meiner Mutter, der Nonne, empfunden und ſei<lb/>
in das Kloſter hinuntergefahren, wo ich einige Zeit, bis<lb/>
der Vater zurückkehre, verweilen werde. Punktum.</p><lb/><p>Hierauf nahm ich meine Nachtkerze und den Reiſe¬<lb/>
oder vielmehr Marktkorb, ſchlich mit unhörbaren Schritten<lb/>
in den Flur hinunter, öffnete die hintere Hausthüre, die<lb/>
in den Garten führte, und ſtieg in den dort angebundenen<lb/>
Nachen, den Korb auf deſſen Boden ſetzend. Nach alle¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[392/0402]
halblaut vor ſich hin, aber nur einen Augenblick, als ob
ihm etwas ſehr Drolliges einfiele. Sonſt ereignete ſich
nichts Beſonderes mehr. Er begleitete uns noch bis vor
unſere Hausthüre und verabſchiedete ſich, da er in der
Morgenfrühe abreiſen wollte. Mir drückte er ernſt und
gütig die Hand und ermahnte mich, ferner ſo lieb und
gut zu ſein und fleißig zu lernen. Ich blickte ihm nach,
bis ſeine hohe Geſtalt in der Abenddämmerung verſchwand.
Dann trat ich in das Haus, während Fräulein Hanſa
ſchon oben ſaß und ihre Jagdbeute muſterte.
Frühzeitig ging ich zu Bette, um ungeſtört weinen
und über die ernſte Wendung meines jungen Lebens,
über die Worte Leodegar's nachdenken zu können. All¬
mälig aber ſchlief ich ein, erwachte jedoch kurz nach
Mitternacht. Da ſtand ich leiſe auf und kleidete mich voll¬
ſtändig reiſefertig an, worauf ich einen Handkorb mit
den nothwendigſten Sachen voll packte, endlich aber auch
einen Brief an meine Hausgenoſſinnen ſchrieb, worin ich
ihnen meldete, ich hätte ein Heimweh nach der Jugend¬
freundin meiner Mutter, der Nonne, empfunden und ſei
in das Kloſter hinuntergefahren, wo ich einige Zeit, bis
der Vater zurückkehre, verweilen werde. Punktum.
Hierauf nahm ich meine Nachtkerze und den Reiſe¬
oder vielmehr Marktkorb, ſchlich mit unhörbaren Schritten
in den Flur hinunter, öffnete die hintere Hausthüre, die
in den Garten führte, und ſtieg in den dort angebundenen
Nachen, den Korb auf deſſen Boden ſetzend. Nach alle¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/402>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.