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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichste Haus¬
wesen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidische Ver¬
waltung stets seine Besoldungen verkürzen wollte. Endlich
kaufte er sogar zwei kostbare Uhren, "die der Künstler
Habrecht gemacht hatte", und einen herrlichen silbernen
Pokal, welchen vordem der Kaiser Maximilian der Zweite
seinem Großvater zum Gnadenzeichen geschenkt und die
Ungunst der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬
würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬
denkmal wieder an sich zu bringen und aufzurichten. Als
er zu sterben kam, empfahl er seine Seele inmitten von
sieben hochgelehrten, glaubensstarken Geistlichen in die
Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den
letzten Abschnitt seiner Selbstbiographie mit den Worten
geschlossen: "Was ich übrigens durch die tückischen Füchse,
meine treulosen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird
das Tagebuch des nächsten Jahres, so Gott will, erzählen."
Gott schien es nicht gewollt zu haben.

Diese ergötzliche Wendung mußte der Besitzerin des
Buches gefallen; denn sie hatte neben die Stelle ein zier¬
liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen
Bänden ragten zahlreiche Papierstreifchen und bewiesen,
daß jene fleißig gelesen wurden.

Auf einem andern Tische lagen in der That die Pläne
zu den Anlagen, in welchen Reinhart sich verirrt hatte,
und andere neu angefangene.

Diese Pläne waren nicht etwa auf kleine ängstliche

Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichſte Haus¬
weſen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidiſche Ver¬
waltung ſtets ſeine Beſoldungen verkürzen wollte. Endlich
kaufte er ſogar zwei koſtbare Uhren, „die der Künſtler
Habrecht gemacht hatte“, und einen herrlichen ſilbernen
Pokal, welchen vordem der Kaiſer Maximilian der Zweite
ſeinem Großvater zum Gnadenzeichen geſchenkt und die
Ungunſt der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬
würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬
denkmal wieder an ſich zu bringen und aufzurichten. Als
er zu ſterben kam, empfahl er ſeine Seele inmitten von
ſieben hochgelehrten, glaubensſtarken Geiſtlichen in die
Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den
letzten Abſchnitt ſeiner Selbſtbiographie mit den Worten
geſchloſſen: „Was ich übrigens durch die tückiſchen Füchſe,
meine treuloſen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird
das Tagebuch des nächſten Jahres, ſo Gott will, erzählen.“
Gott ſchien es nicht gewollt zu haben.

Dieſe ergötzliche Wendung mußte der Beſitzerin des
Buches gefallen; denn ſie hatte neben die Stelle ein zier¬
liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen
Bänden ragten zahlreiche Papierſtreifchen und bewieſen,
daß jene fleißig geleſen wurden.

Auf einem andern Tiſche lagen in der That die Pläne
zu den Anlagen, in welchen Reinhart ſich verirrt hatte,
und andere neu angefangene.

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[41/0051] Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichſte Haus¬ weſen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidiſche Ver¬ waltung ſtets ſeine Beſoldungen verkürzen wollte. Endlich kaufte er ſogar zwei koſtbare Uhren, „die der Künſtler Habrecht gemacht hatte“, und einen herrlichen ſilbernen Pokal, welchen vordem der Kaiſer Maximilian der Zweite ſeinem Großvater zum Gnadenzeichen geſchenkt und die Ungunſt der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬ würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬ denkmal wieder an ſich zu bringen und aufzurichten. Als er zu ſterben kam, empfahl er ſeine Seele inmitten von ſieben hochgelehrten, glaubensſtarken Geiſtlichen in die Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den letzten Abſchnitt ſeiner Selbſtbiographie mit den Worten geſchloſſen: „Was ich übrigens durch die tückiſchen Füchſe, meine treuloſen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird das Tagebuch des nächſten Jahres, ſo Gott will, erzählen.“ Gott ſchien es nicht gewollt zu haben. Dieſe ergötzliche Wendung mußte der Beſitzerin des Buches gefallen; denn ſie hatte neben die Stelle ein zier¬ liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen Bänden ragten zahlreiche Papierſtreifchen und bewieſen, daß jene fleißig geleſen wurden. Auf einem andern Tiſche lagen in der That die Pläne zu den Anlagen, in welchen Reinhart ſich verirrt hatte, und andere neu angefangene. Dieſe Pläne waren nicht etwa auf kleine ängſtliche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/51>, abgerufen am 24.11.2024.