Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.als ich das Kind in meinen Armen habe, ungeplagt lassen. *) Inwährend des Betens, Schreyens, Kämpfens der Ge- Gegen Abend besuchte ich sie wieder im Armenhause, in *) Man sieht Gleiches in der Geschichte der U.
als ich das Kind in meinen Armen habe, ungeplagt laſſen. *) Inwährend des Betens, Schreyens, Kämpfens der Ge- Gegen Abend beſuchte ich ſie wieder im Armenhauſe, in *) Man ſieht Gleiches in der Geſchichte der U.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0119" n="105"/> als ich das Kind in meinen Armen habe, ungeplagt laſſen. <note place="foot" n="*)">Man ſieht Gleiches in der Geſchichte der U.</note><lb/> Mittags um eilf Uhr kam dieſe Beſeſſene auf mein Ver-<lb/> langen, aber nicht mit ihrem guten Willen, in hieſige Kirche,<lb/> darin ich, um nach ihrem höchſt jämmerlichen Zuſtand mich<lb/> zu richten, das Geſang: „Gott der Vater wohn’ uns bey“ ꝛc.<lb/> ſingen ließ und nach nöthig befundener Vorbereitung auf<lb/> der Kanzel die zwey merkwürdigen Stellen von etlichen Be-<lb/> ſeſſenen, Marc. 5. u. 9. Cap. mit <supplied>…</supplied> gehängter Applikation<lb/> ſo lange vorlas, bis der Satan aus der Beſeſſenen zu mir<lb/> auf die Kanzel ſchrie: „Wenn iſt’s einmal genug!“ Nach<lb/> meiner ertheilten Antwort: „wenn’s Gott genug iſt, dir Teufel<lb/> iſt’s gleich genug!“ beklagte ſich der Satan über mich: „Wie<lb/> quäleſt, wie plageſt du mich! wäre ich nur nicht in deine Kirche<lb/> gegangen.“ Als er unverſchämt ſprach: „Nun meine Kreatur<lb/> muß leiden andern zum Exempel!“ ſtopfte ich ihm ſein Maul<lb/> alſo: „Teufel! die Kreatur iſt nicht dein, ſondern Gottes!<lb/> Dein iſt Koth und Unflath, Hölle und Verdammniß in Ewigkeit“<lb/> und als ich mit kräftigen Ausdrücken vom Namen Jeſu und<lb/> ſeinem allerheilſamſten Mittleramt auf den Satan zudrang!<lb/> ſchrie er: „O heiß! o heiß! O Qual! o Qual!“ oder fuhr<lb/> er mich zornig an: „Was haſt du für ein Geplapper?“ —</p><lb/> <p>Inwährend des Betens, Schreyens, Kämpfens der Ge-<lb/> meinde, marterte der Satan die arme Kreatur jämmerlich,<lb/> brüllte aus ihr entſetzlich und warf ſie ſo ſtarr, ſo unem-<lb/> pfindlich zur Erde nieder, daß ſie lange eiskalt, ohne daß<lb/> man einen Athemzug bemerkte, wie ganz todt da lag, bis<lb/> ſie endlich mit Gottes Hülfe wieder zu ſich ſelbſt kam und<lb/> ganz ſchwach und entkräftet von etlichen Perſonen wieder<lb/> aus der Kirche in’s Armenhaus geführt wurde, allwo der<lb/> Satan ſie von neuem grauſam plagte. —</p><lb/> <p>Gegen Abend beſuchte ich ſie wieder im Armenhauſe, in<lb/> Begleitung eines ſiebenjährigen Kindes, das aus Furcht<lb/> vor der Beſeſſenen ſich hinter eine Frau verſteckte. Zu<lb/> dieſem ſprach der Satan: „Du darfſt dich vor mir nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0119]
als ich das Kind in meinen Armen habe, ungeplagt laſſen. *)
Mittags um eilf Uhr kam dieſe Beſeſſene auf mein Ver-
langen, aber nicht mit ihrem guten Willen, in hieſige Kirche,
darin ich, um nach ihrem höchſt jämmerlichen Zuſtand mich
zu richten, das Geſang: „Gott der Vater wohn’ uns bey“ ꝛc.
ſingen ließ und nach nöthig befundener Vorbereitung auf
der Kanzel die zwey merkwürdigen Stellen von etlichen Be-
ſeſſenen, Marc. 5. u. 9. Cap. mit … gehängter Applikation
ſo lange vorlas, bis der Satan aus der Beſeſſenen zu mir
auf die Kanzel ſchrie: „Wenn iſt’s einmal genug!“ Nach
meiner ertheilten Antwort: „wenn’s Gott genug iſt, dir Teufel
iſt’s gleich genug!“ beklagte ſich der Satan über mich: „Wie
quäleſt, wie plageſt du mich! wäre ich nur nicht in deine Kirche
gegangen.“ Als er unverſchämt ſprach: „Nun meine Kreatur
muß leiden andern zum Exempel!“ ſtopfte ich ihm ſein Maul
alſo: „Teufel! die Kreatur iſt nicht dein, ſondern Gottes!
Dein iſt Koth und Unflath, Hölle und Verdammniß in Ewigkeit“
und als ich mit kräftigen Ausdrücken vom Namen Jeſu und
ſeinem allerheilſamſten Mittleramt auf den Satan zudrang!
ſchrie er: „O heiß! o heiß! O Qual! o Qual!“ oder fuhr
er mich zornig an: „Was haſt du für ein Geplapper?“ —
Inwährend des Betens, Schreyens, Kämpfens der Ge-
meinde, marterte der Satan die arme Kreatur jämmerlich,
brüllte aus ihr entſetzlich und warf ſie ſo ſtarr, ſo unem-
pfindlich zur Erde nieder, daß ſie lange eiskalt, ohne daß
man einen Athemzug bemerkte, wie ganz todt da lag, bis
ſie endlich mit Gottes Hülfe wieder zu ſich ſelbſt kam und
ganz ſchwach und entkräftet von etlichen Perſonen wieder
aus der Kirche in’s Armenhaus geführt wurde, allwo der
Satan ſie von neuem grauſam plagte. —
Gegen Abend beſuchte ich ſie wieder im Armenhauſe, in
Begleitung eines ſiebenjährigen Kindes, das aus Furcht
vor der Beſeſſenen ſich hinter eine Frau verſteckte. Zu
dieſem ſprach der Satan: „Du darfſt dich vor mir nicht
*) Man ſieht Gleiches in der Geſchichte der U.
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