Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.fürchten, du bist Gottes Kind, ich kann dir nichts thun. Eine andre Frau, die der Bettler wegen aufgestellt ist, Ein Weib, das ein uneheliches Kind bey sich hatte, ent- Obwohl nun die Besessene auch dießmal wieder den Ge- Samstag Nachts um ein Uhr holte mich ein welscher fürchten, du biſt Gottes Kind, ich kann dir nichts thun. Eine andre Frau, die der Bettler wegen aufgeſtellt iſt, Ein Weib, das ein uneheliches Kind bey ſich hatte, ent- Obwohl nun die Beſeſſene auch dießmal wieder den Ge- Samſtag Nachts um ein Uhr holte mich ein welſcher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0120" n="106"/> fürchten, du biſt Gottes Kind, ich kann dir nichts thun.<lb/> Die Frau aber, die ſich ehr<supplied>li</supplied>ch nährte, ſchalt der Satan eine<lb/> liederliche Haushälterin, und weil ſie in einem Hafen, der<lb/> einen kleinen Spalt hatte, der von Niemand wahrgenommen<lb/> wurde, der Beſeſſenen Eſſen brachte, ſchrie der Satan: „O<lb/> Spalt! Spalt! warum nahmſt du nicht den ganzen Hafen,<lb/> der bey dem Brünnlein liegt?“ Die Anweſenden verwunderte<lb/> es, daß der Satan nicht nur den verborgenen Spalt in<lb/> dem Hafen, ſondern auch den Hafen bey dem Brünnlein<lb/> liegend wiſſen ſollte, an einem Ort, der der Beſeſſenen un-<lb/> bekannt war. —</p><lb/> <p>Eine andre Frau, die der Bettler wegen aufgeſtellt iſt,<lb/> reizte er an: „Wenn Bettler in den Flecken kommen<supplied>’</supplied>, ſo<lb/> jag’ und ſchlag ſie brav wieder hinaus, und bekommſt du<lb/> Allmoſen für ſie, ſo behalt’s für dich und kaufe dir Spitzen<lb/> dafür.“</p><lb/> <p>Ein Weib, das ein uneheliches Kind bey ſich hatte, ent-<lb/> deckte er, indem er ſagte: „Es iſt hier was ungerades!“<lb/> Mich aber ſchnaubte er an: „Was ſchickſt du der Kreatur zu<lb/> freſſen und zu ſaufen? es gehört ihr nichts!“ Ich fertigte<lb/> ihn kurz ab: „Teufel, wenn mich Gott ſeiner Kreatur Barm-<lb/> herzigkeit will laſſen erzeigen, was haſt du darein zu reden?“</p><lb/> <p>Obwohl nun die Beſeſſene auch dießmal wieder den Ge-<lb/> brauch der geſunden Vernunft, bey welchem ſie ſich, <hi rendition="#aq">nota<lb/> bene,</hi> niemals zu entſinnen wußte, was der Satan aus<lb/> ihr geredet, erlangt, ſo ließ ihr doch der Satan nach<lb/> meinem Abſchied nicht lange Ruhe, ſondern quälte ſie wie<lb/> zuvor.</p><lb/> <p>Samſtag Nachts um ein Uhr holte mich ein welſcher<lb/> reformirter Schweizer, der etlicher Sprachen kundig war,<lb/> und erzählte mir mit Erſtaunen: die Teufel ſprächen aus<lb/> der Beſeſſenen lateiniſch, franzöſiſch, ungariſch u. ſ. w. und<lb/> wütheten als wollten ſie Alles im Armenhaus umbringen.<lb/> Indem ich nun hineingehen wollte, rief der Satan: „Laſſet<lb/> den Paperle nicht herein, er hat mir ſchon zwey Kameraden<lb/> geſtohlen, er will mir meine vier auch ſtehlen!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
fürchten, du biſt Gottes Kind, ich kann dir nichts thun.
Die Frau aber, die ſich ehrlich nährte, ſchalt der Satan eine
liederliche Haushälterin, und weil ſie in einem Hafen, der
einen kleinen Spalt hatte, der von Niemand wahrgenommen
wurde, der Beſeſſenen Eſſen brachte, ſchrie der Satan: „O
Spalt! Spalt! warum nahmſt du nicht den ganzen Hafen,
der bey dem Brünnlein liegt?“ Die Anweſenden verwunderte
es, daß der Satan nicht nur den verborgenen Spalt in
dem Hafen, ſondern auch den Hafen bey dem Brünnlein
liegend wiſſen ſollte, an einem Ort, der der Beſeſſenen un-
bekannt war. —
Eine andre Frau, die der Bettler wegen aufgeſtellt iſt,
reizte er an: „Wenn Bettler in den Flecken kommen’, ſo
jag’ und ſchlag ſie brav wieder hinaus, und bekommſt du
Allmoſen für ſie, ſo behalt’s für dich und kaufe dir Spitzen
dafür.“
Ein Weib, das ein uneheliches Kind bey ſich hatte, ent-
deckte er, indem er ſagte: „Es iſt hier was ungerades!“
Mich aber ſchnaubte er an: „Was ſchickſt du der Kreatur zu
freſſen und zu ſaufen? es gehört ihr nichts!“ Ich fertigte
ihn kurz ab: „Teufel, wenn mich Gott ſeiner Kreatur Barm-
herzigkeit will laſſen erzeigen, was haſt du darein zu reden?“
Obwohl nun die Beſeſſene auch dießmal wieder den Ge-
brauch der geſunden Vernunft, bey welchem ſie ſich, nota
bene, niemals zu entſinnen wußte, was der Satan aus
ihr geredet, erlangt, ſo ließ ihr doch der Satan nach
meinem Abſchied nicht lange Ruhe, ſondern quälte ſie wie
zuvor.
Samſtag Nachts um ein Uhr holte mich ein welſcher
reformirter Schweizer, der etlicher Sprachen kundig war,
und erzählte mir mit Erſtaunen: die Teufel ſprächen aus
der Beſeſſenen lateiniſch, franzöſiſch, ungariſch u. ſ. w. und
wütheten als wollten ſie Alles im Armenhaus umbringen.
Indem ich nun hineingehen wollte, rief der Satan: „Laſſet
den Paperle nicht herein, er hat mir ſchon zwey Kameraden
geſtohlen, er will mir meine vier auch ſtehlen!“
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