Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.darauf hinweist, wenn er sagt: "Wenn ihr meiner Lehre So verhält es sich in Wahrheit mit der Kurart Gaß- darauf hinweist, wenn er ſagt: „Wenn ihr meiner Lehre So verhält es ſich in Wahrheit mit der Kurart Gaß- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="156"/> darauf hinweist, wenn er ſagt: „Wenn ihr meiner Lehre<lb/> nicht glaubet, ſo glaubet doch meinen Werken.“ Die falſche<lb/> hingegen bleibt an ihrem Dogma hängen, das ſchon nach<lb/> kurzem Jahreswechſel eine andere Geſtalt annimmt. <hi rendition="#g">Die<lb/> Macht des Geſchehens ſteht über der Macht der<lb/> Meinung</hi>. Warum kam jene Prüfungscommiſſion der ver-<lb/> ſchiedenen Confeſſionen nicht zu Stande, welche <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schleiß</hi><lb/> dem <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Semler</hi> vorſchlug? Vermuthlich, weil die Ra-<lb/> tionaliſten fürchteten, ihre Dogmen möchten von der Ge-<lb/> walt der Thatſachen überflügelt werden, ſie möchten mit<lb/> eigenen Augen ſehen müſſen, was ein Augenzeuge von den<lb/> Wirkungen <hi rendition="#g">Gaßner</hi>’s auf das Volk erzählt: „Es ſeye bey-<lb/> nahe alle Tage das zugetroffen, was zu den Zeiten der<lb/> Apoſtel ſich ereignete, <hi rendition="#aq">Act. 19, 17. „Cecidit timor super<lb/> omnes illos et magnificabatur nomen Domini Jesu.“</hi></p><lb/> <p>So verhält es ſich in Wahrheit mit der Kurart <hi rendition="#g">Gaß-<lb/> ners</hi>; allein die Aufklärungsepoche hat ſie nicht nur unge-<lb/> geprüft verdammt und aus dem Ged<supplied>ä</supplied>chtniß verwiſcht, ſon-<lb/> dern auch einen Bann an ſie gelegt. Der Exorcismus iſt<lb/> nun allgemein verboten und ihm überhaupt die Befugniß<lb/> genommen, im Namen Jeſu zu wirken und Kranke zu hei-<lb/> len. Die Polizey hebt mit dem Misbrauche, der aller-<lb/> dings häufig ſeyn mochte, auch den guten Gebrauch auf<lb/> und greift inſofern in jene Glaubensmacht ein, welche Chri-<lb/> ſtus ausdrücklich in ſeinen Namen gelegt hat. Man erwäge<lb/> nur die beyden oben erwähnten Geſchichten von <hi rendition="#g">Döffin-<lb/> gen</hi> und <hi rendition="#g">Gärtringen</hi>, nach welchen die Energumenen<lb/> von den Geiſtlichen in die Kirche genommen, durch eine<lb/> paſſende Rede dem Volke vorgeſtellt und dieſes zum ge-<lb/> meinſchaftlichen Gebet und zur Theilnahme ermahnt wurde.<lb/> War auf dieſe Weiſe die Stimmung der Gemüther hervor-<lb/> gebracht, welche der Glaube verlangt, ſo trat alsdann der<lb/> Geiſtliche vor den Kranken und befahl dem unreinen Geiſt<lb/> im Namen des Herrn Jeſu zu weichen, was auch jedes-<lb/> mal zutraf, indem die Kranken von ihren Plagen auf der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0170]
darauf hinweist, wenn er ſagt: „Wenn ihr meiner Lehre
nicht glaubet, ſo glaubet doch meinen Werken.“ Die falſche
hingegen bleibt an ihrem Dogma hängen, das ſchon nach
kurzem Jahreswechſel eine andere Geſtalt annimmt. Die
Macht des Geſchehens ſteht über der Macht der
Meinung. Warum kam jene Prüfungscommiſſion der ver-
ſchiedenen Confeſſionen nicht zu Stande, welche Dr. Schleiß
dem Dr. Semler vorſchlug? Vermuthlich, weil die Ra-
tionaliſten fürchteten, ihre Dogmen möchten von der Ge-
walt der Thatſachen überflügelt werden, ſie möchten mit
eigenen Augen ſehen müſſen, was ein Augenzeuge von den
Wirkungen Gaßner’s auf das Volk erzählt: „Es ſeye bey-
nahe alle Tage das zugetroffen, was zu den Zeiten der
Apoſtel ſich ereignete, Act. 19, 17. „Cecidit timor super
omnes illos et magnificabatur nomen Domini Jesu.“
So verhält es ſich in Wahrheit mit der Kurart Gaß-
ners; allein die Aufklärungsepoche hat ſie nicht nur unge-
geprüft verdammt und aus dem Gedächtniß verwiſcht, ſon-
dern auch einen Bann an ſie gelegt. Der Exorcismus iſt
nun allgemein verboten und ihm überhaupt die Befugniß
genommen, im Namen Jeſu zu wirken und Kranke zu hei-
len. Die Polizey hebt mit dem Misbrauche, der aller-
dings häufig ſeyn mochte, auch den guten Gebrauch auf
und greift inſofern in jene Glaubensmacht ein, welche Chri-
ſtus ausdrücklich in ſeinen Namen gelegt hat. Man erwäge
nur die beyden oben erwähnten Geſchichten von Döffin-
gen und Gärtringen, nach welchen die Energumenen
von den Geiſtlichen in die Kirche genommen, durch eine
paſſende Rede dem Volke vorgeſtellt und dieſes zum ge-
meinſchaftlichen Gebet und zur Theilnahme ermahnt wurde.
War auf dieſe Weiſe die Stimmung der Gemüther hervor-
gebracht, welche der Glaube verlangt, ſo trat alsdann der
Geiſtliche vor den Kranken und befahl dem unreinen Geiſt
im Namen des Herrn Jeſu zu weichen, was auch jedes-
mal zutraf, indem die Kranken von ihren Plagen auf der
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