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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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rieth ihr dringend, Einsprache zu thun, die Sache an die Gerichte zu bringen. Aber dann hätte sie öffentlich vor den Leuten auftreten müssen, und das wurde ihr jetzt zu hart, da ohnehin die unbarmherzigen Zungen der Schwägerinnen bereits Alles an die große Glocke gebracht hatten. So fügte sie sich dem Unrecht, das stets den Unglücklichen verfolgt; aber mit Blutsverwandten, die so unbrüderlich an ihr gehandelt hatten, vermochte sie nicht mehr zu leben, und die Vorstellung war ihr unerträglich, daß eine boshafte Hand vielleicht auf derselben Schwelle des Vaterhauses ihr Häcksel streuen könnte, wo einst an jedem ersten Maitag grünes Mailaub für sie geprangt hatte.

An einem frühen, schon kühlen Morgen des Spätherbstes, als noch nirgendwo von den Tennen der Taktschlag der Drescher herklang, schlich sie durch die Gassen des Dorfs, welche sie monatlang vermieden hatte, in den Wald und schlug einen kleinen rauh ansteigenden Buschpfad ein. Nach dem Marsch einer guten Stunde senkte sich der Weg in das kleine Bachthal zu einer Mühle hinab. Die alte Müllersfrau war ihre Tante und Pathe zugleich; eine gutmüthige Seele gleich ihrem Bruder, dem todten Vater Margret's, wenn auch ohne dessen klaren Verstand. Sie traf die Alte noch beim Kaffee, und es that ihr so wohl, als diese, obwohl ebenfalls mit allem Vorgefallenen bekannt, ihr mit herzlicher Freude entgegenkam und sie gleich zum Essen und Trinken nöthigte. Die Pathe erzählte ihr dabei

rieth ihr dringend, Einsprache zu thun, die Sache an die Gerichte zu bringen. Aber dann hätte sie öffentlich vor den Leuten auftreten müssen, und das wurde ihr jetzt zu hart, da ohnehin die unbarmherzigen Zungen der Schwägerinnen bereits Alles an die große Glocke gebracht hatten. So fügte sie sich dem Unrecht, das stets den Unglücklichen verfolgt; aber mit Blutsverwandten, die so unbrüderlich an ihr gehandelt hatten, vermochte sie nicht mehr zu leben, und die Vorstellung war ihr unerträglich, daß eine boshafte Hand vielleicht auf derselben Schwelle des Vaterhauses ihr Häcksel streuen könnte, wo einst an jedem ersten Maitag grünes Mailaub für sie geprangt hatte.

An einem frühen, schon kühlen Morgen des Spätherbstes, als noch nirgendwo von den Tennen der Taktschlag der Drescher herklang, schlich sie durch die Gassen des Dorfs, welche sie monatlang vermieden hatte, in den Wald und schlug einen kleinen rauh ansteigenden Buschpfad ein. Nach dem Marsch einer guten Stunde senkte sich der Weg in das kleine Bachthal zu einer Mühle hinab. Die alte Müllersfrau war ihre Tante und Pathe zugleich; eine gutmüthige Seele gleich ihrem Bruder, dem todten Vater Margret's, wenn auch ohne dessen klaren Verstand. Sie traf die Alte noch beim Kaffee, und es that ihr so wohl, als diese, obwohl ebenfalls mit allem Vorgefallenen bekannt, ihr mit herzlicher Freude entgegenkam und sie gleich zum Essen und Trinken nöthigte. Die Pathe erzählte ihr dabei

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[0037] rieth ihr dringend, Einsprache zu thun, die Sache an die Gerichte zu bringen. Aber dann hätte sie öffentlich vor den Leuten auftreten müssen, und das wurde ihr jetzt zu hart, da ohnehin die unbarmherzigen Zungen der Schwägerinnen bereits Alles an die große Glocke gebracht hatten. So fügte sie sich dem Unrecht, das stets den Unglücklichen verfolgt; aber mit Blutsverwandten, die so unbrüderlich an ihr gehandelt hatten, vermochte sie nicht mehr zu leben, und die Vorstellung war ihr unerträglich, daß eine boshafte Hand vielleicht auf derselben Schwelle des Vaterhauses ihr Häcksel streuen könnte, wo einst an jedem ersten Maitag grünes Mailaub für sie geprangt hatte. An einem frühen, schon kühlen Morgen des Spätherbstes, als noch nirgendwo von den Tennen der Taktschlag der Drescher herklang, schlich sie durch die Gassen des Dorfs, welche sie monatlang vermieden hatte, in den Wald und schlug einen kleinen rauh ansteigenden Buschpfad ein. Nach dem Marsch einer guten Stunde senkte sich der Weg in das kleine Bachthal zu einer Mühle hinab. Die alte Müllersfrau war ihre Tante und Pathe zugleich; eine gutmüthige Seele gleich ihrem Bruder, dem todten Vater Margret's, wenn auch ohne dessen klaren Verstand. Sie traf die Alte noch beim Kaffee, und es that ihr so wohl, als diese, obwohl ebenfalls mit allem Vorgefallenen bekannt, ihr mit herzlicher Freude entgegenkam und sie gleich zum Essen und Trinken nöthigte. Die Pathe erzählte ihr dabei

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/37>, abgerufen am 03.12.2024.