Kinkel, Johanna: Musikalische Orthodoxie. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 99–171. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der Erinnerung mit den Zügen der Gegenwärtigen verschmolz. Das flackernde Auge war sanft und ruhig geworden; die scharfen Züge, die bleichen Wangen von ehemals blühten nun in weicher, milder Frische. Ihre Gestalt schien größer, weil sie sich der nachlässigen Haltung endlich entwöhnt hatte. In der Pause beobachtete Selvar, wie lebhaft gesprächig Ida mit dem großen Kreise der Befreundeten verkehrte, die sie umringten. Es waren nicht bloß junge Stutzer, wie sie sich sonst ausschließlich an die Künstlerinnen zu drängen pflegen, sondern Personen jeden Alters. Auch mit den Frauen schien Ida in Verhältnissen der Achtung und Theilnahme zu stehen. Sie selbst war lebhaft gesprächig und schien versöhnt und zufrieden mit der Welt, die sie umgab. Eine neue Komposition Sohling's rief am Schlusse des Abends noch einmal Ida ans Clavier. Sie war für bloß weibliche Stimmen und eine Begleitung von Clavier und anderen Solo Instrumenten geschrieben, die nur für bedeutende Künstler ausführbar war. Der Text war sehr lieblich und beschrieb den Tanz der Elfen in der Mondnacht auf den ersten Maiblumenkelchen, den das erwachende Sonnenlicht mit seinem fröhlichen Waldrauschen und Lerchengeschmetter zuletzt überwältigt. Die Feinheit der Komposition und der Ausführung wetteiferten mit einander. Ein Halbkreis von lieben, rosigen jungen Mädchen mit klaren Glockenstimmen sangen die Rollen der Elfen und Lerchen. der Erinnerung mit den Zügen der Gegenwärtigen verschmolz. Das flackernde Auge war sanft und ruhig geworden; die scharfen Züge, die bleichen Wangen von ehemals blühten nun in weicher, milder Frische. Ihre Gestalt schien größer, weil sie sich der nachlässigen Haltung endlich entwöhnt hatte. In der Pause beobachtete Selvar, wie lebhaft gesprächig Ida mit dem großen Kreise der Befreundeten verkehrte, die sie umringten. Es waren nicht bloß junge Stutzer, wie sie sich sonst ausschließlich an die Künstlerinnen zu drängen pflegen, sondern Personen jeden Alters. Auch mit den Frauen schien Ida in Verhältnissen der Achtung und Theilnahme zu stehen. Sie selbst war lebhaft gesprächig und schien versöhnt und zufrieden mit der Welt, die sie umgab. Eine neue Komposition Sohling's rief am Schlusse des Abends noch einmal Ida ans Clavier. Sie war für bloß weibliche Stimmen und eine Begleitung von Clavier und anderen Solo Instrumenten geschrieben, die nur für bedeutende Künstler ausführbar war. Der Text war sehr lieblich und beschrieb den Tanz der Elfen in der Mondnacht auf den ersten Maiblumenkelchen, den das erwachende Sonnenlicht mit seinem fröhlichen Waldrauschen und Lerchengeschmetter zuletzt überwältigt. Die Feinheit der Komposition und der Ausführung wetteiferten mit einander. Ein Halbkreis von lieben, rosigen jungen Mädchen mit klaren Glockenstimmen sangen die Rollen der Elfen und Lerchen. <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0072"/> der Erinnerung mit den Zügen der Gegenwärtigen verschmolz. Das flackernde Auge war sanft und ruhig geworden; die scharfen Züge, die bleichen Wangen von ehemals blühten nun in weicher, milder Frische. Ihre Gestalt schien größer, weil sie sich der nachlässigen Haltung endlich entwöhnt hatte.</p><lb/> <p>In der Pause beobachtete Selvar, wie lebhaft gesprächig Ida mit dem großen Kreise der Befreundeten verkehrte, die sie umringten. Es waren nicht bloß junge Stutzer, wie sie sich sonst ausschließlich an die Künstlerinnen zu drängen pflegen, sondern Personen jeden Alters. Auch mit den Frauen schien Ida in Verhältnissen der Achtung und Theilnahme zu stehen. Sie selbst war lebhaft gesprächig und schien versöhnt und zufrieden mit der Welt, die sie umgab.</p><lb/> <p>Eine neue Komposition Sohling's rief am Schlusse des Abends noch einmal Ida ans Clavier. Sie war für bloß weibliche Stimmen und eine Begleitung von Clavier und anderen Solo Instrumenten geschrieben, die nur für bedeutende Künstler ausführbar war. Der Text war sehr lieblich und beschrieb den Tanz der Elfen in der Mondnacht auf den ersten Maiblumenkelchen, den das erwachende Sonnenlicht mit seinem fröhlichen Waldrauschen und Lerchengeschmetter zuletzt überwältigt. Die Feinheit der Komposition und der Ausführung wetteiferten mit einander. Ein Halbkreis von lieben, rosigen jungen Mädchen mit klaren Glockenstimmen sangen die Rollen der Elfen und Lerchen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
der Erinnerung mit den Zügen der Gegenwärtigen verschmolz. Das flackernde Auge war sanft und ruhig geworden; die scharfen Züge, die bleichen Wangen von ehemals blühten nun in weicher, milder Frische. Ihre Gestalt schien größer, weil sie sich der nachlässigen Haltung endlich entwöhnt hatte.
In der Pause beobachtete Selvar, wie lebhaft gesprächig Ida mit dem großen Kreise der Befreundeten verkehrte, die sie umringten. Es waren nicht bloß junge Stutzer, wie sie sich sonst ausschließlich an die Künstlerinnen zu drängen pflegen, sondern Personen jeden Alters. Auch mit den Frauen schien Ida in Verhältnissen der Achtung und Theilnahme zu stehen. Sie selbst war lebhaft gesprächig und schien versöhnt und zufrieden mit der Welt, die sie umgab.
Eine neue Komposition Sohling's rief am Schlusse des Abends noch einmal Ida ans Clavier. Sie war für bloß weibliche Stimmen und eine Begleitung von Clavier und anderen Solo Instrumenten geschrieben, die nur für bedeutende Künstler ausführbar war. Der Text war sehr lieblich und beschrieb den Tanz der Elfen in der Mondnacht auf den ersten Maiblumenkelchen, den das erwachende Sonnenlicht mit seinem fröhlichen Waldrauschen und Lerchengeschmetter zuletzt überwältigt. Die Feinheit der Komposition und der Ausführung wetteiferten mit einander. Ein Halbkreis von lieben, rosigen jungen Mädchen mit klaren Glockenstimmen sangen die Rollen der Elfen und Lerchen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:10:50Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:10:50Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |