Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.reaktionäre Welle, dann müssen diese Frauen konsequenter Weise auch Eine zweite Gegenorganisation hatte sich im Osten gebildet, der Die Vereinigung ist als Gegenorganisation gegen den Deutschen Die Opposition in München hatte für uns hier in Bremen die 1. den Antrag Hessen auf Abänderung des § 3 in folgende Form: "Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle 2. den Antrag Bayern, der dahin ging: "Jn dem Satz: ,der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, Beide Anträge sollten einer Verständigung mit den Gegenorgani- reaktionäre Welle, dann müssen diese Frauen konsequenter Weise auch Eine zweite Gegenorganisation hatte sich im Osten gebildet, der Die Vereinigung ist als Gegenorganisation gegen den Deutschen Die Opposition in München hatte für uns hier in Bremen die 1. den Antrag Hessen auf Abänderung des § 3 in folgende Form: „Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle 2. den Antrag Bayern, der dahin ging: „Jn dem Satz: ‚der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, Beide Anträge sollten einer Verständigung mit den Gegenorgani- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0008" n="8"/> reaktionäre Welle, dann müssen diese Frauen konsequenter Weise auch<lb/> für ein noch schlechteres Wahlrecht eintreten. Warum nun unser § 3<lb/> nicht neutral, der der Gegenorganisation neutral sein soll, ist mir un-<lb/> erfindlich: <hi rendition="#g">beide nehmen Stellung zum Wahlrecht</hi>.</p><lb/> <p>Eine zweite Gegenorganisation hatte sich im Osten gebildet, der<lb/> „Schlesische Verband“ unter Fräulein Hielscher. Und im Anschluß an<lb/> unsre vorjährige Generalversammlung in Hamburg bildete sich eine<lb/> dritte Gruppe: der Norddeutsche Verband mit den beiden Ortsgruppen<lb/> Hamburg und Umgebung und Harburg. Alle drei schlossen sich dann<lb/> zusammen zur Deutschen Vereinigung für Frauenstimmrecht, die nun<lb/> allerdings die Wahlrechtsfrage bewußt ausschaltete und ihren § 2 so<lb/> formulierte: „Die Vereinigung hat den Zweck, durch praktische und<lb/> theoretische Arbeit das Verständnis für das Frauenstimmrecht zu fördern,<lb/> ohne ihre Mitglieder auf ein bestimmtes politisches Programm festzulegen.“</p><lb/> <p>Die Vereinigung ist als <hi rendition="#b">Gegenorganisation gegen den Deutschen<lb/> Verband</hi> gegründet.</p><lb/> <p>Die Opposition in München hatte für uns hier in Bremen die<lb/> praktische Folge, daß unsre Vorsitzende im Winter 1910 eine Debatte<lb/> über den § 3 anregte, bei der die Geister scharf aufeinanderplatzten.<lb/> Die Abstimmung der mäßig besuchten Versammlung ergab dann eine<lb/> kleine Mehrheit (wenn ich nicht irre 2 oder 3 Stimmen) <hi rendition="#b">für den § 3.</hi><lb/> Seitdem ist er bei uns nicht wieder berührt worden. Aber auf der<lb/> Hamburger Generalversammlung, Oktober 1911, tauchte er wieder auf<lb/> und nahm einen wichtigen Platz ein durch 2 Anträge:<lb/><list><item>1. den Antrag Hessen auf Abänderung des § 3 in folgende Form:<lb/><p><hi rendition="#et">„Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle<lb/> Frauen“,</hi></p></item><lb/><item>2. den Antrag Bayern, der dahin ging:<lb/><p><hi rendition="#et">„Jn dem Satz: ‚der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche,<lb/> geheime und direkte Wahlrecht usw.’ die Worte: ‚für beide<lb/> Geschlechter ’ umzuwandeln in:‚für die Frauen’.“</hi></p></item></list></p><lb/> <p>Beide Anträge sollten einer Verständigung mit den Gegenorgani-<lb/> sationen dienen und den Vorwurf parteipolitischer Stellungnahme des<lb/> Verbandes entkräften, nur daß <hi rendition="#g">Hessen</hi><lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">unser Grundprinzip preisgab,</hi></hi><lb/> zum mindesten stark verschleierte, während Bayern es unangetastet ließ<lb/> und nur eine Form suchte, die keine Partei auf dem Programm hat und<lb/> haben kann. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Augspurg hob diese Absicht in ihrer Begründung des<lb/> bayrischen Antrages scharf heraus und betonte nachdrücklich, daß ein<lb/> allgemeines, gleiches Wahlrecht für die Frauen sich naturgemäß nur auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0008]
reaktionäre Welle, dann müssen diese Frauen konsequenter Weise auch
für ein noch schlechteres Wahlrecht eintreten. Warum nun unser § 3
nicht neutral, der der Gegenorganisation neutral sein soll, ist mir un-
erfindlich: beide nehmen Stellung zum Wahlrecht.
Eine zweite Gegenorganisation hatte sich im Osten gebildet, der
„Schlesische Verband“ unter Fräulein Hielscher. Und im Anschluß an
unsre vorjährige Generalversammlung in Hamburg bildete sich eine
dritte Gruppe: der Norddeutsche Verband mit den beiden Ortsgruppen
Hamburg und Umgebung und Harburg. Alle drei schlossen sich dann
zusammen zur Deutschen Vereinigung für Frauenstimmrecht, die nun
allerdings die Wahlrechtsfrage bewußt ausschaltete und ihren § 2 so
formulierte: „Die Vereinigung hat den Zweck, durch praktische und
theoretische Arbeit das Verständnis für das Frauenstimmrecht zu fördern,
ohne ihre Mitglieder auf ein bestimmtes politisches Programm festzulegen.“
Die Vereinigung ist als Gegenorganisation gegen den Deutschen
Verband gegründet.
Die Opposition in München hatte für uns hier in Bremen die
praktische Folge, daß unsre Vorsitzende im Winter 1910 eine Debatte
über den § 3 anregte, bei der die Geister scharf aufeinanderplatzten.
Die Abstimmung der mäßig besuchten Versammlung ergab dann eine
kleine Mehrheit (wenn ich nicht irre 2 oder 3 Stimmen) für den § 3.
Seitdem ist er bei uns nicht wieder berührt worden. Aber auf der
Hamburger Generalversammlung, Oktober 1911, tauchte er wieder auf
und nahm einen wichtigen Platz ein durch 2 Anträge:
1. den Antrag Hessen auf Abänderung des § 3 in folgende Form:
„Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle
Frauen“,
2. den Antrag Bayern, der dahin ging:
„Jn dem Satz: ‚der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche,
geheime und direkte Wahlrecht usw.’ die Worte: ‚für beide
Geschlechter ’ umzuwandeln in:‚für die Frauen’.“
Beide Anträge sollten einer Verständigung mit den Gegenorgani-
sationen dienen und den Vorwurf parteipolitischer Stellungnahme des
Verbandes entkräften, nur daß Hessen
unser Grundprinzip preisgab,
zum mindesten stark verschleierte, während Bayern es unangetastet ließ
und nur eine Form suchte, die keine Partei auf dem Programm hat und
haben kann. Dr. Augspurg hob diese Absicht in ihrer Begründung des
bayrischen Antrages scharf heraus und betonte nachdrücklich, daß ein
allgemeines, gleiches Wahlrecht für die Frauen sich naturgemäß nur auf
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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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