Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_089.001 §. 129. Es ist in neuester Zeit viel hin- und pkl_089.006 pkl_089.001 §. 129. Es ist in neuester Zeit viel hin- und pkl_089.006 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0115" n="89"/><lb n="pkl_089.001"/> darf es nicht sein! Der <hi rendition="#g">Ausdruck</hi> patriotischer Gefühle <lb n="pkl_089.002"/> muß ein durch und durch <hi rendition="#g">poetischer,</hi> die besondere <lb n="pkl_089.003"/> Tendenz des Liedes muß von der Poesie getragen, <lb n="pkl_089.004"/> gehoben, verklärt sein.</p> <lb n="pkl_089.005"/> <p> §. 129. Es ist in neuester Zeit viel hin- und <lb n="pkl_089.006"/> hergestritten worden, ob die <hi rendition="#g">Politik</hi> in den Kreis der <lb n="pkl_089.007"/> <hi rendition="#g">Poesie</hi> gehöre oder nicht? Wir finden es inconsequent <lb n="pkl_089.008"/> und lächerlich, wenn man die Antwort unbedingt verneinend <lb n="pkl_089.009"/> ausfallen läßt. <hi rendition="#g">Kriegsliedern</hi> hat man, <lb n="pkl_089.010"/> unsers Wissens, die poetische Zulässigkeit noch nicht abgesprochen. <lb n="pkl_089.011"/> Sind aber Kriegslieder im Grunde etwas <lb n="pkl_089.012"/> anderes, als politische Lieder? Oder soll unsere Vaterlandsliebe <lb n="pkl_089.013"/> sich nur auf das Departement des Auswärtigen <lb n="pkl_089.014"/> und das des königlichen Hauses erstrecken? Soll <lb n="pkl_089.015"/> das, was <hi rendition="#g">alle Gemüther</hi> eines ganzen Landes bewegt <lb n="pkl_089.016"/> (oder doch <hi rendition="#g">alle</hi> bewegen <hi rendition="#g">sollte!</hi>) nicht passender <lb n="pkl_089.017"/> Stoff poetischen Ergusses sein? Wir beklagen es mit <lb n="pkl_089.018"/> allen Besonnenen, wenn im politischen Liede eine gehässige <lb n="pkl_089.019"/> Bitterkeit, persönliche Gereiztheit sich kund giebt; <lb n="pkl_089.020"/> uns ekelt for<hi rendition="#aq">ç</hi>irter Patriotismus an, trage er nun die <lb n="pkl_089.021"/> blutige Farbe der Empörung oder die graue des Servilismus; <lb n="pkl_089.022"/> wir sind nicht gemeint, (wie einer unserer <lb n="pkl_089.023"/> neuesten politischen Dichter,) daß allen denjenigen Dichtern <lb n="pkl_089.024"/> Gesinnungslosigkeit beizumessen sei, die in unserer <lb n="pkl_089.025"/> politischen Zeit von etwas anderem singen, als von <lb n="pkl_089.026"/> Politik; — aber wir freuen uns, wenn das Jnteresse <lb n="pkl_089.027"/> des Tages ächte poetische Ergüsse veranlaßt, wir freuen <lb n="pkl_089.028"/> uns, wenn wir nicht bloß von Waldvögelein und Mondenschein, <lb n="pkl_089.029"/> von Liebespein und Liebeslust singen, sondern <lb n="pkl_089.030"/> auch den Ton männlicher Gesinnung anstimmen hören, <lb n="pkl_089.031"/> der das Herz kräftigt und die Entschiedenheit fördert.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0115]
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darf es nicht sein! Der Ausdruck patriotischer Gefühle pkl_089.002
muß ein durch und durch poetischer, die besondere pkl_089.003
Tendenz des Liedes muß von der Poesie getragen, pkl_089.004
gehoben, verklärt sein.
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§. 129. Es ist in neuester Zeit viel hin- und pkl_089.006
hergestritten worden, ob die Politik in den Kreis der pkl_089.007
Poesie gehöre oder nicht? Wir finden es inconsequent pkl_089.008
und lächerlich, wenn man die Antwort unbedingt verneinend pkl_089.009
ausfallen läßt. Kriegsliedern hat man, pkl_089.010
unsers Wissens, die poetische Zulässigkeit noch nicht abgesprochen. pkl_089.011
Sind aber Kriegslieder im Grunde etwas pkl_089.012
anderes, als politische Lieder? Oder soll unsere Vaterlandsliebe pkl_089.013
sich nur auf das Departement des Auswärtigen pkl_089.014
und das des königlichen Hauses erstrecken? Soll pkl_089.015
das, was alle Gemüther eines ganzen Landes bewegt pkl_089.016
(oder doch alle bewegen sollte!) nicht passender pkl_089.017
Stoff poetischen Ergusses sein? Wir beklagen es mit pkl_089.018
allen Besonnenen, wenn im politischen Liede eine gehässige pkl_089.019
Bitterkeit, persönliche Gereiztheit sich kund giebt; pkl_089.020
uns ekelt forçirter Patriotismus an, trage er nun die pkl_089.021
blutige Farbe der Empörung oder die graue des Servilismus; pkl_089.022
wir sind nicht gemeint, (wie einer unserer pkl_089.023
neuesten politischen Dichter,) daß allen denjenigen Dichtern pkl_089.024
Gesinnungslosigkeit beizumessen sei, die in unserer pkl_089.025
politischen Zeit von etwas anderem singen, als von pkl_089.026
Politik; — aber wir freuen uns, wenn das Jnteresse pkl_089.027
des Tages ächte poetische Ergüsse veranlaßt, wir freuen pkl_089.028
uns, wenn wir nicht bloß von Waldvögelein und Mondenschein, pkl_089.029
von Liebespein und Liebeslust singen, sondern pkl_089.030
auch den Ton männlicher Gesinnung anstimmen hören, pkl_089.031
der das Herz kräftigt und die Entschiedenheit fördert.
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