Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_007.001
die vierte endlich ist mitteltonig, deshalb an sich unbestimmt. pkl_007.002
Jn jambischen, trochäischen, überhaupt in pkl_007.003
allen deutschen und modernen Versarten wird letztere in pkl_007.004
dieser Zusammensetzung als kurz betrachtet, in dem pkl_007.005
Wort "Genossenschaft" dagegen als lang; (in antiken pkl_007.006
Silbenmaaßen kann sie auch in "Freundschaft" als pkl_007.007
lang genommen werden.) Denn man berücksichtigt:

pkl_007.008

§. 8. 3) auch die Verbindung einer Silbe pkl_007.009
mit andern und ihre Stellung im Verse,
insofern pkl_007.010
dadurch ihre Betonung sich ändert, -- mit andern pkl_007.011
Worten: den Vers-, Satz- oder Redeaccent. pkl_007.012
Nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.013
auch an und für sich vollbetonte Silben werden pkl_007.014
dadurch, daß sie mit solchen Silben, welche bei richtigem, pkl_007.015
dem Jnhalte entsprechenden Lesen des ganzen pkl_007.016
Verses und Satzes vorzugsweise betont werden, pkl_007.017
in unmittelbare Berührung kommen, zu wenig betonten pkl_007.018
und daher kurzen Silben; und umgekehrt, pkl_007.019
nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.020
auch sehr wenig betonte Silben dadurch, daß sie pkl_007.021
zwischen zwei entschieden kurzen Silben stehen, zu pkl_007.022
mehr betonten und deshalb langen Silben.

pkl_007.023

Beispiele: pkl_007.024
1)

Klein Roland, komm' herein geschwind! pkl_007.025
Mein Trost kommt all' von Dir.
pkl_007.026
Uhland. pkl_007.027
2)
Jm Saal voll Pracht und Herrlichkeit pkl_007.028
Schließt, Augen, euch: hier ist nicht Zeit pkl_007.029
Euch staunend zu ergötzen.
pkl_007.030
Göthe. pkl_007.031
3)
Denn es deckt die edlen Glieder pkl_007.032
Härenes Gewand.
pkl_007.033
Schiller.

pkl_007.001
die vierte endlich ist mitteltonig, deshalb an sich unbestimmt. pkl_007.002
Jn jambischen, trochäischen, überhaupt in pkl_007.003
allen deutschen und modernen Versarten wird letztere in pkl_007.004
dieser Zusammensetzung als kurz betrachtet, in dem pkl_007.005
Wort „Genossenschaft“ dagegen als lang; (in antiken pkl_007.006
Silbenmaaßen kann sie auch in „Freundschaft“ als pkl_007.007
lang genommen werden.) Denn man berücksichtigt:

pkl_007.008

§. 8. 3) auch die Verbindung einer Silbe pkl_007.009
mit andern und ihre Stellung im Verse,
insofern pkl_007.010
dadurch ihre Betonung sich ändert, — mit andern pkl_007.011
Worten: den Vers-, Satz- oder Redeaccent. pkl_007.012
Nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.013
auch an und für sich vollbetonte Silben werden pkl_007.014
dadurch, daß sie mit solchen Silben, welche bei richtigem, pkl_007.015
dem Jnhalte entsprechenden Lesen des ganzen pkl_007.016
Verses und Satzes vorzugsweise betont werden, pkl_007.017
in unmittelbare Berührung kommen, zu wenig betonten pkl_007.018
und daher kurzen Silben; und umgekehrt, pkl_007.019
nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.020
auch sehr wenig betonte Silben dadurch, daß sie pkl_007.021
zwischen zwei entschieden kurzen Silben stehen, zu pkl_007.022
mehr betonten und deshalb langen Silben.

pkl_007.023

Beispiele: pkl_007.024
1)

Klein Roland, komm' herein geschwind! pkl_007.025
Mein Trost kommt all' von Dir.
pkl_007.026
Uhland. pkl_007.027
2)
Jm Saal voll Pracht und Herrlichkeit pkl_007.028
Schließt, Augen, euch: hier ist nicht Zeit pkl_007.029
Euch staunend zu ergötzen.
pkl_007.030
Göthe. pkl_007.031
3)
Denn es deckt die edlen Glieder pkl_007.032
Härenes Gewand.
pkl_007.033
Schiller.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0033" n="7"/><lb n="pkl_007.001"/>
die vierte endlich ist <hi rendition="#g">mitteltonig,</hi> deshalb an sich <hi rendition="#g">unbestimmt.</hi> <lb n="pkl_007.002"/>
Jn jambischen, trochäischen, überhaupt in <lb n="pkl_007.003"/>
allen deutschen und modernen Versarten wird letztere in <lb n="pkl_007.004"/> <hi rendition="#g">dieser</hi> Zusammensetzung als <hi rendition="#g">kurz</hi> betrachtet, in dem <lb n="pkl_007.005"/>
Wort &#x201E;Genossenschaft&#x201C; dagegen als <hi rendition="#g">lang;</hi> (in antiken <lb n="pkl_007.006"/>
Silbenmaaßen kann sie auch in &#x201E;<hi rendition="#g">Freundschaft</hi>&#x201C; als <lb n="pkl_007.007"/> <hi rendition="#g">lang</hi> genommen werden.) Denn man berücksichtigt:</p>
            <lb n="pkl_007.008"/>
            <p>  §. 8. 3) auch die <hi rendition="#g">Verbindung einer Silbe <lb n="pkl_007.009"/>
mit andern und ihre Stellung im Verse,</hi> insofern <lb n="pkl_007.010"/>
dadurch ihre Betonung sich ändert, &#x2014; mit andern <lb n="pkl_007.011"/>
Worten: den <hi rendition="#g">Vers-, Satz-</hi> oder <hi rendition="#g">Redeaccent.</hi> <lb n="pkl_007.012"/>
Nicht bloß an und für sich <hi rendition="#g">mitteltonige,</hi> sondern <lb n="pkl_007.013"/>
auch an und für sich <hi rendition="#g">vollbetonte</hi> Silben werden <lb n="pkl_007.014"/>
dadurch, daß sie mit solchen Silben, welche bei richtigem, <lb n="pkl_007.015"/>
dem Jnhalte entsprechenden Lesen des ganzen <lb n="pkl_007.016"/>
Verses und Satzes <hi rendition="#g">vorzugsweise</hi> betont werden, <lb n="pkl_007.017"/>
in unmittelbare Berührung kommen, zu <hi rendition="#g">wenig</hi> betonten <lb n="pkl_007.018"/>
und daher <hi rendition="#g">kurzen</hi> Silben; und umgekehrt, <lb n="pkl_007.019"/>
nicht bloß an und für sich <hi rendition="#g">mitteltonige,</hi> sondern <lb n="pkl_007.020"/>
auch <hi rendition="#g">sehr wenig</hi> betonte Silben dadurch, daß sie <lb n="pkl_007.021"/>
zwischen zwei <hi rendition="#g">entschieden kurzen</hi> Silben stehen, zu <lb n="pkl_007.022"/> <hi rendition="#g">mehr</hi> betonten und deshalb <hi rendition="#g">langen</hi> Silben.</p>
            <lb n="pkl_007.023"/>
            <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Beispiele</hi>:</hi><lb n="pkl_007.024"/>
1) <lg><l>Klein Roland, komm' herein geschwind! <lb n="pkl_007.025"/>
Mein Trost kommt all' von Dir.</l></lg> <lb n="pkl_007.026"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Uhland</hi>.</hi> <lb n="pkl_007.027"/>
2) <lg><l>Jm Saal voll Pracht und Herrlichkeit <lb n="pkl_007.028"/>
Schließt, Augen, euch: hier ist nicht Zeit <lb n="pkl_007.029"/>
Euch staunend zu ergötzen.</l></lg> <lb n="pkl_007.030"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Göthe</hi>.</hi> <lb n="pkl_007.031"/>
3) <lg><l>Denn es deckt die edlen Glieder <lb n="pkl_007.032"/>
Härenes Gewand.</l></lg> <lb n="pkl_007.033"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.</hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0033] pkl_007.001 die vierte endlich ist mitteltonig, deshalb an sich unbestimmt. pkl_007.002 Jn jambischen, trochäischen, überhaupt in pkl_007.003 allen deutschen und modernen Versarten wird letztere in pkl_007.004 dieser Zusammensetzung als kurz betrachtet, in dem pkl_007.005 Wort „Genossenschaft“ dagegen als lang; (in antiken pkl_007.006 Silbenmaaßen kann sie auch in „Freundschaft“ als pkl_007.007 lang genommen werden.) Denn man berücksichtigt: pkl_007.008 §. 8. 3) auch die Verbindung einer Silbe pkl_007.009 mit andern und ihre Stellung im Verse, insofern pkl_007.010 dadurch ihre Betonung sich ändert, — mit andern pkl_007.011 Worten: den Vers-, Satz- oder Redeaccent. pkl_007.012 Nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.013 auch an und für sich vollbetonte Silben werden pkl_007.014 dadurch, daß sie mit solchen Silben, welche bei richtigem, pkl_007.015 dem Jnhalte entsprechenden Lesen des ganzen pkl_007.016 Verses und Satzes vorzugsweise betont werden, pkl_007.017 in unmittelbare Berührung kommen, zu wenig betonten pkl_007.018 und daher kurzen Silben; und umgekehrt, pkl_007.019 nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern pkl_007.020 auch sehr wenig betonte Silben dadurch, daß sie pkl_007.021 zwischen zwei entschieden kurzen Silben stehen, zu pkl_007.022 mehr betonten und deshalb langen Silben. pkl_007.023 Beispiele: pkl_007.024 1) Klein Roland, komm' herein geschwind! pkl_007.025 Mein Trost kommt all' von Dir. pkl_007.026 Uhland. pkl_007.027 2) Jm Saal voll Pracht und Herrlichkeit pkl_007.028 Schließt, Augen, euch: hier ist nicht Zeit pkl_007.029 Euch staunend zu ergötzen. pkl_007.030 Göthe. pkl_007.031 3) Denn es deckt die edlen Glieder pkl_007.032 Härenes Gewand. pkl_007.033 Schiller.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/33
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/33>, abgerufen am 29.03.2024.