Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
Ihr mögt, aus meinen Wendungen entnehmen, Ob meine Seele schuldig ist, ob nicht? Graf Otto (ihn forschend ansehend). Es sei! Versuchts einmal, Herr Graf, und fragt sie. Der Graf vom Strahl (wendet sich zu Käthchen, die noch immer auf Knieen liegt). Willt den geheimsten der Gedanken mir, Kathrina, der dir irgend, fass mich wohl, Im Winkel wo des Herzens schlummert, geben? Käthchen. Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es, So bist du sicher deß, was darin wohnt. Der Graf vom Strahl. Was ists, mit einem Wort, mir rund gesagt, Das dich aus deines Vaters Hause trieb? Was fesselt dich an meine Schritte an? Käthchen. Mein hoher Herr! Da fragst du mich zuviel. Und läg' ich so, wie ich vor dir jetzt liege, Vor meinem eigenen Bewustsein da: Auf einem goldnen Richtstuhl laß es thronen, Und alle Schrecken des Gewissens ihm, Im Flammenrüstungen, zur Seite stehn; So spräche jeglicher Gedanke noch, Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.
Ihr mögt, aus meinen Wendungen entnehmen, Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht? Graf Otto (ihn forſchend anſehend). Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt ſie. Der Graf vom Strahl (wendet ſich zu Käthchen, die noch immer auf Knieen liegt). Willt den geheimſten der Gedanken mir, Kathrina, der dir irgend, faſſ mich wohl, Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben? Käthchen. Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es, So biſt du ſicher deß, was darin wohnt. Der Graf vom Strahl. Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt, Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb? Was feſſelt dich an meine Schritte an? Käthchen. Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel. Und läg' ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege, Vor meinem eigenen Bewuſtſein da: Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen, Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm, Im Flammenrüſtungen, zur Seite ſtehn; So ſpräche jeglicher Gedanke noch, Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#STRA"> <p><pb facs="#f0036" n="30"/> Ihr mögt, aus meinen Wendungen entnehmen,<lb/> Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht?</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker> <hi rendition="#g">Graf Otto</hi> </speaker> <stage>(ihn forſchend anſehend).</stage><lb/> <p>Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt<lb/> ſie.</p> </sp><lb/> <sp who="#STRA"> <speaker> <hi rendition="#g">Der Graf vom Strahl</hi> </speaker> <stage>(wendet ſich zu Käthchen,<lb/> die noch immer auf Knieen liegt).</stage><lb/> <p>Willt den geheimſten der Gedanken mir,<lb/> Kathrina, der dir irgend, faſſ mich wohl,<lb/> Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker><hi rendition="#g">Käthchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,<lb/> So biſt du ſicher deß, was darin wohnt.</p> </sp><lb/> <sp who="#STRA"> <speaker><hi rendition="#g">Der Graf vom Strahl</hi>.</speaker><lb/> <p>Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt,<lb/> Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb?<lb/> Was feſſelt dich an meine Schritte an?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker><hi rendition="#g">Käthchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel.<lb/> Und läg' ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege,<lb/> Vor meinem eigenen Bewuſtſein da:<lb/> Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen,<lb/> Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm,<lb/> Im Flammenrüſtungen, zur Seite ſtehn;<lb/> So ſpräche jeglicher Gedanke noch,<lb/> Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0036]
Ihr mögt, aus meinen Wendungen entnehmen,
Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht?
Graf Otto (ihn forſchend anſehend).
Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt
ſie.
Der Graf vom Strahl (wendet ſich zu Käthchen,
die noch immer auf Knieen liegt).
Willt den geheimſten der Gedanken mir,
Kathrina, der dir irgend, faſſ mich wohl,
Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben?
Käthchen.
Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,
So biſt du ſicher deß, was darin wohnt.
Der Graf vom Strahl.
Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt,
Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb?
Was feſſelt dich an meine Schritte an?
Käthchen.
Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel.
Und läg' ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege,
Vor meinem eigenen Bewuſtſein da:
Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen,
Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm,
Im Flammenrüſtungen, zur Seite ſtehn;
So ſpräche jeglicher Gedanke noch,
Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.
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