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Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

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Hier im Ornat stand Kaiser Carl der fünfte:
Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.
Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:
Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil,
Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
Gerührt die Augen aus; wenn man die Eine
Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
So ist's, als weinete sie über sich.
Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
Noch auf das Schwerdt; doch jetzo müßt' er fallen,
So gut wie Maximilian: der Schlingel!
Die Schwerdter unten jetzt sind weggeschlagen.
Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,
Sah man den Erzbischof von Arras stehn;
Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:
Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.
Adam.
Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Pactum,
Hier im Ornat ſtand Kaiſer Carl der fuͤnfte:
Von dem ſeht ihr nur noch die Beine ſtehn.
Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:
Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil,
Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
Dort wiſchten ſeine beiden Muhmen ſich,
Der Franzen und der Ungarn Koͤniginnen,
Geruͤhrt die Augen aus; wenn man die Eine
Die Hand noch mit dem Tuch empor ſieht heben,
So iſt’s, als weinete ſie uͤber ſich.
Hier im Gefolge ſtuͤtzt ſich Philibert,
Fuͤr den den Stoß der Kaiſer aufgefangen,
Noch auf das Schwerdt; doch jetzo muͤßt’ er fallen,
So gut wie Maximilian: der Schlingel!
Die Schwerdter unten jetzt ſind weggeſchlagen.
Hier in der Mitte, mit der heil’gen Muͤtze,
Sah man den Erzbiſchof von Arras ſtehn;
Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
Sein Schatten nur faͤllt lang noch uͤbers Pflaſter.
Hier ſtanden rings, im Grunde, Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedraͤngt, und Spießen,
Hier Haͤuſer, ſeht, vom großen Markt zu Bruͤſſel,
Hier guckt noch ein Neugier’ger aus dem Fenſter:
Doch was er jetzo ſieht, das weiß ich nicht.
Adam.
Frau Marth! Erlaßt uns das zerſcherbte Pactum,
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[55/0061] Hier im Ornat ſtand Kaiſer Carl der fuͤnfte: Von dem ſeht ihr nur noch die Beine ſtehn. Hier kniete Philipp, und empfing die Krone: Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil, Und auch noch der hat einen Stoß empfangen. Dort wiſchten ſeine beiden Muhmen ſich, Der Franzen und der Ungarn Koͤniginnen, Geruͤhrt die Augen aus; wenn man die Eine Die Hand noch mit dem Tuch empor ſieht heben, So iſt’s, als weinete ſie uͤber ſich. Hier im Gefolge ſtuͤtzt ſich Philibert, Fuͤr den den Stoß der Kaiſer aufgefangen, Noch auf das Schwerdt; doch jetzo muͤßt’ er fallen, So gut wie Maximilian: der Schlingel! Die Schwerdter unten jetzt ſind weggeſchlagen. Hier in der Mitte, mit der heil’gen Muͤtze, Sah man den Erzbiſchof von Arras ſtehn; Den hat der Teufel ganz und gar geholt, Sein Schatten nur faͤllt lang noch uͤbers Pflaſter. Hier ſtanden rings, im Grunde, Leibtrabanten, Mit Hellebarden, dicht gedraͤngt, und Spießen, Hier Haͤuſer, ſeht, vom großen Markt zu Bruͤſſel, Hier guckt noch ein Neugier’ger aus dem Fenſter: Doch was er jetzo ſieht, das weiß ich nicht. Adam. Frau Marth! Erlaßt uns das zerſcherbte Pactum,

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/61>, abgerufen am 14.05.2024.