Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
Adam.
Die Wahrheit euch zu sagen, Herr Gerichtsrath,
Ihr Vater war ein guter Freund von mir.
Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein,
So thun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,
Und lassen seine Tochter gehn.
Walter.
Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,
Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. --
Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.
Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,
Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.
Eve.
Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr,
Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzählen.
Von dieser Weig'rung denkt uneben nicht.
Es ist des Himmels wunderbare Fügung,
Die mir den Mund in dieser Sache schließt.
Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich
Mit einem Eid, wenn ihr's verlangt,
Auf heiligem Altar bekräftigen.
Jedoch die gestrige Begebenheit,
Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,
Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,
Um eines einz'gen Fadens willen, fordern,
Der, ihr gehörig, durch's Gewebe läuft.
Adam.
Die Wahrheit euch zu ſagen, Herr Gerichtsrath,
Ihr Vater war ein guter Freund von mir.
Wollen Ew. Gnaden heute huldreich ſein,
So thun wir hier nicht mehr, als unſre Pflicht,
Und laſſen ſeine Tochter gehn.
Walter.
Ich ſpuͤre große Luſt in mir, Herr Richter,
Der Sache voͤllig auf den Grund zu kommen. —
Sei dreiſt, mein Kind; ſag, wer den Krug zerſchlagen.
Vor niemand ſtehſt du, in dem Augenblick,
Der einen Fehltritt nicht verzeihen koͤnnte.
Eve.
Mein lieber, wuͤrdiger und gnaͤd’ger Herr,
Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzaͤhlen.
Von dieſer Weig’rung denkt uneben nicht.
Es iſt des Himmels wunderbare Fuͤgung,
Die mir den Mund in dieſer Sache ſchließt.
Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich
Mit einem Eid, wenn ihr’s verlangt,
Auf heiligem Altar bekraͤftigen.
Jedoch die geſtrige Begebenheit,
Mit jedem andern Zuge, iſt mein eigen,
Und nicht das ganze Garnſtuͤck kann die Mutter,
Um eines einz’gen Fadens willen, fordern,
Der, ihr gehoͤrig, durch’s Gewebe laͤuft.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0098" n="92"/>
        <sp who="#ADA">
          <speaker> <hi rendition="#g">Adam.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Die Wahrheit euch zu &#x017F;agen, Herr Gerichtsrath,<lb/>
Ihr Vater war ein guter Freund von mir.<lb/>
Wollen Ew. Gnaden heute huldreich &#x017F;ein,<lb/>
So thun wir hier nicht mehr, als un&#x017F;re Pflicht,<lb/>
Und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Tochter gehn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WAL">
          <speaker> <hi rendition="#g">Walter.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Ich &#x017F;pu&#x0364;re große Lu&#x017F;t in mir, Herr Richter,<lb/>
Der Sache vo&#x0364;llig auf den Grund zu kommen. &#x2014;<lb/>
Sei drei&#x017F;t, mein Kind; &#x017F;ag, wer den Krug zer&#x017F;chlagen.<lb/>
Vor niemand &#x017F;teh&#x017F;t du, in dem Augenblick,<lb/>
Der einen Fehltritt nicht verzeihen ko&#x0364;nnte.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EVE">
          <speaker> <hi rendition="#g">Eve.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Mein lieber, wu&#x0364;rdiger und gna&#x0364;d&#x2019;ger Herr,<lb/>
Erlaßt mir, euch den Hergang zu erza&#x0364;hlen.<lb/>
Von die&#x017F;er Weig&#x2019;rung denkt uneben nicht.<lb/>
Es i&#x017F;t des Himmels wunderbare Fu&#x0364;gung,<lb/>
Die mir den Mund in die&#x017F;er Sache &#x017F;chließt.<lb/>
Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich<lb/>
Mit einem Eid, wenn ihr&#x2019;s verlangt,<lb/>
Auf heiligem Altar bekra&#x0364;ftigen.<lb/>
Jedoch die ge&#x017F;trige Begebenheit,<lb/>
Mit jedem andern Zuge, i&#x017F;t mein eigen,<lb/>
Und nicht das ganze Garn&#x017F;tu&#x0364;ck kann die Mutter,<lb/>
Um eines einz&#x2019;gen Fadens willen, fordern,<lb/>
Der, ihr geho&#x0364;rig, durch&#x2019;s Gewebe la&#x0364;uft.<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] Adam. Die Wahrheit euch zu ſagen, Herr Gerichtsrath, Ihr Vater war ein guter Freund von mir. Wollen Ew. Gnaden heute huldreich ſein, So thun wir hier nicht mehr, als unſre Pflicht, Und laſſen ſeine Tochter gehn. Walter. Ich ſpuͤre große Luſt in mir, Herr Richter, Der Sache voͤllig auf den Grund zu kommen. — Sei dreiſt, mein Kind; ſag, wer den Krug zerſchlagen. Vor niemand ſtehſt du, in dem Augenblick, Der einen Fehltritt nicht verzeihen koͤnnte. Eve. Mein lieber, wuͤrdiger und gnaͤd’ger Herr, Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzaͤhlen. Von dieſer Weig’rung denkt uneben nicht. Es iſt des Himmels wunderbare Fuͤgung, Die mir den Mund in dieſer Sache ſchließt. Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich Mit einem Eid, wenn ihr’s verlangt, Auf heiligem Altar bekraͤftigen. Jedoch die geſtrige Begebenheit, Mit jedem andern Zuge, iſt mein eigen, Und nicht das ganze Garnſtuͤck kann die Mutter, Um eines einz’gen Fadens willen, fordern, Der, ihr gehoͤrig, durch’s Gewebe laͤuft.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/98
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/98>, abgerufen am 22.12.2024.