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Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

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Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,
Geheimnisse, die nicht mein Eigenthum,
Müßt' ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.
Früh oder spät, will ich's ihr anvertrauen,
Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,
Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.
Adam.
Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht.
Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.
Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,
So fällt der Mutter Klage weg:
Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.
Walter.
Was sagt zu der Erklärung sie, Frau Marthe?
Frau Marthe.
Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring',
Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt' euch sehr,
Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.
Beispiele giebts, daß ein verlohrner Mensch,
Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,
Den Meineid vor dem Richterstuhle wagt; doch daß
Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem
Altar, um an den Pranger hinzukommen,
Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.
Wär', daß ein Andrer, als der Ruprecht sich
In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,
Ich kann hier, wer den Krug zerſchlug, nicht melden,
Geheimniſſe, die nicht mein Eigenthum,
Muͤßt’ ich, dem Kruge voͤllig fremd, beruͤhren.
Fruͤh oder ſpaͤt, will ich’s ihr anvertrauen,
Doch hier das Tribunal iſt nicht der Ort,
Wo ſie das Recht hat, mich darnach zu fragen.
Adam.
Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht.
Die Jungfer weiß, wo unſre Zaͤume haͤngen.
Wenn ſie den Eid hier vor Gericht will ſchwoͤren,
So faͤllt der Mutter Klage weg:
Dagegen iſt nichts weiter einzuwenden.
Walter.
Was ſagt zu der Erklaͤrung ſie, Frau Marthe?
Frau Marthe.
Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring’,
Geſtrenger Herr, ſo glaubt, ich bitt’ euch ſehr,
Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge laͤhmte.
Beiſpiele giebts, daß ein verlohrner Menſch,
Um vor der Welt zu Ehren ſich zu bringen,
Den Meineid vor dem Richterſtuhle wagt; doch daß
Ein falſcher Eid ſich ſchwoͤren kann, auf heil’gem
Altar, um an den Pranger hinzukommen,
Das heut erfaͤhrt die Welt zum erſtenmal.
Waͤr’, daß ein Andrer, als der Ruprecht ſich
In ihre Kammer geſtern ſchlich, gegruͤndet,
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[93/0099] Ich kann hier, wer den Krug zerſchlug, nicht melden, Geheimniſſe, die nicht mein Eigenthum, Muͤßt’ ich, dem Kruge voͤllig fremd, beruͤhren. Fruͤh oder ſpaͤt, will ich’s ihr anvertrauen, Doch hier das Tribunal iſt nicht der Ort, Wo ſie das Recht hat, mich darnach zu fragen. Adam. Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht. Die Jungfer weiß, wo unſre Zaͤume haͤngen. Wenn ſie den Eid hier vor Gericht will ſchwoͤren, So faͤllt der Mutter Klage weg: Dagegen iſt nichts weiter einzuwenden. Walter. Was ſagt zu der Erklaͤrung ſie, Frau Marthe? Frau Marthe. Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring’, Geſtrenger Herr, ſo glaubt, ich bitt’ euch ſehr, Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge laͤhmte. Beiſpiele giebts, daß ein verlohrner Menſch, Um vor der Welt zu Ehren ſich zu bringen, Den Meineid vor dem Richterſtuhle wagt; doch daß Ein falſcher Eid ſich ſchwoͤren kann, auf heil’gem Altar, um an den Pranger hinzukommen, Das heut erfaͤhrt die Welt zum erſtenmal. Waͤr’, daß ein Andrer, als der Ruprecht ſich In ihre Kammer geſtern ſchlich, gegruͤndet,

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/99>, abgerufen am 14.05.2024.