scharfes, nie im Morden innehaltendes Schwerdt, auf dem Zifferblatte umherfliegt, nimmer durchschneiden soll, und der nicht eher vergehen kann, als bis ihr eisernes Räderwerk selbst zertrümmert. Nimm die Sache von der leichten Seite; denn es ist doch spaßhaft und der Mühe werth, dieser großen Tragikomödie der Weltgeschichte bis zum lezten Akte als Zu- schauer beizuwohnen, und du kannst dir zulezt das ganz eigne Vergnügen machen, wenn du am Ende aller Dinge über der allgemeinen Sündfluth auf dem lezten hervorragenden Berggipfel als einzig Uebriggebliebener stehst, das ganze Stück, auf deine eigene Hand, aus- zupfeifen, und dich dann wild und zornig, ein zweiter Prometheus, in den Abgrund zu stürzen."
"Pfeifen will ich," sagte der Mann trozig, "hätte mich nur der Dichter nicht selbst mit ins Stück verflochten als handelnde Person; das verzeih ich ihm nimmer!"
ſcharfes, nie im Morden innehaltendes Schwerdt, auf dem Zifferblatte umherfliegt, nimmer durchſchneiden ſoll, und der nicht eher vergehen kann, als bis ihr eiſernes Raͤderwerk ſelbſt zertruͤmmert. Nimm die Sache von der leichten Seite; denn es iſt doch ſpaßhaft und der Muͤhe werth, dieſer großen Tragikomoͤdie der Weltgeſchichte bis zum lezten Akte als Zu- ſchauer beizuwohnen, und du kannſt dir zulezt das ganz eigne Vergnuͤgen machen, wenn du am Ende aller Dinge uͤber der allgemeinen Suͤndfluth auf dem lezten hervorragenden Berggipfel als einzig Uebriggebliebener ſtehſt, das ganze Stuͤck, auf deine eigene Hand, aus- zupfeifen, und dich dann wild und zornig, ein zweiter Prometheus, in den Abgrund zu ſtuͤrzen.“
„Pfeifen will ich,“ ſagte der Mann trozig, „haͤtte mich nur der Dichter nicht ſelbſt mit ins Stuͤck verflochten als handelnde Perſon; das verzeih ich ihm nimmer!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0062"n="60"/>ſcharfes, nie im Morden innehaltendes<lb/>
Schwerdt, auf dem Zifferblatte umherfliegt,<lb/>
nimmer durchſchneiden ſoll, und der nicht eher<lb/>
vergehen kann, als bis ihr eiſernes Raͤderwerk<lb/>ſelbſt zertruͤmmert. Nimm die Sache von der<lb/>
leichten Seite; denn es iſt doch ſpaßhaft und<lb/>
der Muͤhe werth, dieſer großen Tragikomoͤdie<lb/>
der Weltgeſchichte bis zum lezten Akte als Zu-<lb/>ſchauer beizuwohnen, und du kannſt dir zulezt<lb/>
das ganz eigne Vergnuͤgen machen, wenn du<lb/>
am Ende aller Dinge uͤber der allgemeinen<lb/>
Suͤndfluth auf dem lezten hervorragenden<lb/>
Berggipfel als einzig Uebriggebliebener ſtehſt,<lb/>
das ganze Stuͤck, auf deine eigene Hand, aus-<lb/>
zupfeifen, und dich dann wild und zornig, ein<lb/>
zweiter Prometheus, in den Abgrund zu<lb/>ſtuͤrzen.“</p><lb/><p>„Pfeifen will ich,“ſagte der Mann trozig,<lb/>„haͤtte mich nur der Dichter nicht ſelbſt mit<lb/>
ins Stuͤck verflochten als handelnde Perſon;<lb/>
das verzeih ich ihm nimmer!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[60/0062]
ſcharfes, nie im Morden innehaltendes
Schwerdt, auf dem Zifferblatte umherfliegt,
nimmer durchſchneiden ſoll, und der nicht eher
vergehen kann, als bis ihr eiſernes Raͤderwerk
ſelbſt zertruͤmmert. Nimm die Sache von der
leichten Seite; denn es iſt doch ſpaßhaft und
der Muͤhe werth, dieſer großen Tragikomoͤdie
der Weltgeſchichte bis zum lezten Akte als Zu-
ſchauer beizuwohnen, und du kannſt dir zulezt
das ganz eigne Vergnuͤgen machen, wenn du
am Ende aller Dinge uͤber der allgemeinen
Suͤndfluth auf dem lezten hervorragenden
Berggipfel als einzig Uebriggebliebener ſtehſt,
das ganze Stuͤck, auf deine eigene Hand, aus-
zupfeifen, und dich dann wild und zornig, ein
zweiter Prometheus, in den Abgrund zu
ſtuͤrzen.“
„Pfeifen will ich,“ ſagte der Mann trozig,
„haͤtte mich nur der Dichter nicht ſelbſt mit
ins Stuͤck verflochten als handelnde Perſon;
das verzeih ich ihm nimmer!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/62>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.