Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

mantel gegen Fausten hin zu schütten, sie
brachten im Gegentheil die Einladung zu
dem Schmauße bey dem Bürgermeister mit
einem so muntern Tone vor, als wenn gar
nichts geschehen wäre. Ein neuer Beweis
von ihrer Geschicklichkeit im Unterhandeln;
hätten sie zum Beyspiel den Schimpf beant-
wortet, so würden sie dadurch eingestanden
haben, sie verdienten ihn, da sie ihn aber
ganz platt auf die Erde fallen ließen, mir
nichts, dir nichts, so ward er kraftlos, und
erhielt die Farbe eines unbilligen Vorwurfs.
Nur Genies sind fähig, so etwas im gelten-
den Augenblick aufzufassen, zu unterscheiden
und auszuführen.

Bey dem Worte Bürgermeister, spitzte
Faust die Ohren, und der Teufel gab ihm
einen bedeutenden Seitenblick. Faust nahm
hierauf die Bibel aus seinem Kasten, über-
gab sie den Senatoren, und sagte gefällig:

"Da er nun sähe, daß sie zu leben wüß-
"ten, ob man sie gleich dazu zwingen müßte,
"so mache er der Stadt mit seiner Bibel ein

"Geschenk,

mantel gegen Fauſten hin zu ſchuͤtten, ſie
brachten im Gegentheil die Einladung zu
dem Schmauße bey dem Buͤrgermeiſter mit
einem ſo muntern Tone vor, als wenn gar
nichts geſchehen waͤre. Ein neuer Beweis
von ihrer Geſchicklichkeit im Unterhandeln;
haͤtten ſie zum Beyſpiel den Schimpf beant-
wortet, ſo wuͤrden ſie dadurch eingeſtanden
haben, ſie verdienten ihn, da ſie ihn aber
ganz platt auf die Erde fallen ließen, mir
nichts, dir nichts, ſo ward er kraftlos, und
erhielt die Farbe eines unbilligen Vorwurfs.
Nur Genies ſind faͤhig, ſo etwas im gelten-
den Augenblick aufzufaſſen, zu unterſcheiden
und auszufuͤhren.

Bey dem Worte Buͤrgermeiſter, ſpitzte
Fauſt die Ohren, und der Teufel gab ihm
einen bedeutenden Seitenblick. Fauſt nahm
hierauf die Bibel aus ſeinem Kaſten, uͤber-
gab ſie den Senatoren, und ſagte gefaͤllig:

„Da er nun ſaͤhe, daß ſie zu leben wuͤß-
„ten, ob man ſie gleich dazu zwingen muͤßte,
„ſo mache er der Stadt mit ſeiner Bibel ein

„Geſchenk,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="92"/>
mantel gegen Fau&#x017F;ten hin zu &#x017F;chu&#x0364;tten, &#x017F;ie<lb/>
brachten im Gegentheil die Einladung zu<lb/>
dem Schmauße bey dem Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter mit<lb/>
einem &#x017F;o muntern Tone vor, als wenn gar<lb/>
nichts ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re. Ein neuer Beweis<lb/>
von ihrer Ge&#x017F;chicklichkeit im Unterhandeln;<lb/>
ha&#x0364;tten &#x017F;ie zum Bey&#x017F;piel den Schimpf beant-<lb/>
wortet, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie dadurch einge&#x017F;tanden<lb/>
haben, &#x017F;ie verdienten ihn, da &#x017F;ie ihn aber<lb/>
ganz platt auf die Erde fallen ließen, mir<lb/>
nichts, dir nichts, &#x017F;o ward er kraftlos, und<lb/>
erhielt die Farbe eines unbilligen Vorwurfs.<lb/>
Nur Genies &#x017F;ind fa&#x0364;hig, &#x017F;o etwas im gelten-<lb/>
den Augenblick aufzufa&#x017F;&#x017F;en, zu unter&#x017F;cheiden<lb/>
und auszufu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Bey dem Worte <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter</hi>, &#x017F;pitzte<lb/>
Fau&#x017F;t die Ohren, und der Teufel gab ihm<lb/>
einen bedeutenden Seitenblick. Fau&#x017F;t nahm<lb/>
hierauf die Bibel aus &#x017F;einem Ka&#x017F;ten, u&#x0364;ber-<lb/>
gab &#x017F;ie den Senatoren, und &#x017F;agte gefa&#x0364;llig:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da er nun &#x017F;a&#x0364;he, daß &#x017F;ie zu leben wu&#x0364;ß-<lb/>
&#x201E;ten, ob man &#x017F;ie gleich dazu zwingen mu&#x0364;ßte,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o mache er der Stadt mit &#x017F;einer Bibel ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Ge&#x017F;chenk,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0103] mantel gegen Fauſten hin zu ſchuͤtten, ſie brachten im Gegentheil die Einladung zu dem Schmauße bey dem Buͤrgermeiſter mit einem ſo muntern Tone vor, als wenn gar nichts geſchehen waͤre. Ein neuer Beweis von ihrer Geſchicklichkeit im Unterhandeln; haͤtten ſie zum Beyſpiel den Schimpf beant- wortet, ſo wuͤrden ſie dadurch eingeſtanden haben, ſie verdienten ihn, da ſie ihn aber ganz platt auf die Erde fallen ließen, mir nichts, dir nichts, ſo ward er kraftlos, und erhielt die Farbe eines unbilligen Vorwurfs. Nur Genies ſind faͤhig, ſo etwas im gelten- den Augenblick aufzufaſſen, zu unterſcheiden und auszufuͤhren. Bey dem Worte Buͤrgermeiſter, ſpitzte Fauſt die Ohren, und der Teufel gab ihm einen bedeutenden Seitenblick. Fauſt nahm hierauf die Bibel aus ſeinem Kaſten, uͤber- gab ſie den Senatoren, und ſagte gefaͤllig: „Da er nun ſaͤhe, daß ſie zu leben wuͤß- „ten, ob man ſie gleich dazu zwingen muͤßte, „ſo mache er der Stadt mit ſeiner Bibel ein „Geſchenk,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/103
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/103>, abgerufen am 10.05.2024.