"Im Grund, kann ich wohlfeiler zum Edel- "mann kommen? Wird es nicht ein Nagel "am Sarge des Schöppen werden? Und "was werden die Bürger nicht sagen, wenn "sie sehen, daß seine Kaiserliche Majestät mich "so zu schätzen weiß? Werde ich mich nicht "der ganzen Regierung bemächtigen, und "es allen denen vergelten, die mich beleidigt "haben? Ho! ho! Bürgermeister, sey kein "Narr! die Gelegenheit hat nur an der "Stirne Haare, hinten ist sie kahl. Greife "zu! Der Mann ist nur das, was er in "den Augen der Welt scheint. Wer sieht es "dem Edelmann an, wie er's geworden ist -- "aber meine Frau, die wird sich dagegen setzen, "ich kenne schon die sächsische Ziererey" --
In diesem Augenblick trat sie herein, um zu erfahren, was der vornehme Herr ihm allein vertraut hätte. Er sah sie schalk- haft, doch etwas verlegen an:
"Wie, Mäuschen, wenn ich dich heute "noch zur Edelfrau machte?
Sie.
„Im Grund, kann ich wohlfeiler zum Edel- „mann kommen? Wird es nicht ein Nagel „am Sarge des Schoͤppen werden? Und „was werden die Buͤrger nicht ſagen, wenn „ſie ſehen, daß ſeine Kaiſerliche Majeſtaͤt mich „ſo zu ſchaͤtzen weiß? Werde ich mich nicht „der ganzen Regierung bemaͤchtigen, und „es allen denen vergelten, die mich beleidigt „haben? Ho! ho! Buͤrgermeiſter, ſey kein „Narr! die Gelegenheit hat nur an der „Stirne Haare, hinten iſt ſie kahl. Greife „zu! Der Mann iſt nur das, was er in „den Augen der Welt ſcheint. Wer ſieht es „dem Edelmann an, wie er’s geworden iſt — „aber meine Frau, die wird ſich dagegen ſetzen, „ich kenne ſchon die ſaͤchſiſche Ziererey“ —
In dieſem Augenblick trat ſie herein, um zu erfahren, was der vornehme Herr ihm allein vertraut haͤtte. Er ſah ſie ſchalk- haft, doch etwas verlegen an:
„Wie, Maͤuschen, wenn ich dich heute „noch zur Edelfrau machte?
Sie.
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„Im Grund, kann ich wohlfeiler zum Edel-
„mann kommen? Wird es nicht ein Nagel
„am Sarge des Schoͤppen werden? Und
„was werden die Buͤrger nicht ſagen, wenn
„ſie ſehen, daß ſeine Kaiſerliche Majeſtaͤt mich
„ſo zu ſchaͤtzen weiß? Werde ich mich nicht
„der ganzen Regierung bemaͤchtigen, und
„es allen denen vergelten, die mich beleidigt
„haben? Ho! ho! Buͤrgermeiſter, ſey kein
„Narr! die Gelegenheit hat nur an der
„Stirne Haare, hinten iſt ſie kahl. Greife
„zu! Der Mann iſt nur das, was er in
„den Augen der Welt ſcheint. Wer ſieht es
„dem Edelmann an, wie er’s geworden iſt —
„aber meine Frau, die wird ſich dagegen ſetzen,
„ich kenne ſchon die ſaͤchſiſche Ziererey“ —
In dieſem Augenblick trat ſie herein, um
zu erfahren, was der vornehme Herr ihm
allein vertraut haͤtte. Er ſah ſie ſchalk-
haft, doch etwas verlegen an:
„Wie, Maͤuschen, wenn ich dich heute
„noch zur Edelfrau machte?
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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