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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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10.

Dem Teufel war darum zu thun, eine
solche Seele dem Himmel zu stehlen, Faust's
Sündenmaß schneller zu füllen, und stund
in einem Augenblick unter der Gestalt eines
alten Mannes, mit einem Guckkasten vor
Faust, gab ihm einen Wink, und schlich
nach dem Markte. Hier schlug er seine
Bude auf, und rief den Pöbel zusammen,
seine schöne Raritäten zu schauen. Das
Volk drang hinzu, Mägde und Knechte,
Jungfrauen und Wittwen, Kinder und
Greise. Der Teufel gaukelte ihnen allerley
Histörchen vor, die er mit frommen Erläu-
terungen und moralischen Sprüchen beglei-
tete. Jedermann trat vergnügt von dem
Gukkasten zurück, und reizte die Zuschauer
mit Erzählung der gesehnen Wunder. Die
englische Angelika sah aus dem Fenster, und
da sie den Teufel mit einem so frommen
Tone die Vorspieglung seiner Histörchen ab-
leyern hörte, fühlte sie eine unwiderstehli-
che Versuchung, die Wunder des Kastens

zu
10.

Dem Teufel war darum zu thun, eine
ſolche Seele dem Himmel zu ſtehlen, Fauſt’s
Suͤndenmaß ſchneller zu fuͤllen, und ſtund
in einem Augenblick unter der Geſtalt eines
alten Mannes, mit einem Guckkaſten vor
Fauſt, gab ihm einen Wink, und ſchlich
nach dem Markte. Hier ſchlug er ſeine
Bude auf, und rief den Poͤbel zuſammen,
ſeine ſchoͤne Raritaͤten zu ſchauen. Das
Volk drang hinzu, Maͤgde und Knechte,
Jungfrauen und Wittwen, Kinder und
Greiſe. Der Teufel gaukelte ihnen allerley
Hiſtoͤrchen vor, die er mit frommen Erlaͤu-
terungen und moraliſchen Spruͤchen beglei-
tete. Jedermann trat vergnuͤgt von dem
Gukkaſten zuruͤck, und reizte die Zuſchauer
mit Erzaͤhlung der geſehnen Wunder. Die
engliſche Angelika ſah aus dem Fenſter, und
da ſie den Teufel mit einem ſo frommen
Tone die Vorſpieglung ſeiner Hiſtoͤrchen ab-
leyern hoͤrte, fuͤhlte ſie eine unwiderſtehli-
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[224/0235] 10. Dem Teufel war darum zu thun, eine ſolche Seele dem Himmel zu ſtehlen, Fauſt’s Suͤndenmaß ſchneller zu fuͤllen, und ſtund in einem Augenblick unter der Geſtalt eines alten Mannes, mit einem Guckkaſten vor Fauſt, gab ihm einen Wink, und ſchlich nach dem Markte. Hier ſchlug er ſeine Bude auf, und rief den Poͤbel zuſammen, ſeine ſchoͤne Raritaͤten zu ſchauen. Das Volk drang hinzu, Maͤgde und Knechte, Jungfrauen und Wittwen, Kinder und Greiſe. Der Teufel gaukelte ihnen allerley Hiſtoͤrchen vor, die er mit frommen Erlaͤu- terungen und moraliſchen Spruͤchen beglei- tete. Jedermann trat vergnuͤgt von dem Gukkaſten zuruͤck, und reizte die Zuſchauer mit Erzaͤhlung der geſehnen Wunder. Die engliſche Angelika ſah aus dem Fenſter, und da ſie den Teufel mit einem ſo frommen Tone die Vorſpieglung ſeiner Hiſtoͤrchen ab- leyern hoͤrte, fuͤhlte ſie eine unwiderſtehli- che Verſuchung, die Wunder des Kaſtens zu

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/235>, abgerufen am 21.11.2024.