eisernen Kasten, in welchem viele Säcke mit Geld lagen, die dieser mit zärtlichen Augen ansah, und hierauf in einen leeren, das Gold Stück für Stück zählte, das er Fau- sten abgewonnen hatte. Vorher aber be- sah er jedes Stück, wog es in der Hand, küßte es, rechnete zusammen, überzählte mit vielem Genuß den ganzen Schatz, seufz- te am Ende beklommen über das was ihm noch mangelte, die Zahl rund zu machen. Der Teufel lispelte Fausten in's Ohr:
"Um das Fehlende verkauft er dir die Tochter."
Faust wollte es nicht glauben, dieses ver- droß den Teufel, und er sagte ungeduldig:
"Nun, wenn ich dir zeigte, daß das "Gold eine so unwiderstehliche Macht über "das Herz des Menschen hat, daß in die- "sem Augenblick einige Väter und Mütter "aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge- "hölze, mit einigen Abgesandten des Königs "in Unterhandlung sind, ihnen ihre Säug- "linge zu verkaufen, ob sie gleich wissen,
"daß
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eiſernen Kaſten, in welchem viele Saͤcke mit Geld lagen, die dieſer mit zaͤrtlichen Augen anſah, und hierauf in einen leeren, das Gold Stuͤck fuͤr Stuͤck zaͤhlte, das er Fau- ſten abgewonnen hatte. Vorher aber be- ſah er jedes Stuͤck, wog es in der Hand, kuͤßte es, rechnete zuſammen, uͤberzaͤhlte mit vielem Genuß den ganzen Schatz, ſeufz- te am Ende beklommen uͤber das was ihm noch mangelte, die Zahl rund zu machen. Der Teufel liſpelte Fauſten in’s Ohr:
„Um das Fehlende verkauft er dir die Tochter.“
Fauſt wollte es nicht glauben, dieſes ver- droß den Teufel, und er ſagte ungeduldig:
„Nun, wenn ich dir zeigte, daß das „Gold eine ſo unwiderſtehliche Macht uͤber „das Herz des Menſchen hat, daß in die- „ſem Augenblick einige Vaͤter und Muͤtter „aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge- „hoͤlze, mit einigen Abgeſandten des Koͤnigs „in Unterhandlung ſind, ihnen ihre Saͤug- „linge zu verkaufen, ob ſie gleich wiſſen,
„daß
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eiſernen Kaſten, in welchem viele Saͤcke mit
Geld lagen, die dieſer mit zaͤrtlichen Augen
anſah, und hierauf in einen leeren, das
Gold Stuͤck fuͤr Stuͤck zaͤhlte, das er Fau-
ſten abgewonnen hatte. Vorher aber be-
ſah er jedes Stuͤck, wog es in der Hand,
kuͤßte es, rechnete zuſammen, uͤberzaͤhlte
mit vielem Genuß den ganzen Schatz, ſeufz-
te am Ende beklommen uͤber das was ihm
noch mangelte, die Zahl rund zu machen.
Der Teufel liſpelte Fauſten in’s Ohr:
„Um das Fehlende verkauft er dir die
Tochter.“
Fauſt wollte es nicht glauben, dieſes ver-
droß den Teufel, und er ſagte ungeduldig:
„Nun, wenn ich dir zeigte, daß das
„Gold eine ſo unwiderſtehliche Macht uͤber
„das Herz des Menſchen hat, daß in die-
„ſem Augenblick einige Vaͤter und Muͤtter
„aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge-
„hoͤlze, mit einigen Abgeſandten des Koͤnigs
„in Unterhandlung ſind, ihnen ihre Saͤug-
„linge zu verkaufen, ob ſie gleich wiſſen,
„daß
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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