Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

eisernen Kasten, in welchem viele Säcke mit
Geld lagen, die dieser mit zärtlichen Augen
ansah, und hierauf in einen leeren, das
Gold Stück für Stück zählte, das er Fau-
sten abgewonnen hatte. Vorher aber be-
sah er jedes Stück, wog es in der Hand,
küßte es, rechnete zusammen, überzählte
mit vielem Genuß den ganzen Schatz, seufz-
te am Ende beklommen über das was ihm
noch mangelte, die Zahl rund zu machen.
Der Teufel lispelte Fausten in's Ohr:

"Um das Fehlende verkauft er dir die
Tochter."

Faust wollte es nicht glauben, dieses ver-
droß den Teufel, und er sagte ungeduldig:

"Nun, wenn ich dir zeigte, daß das
"Gold eine so unwiderstehliche Macht über
"das Herz des Menschen hat, daß in die-
"sem Augenblick einige Väter und Mütter
"aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge-
"hölze, mit einigen Abgesandten des Königs
"in Unterhandlung sind, ihnen ihre Säug-
"linge zu verkaufen, ob sie gleich wissen,

"daß
R 4

eiſernen Kaſten, in welchem viele Saͤcke mit
Geld lagen, die dieſer mit zaͤrtlichen Augen
anſah, und hierauf in einen leeren, das
Gold Stuͤck fuͤr Stuͤck zaͤhlte, das er Fau-
ſten abgewonnen hatte. Vorher aber be-
ſah er jedes Stuͤck, wog es in der Hand,
kuͤßte es, rechnete zuſammen, uͤberzaͤhlte
mit vielem Genuß den ganzen Schatz, ſeufz-
te am Ende beklommen uͤber das was ihm
noch mangelte, die Zahl rund zu machen.
Der Teufel liſpelte Fauſten in’s Ohr:

„Um das Fehlende verkauft er dir die
Tochter.“

Fauſt wollte es nicht glauben, dieſes ver-
droß den Teufel, und er ſagte ungeduldig:

„Nun, wenn ich dir zeigte, daß das
„Gold eine ſo unwiderſtehliche Macht uͤber
„das Herz des Menſchen hat, daß in die-
„ſem Augenblick einige Vaͤter und Muͤtter
„aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge-
„hoͤlze, mit einigen Abgeſandten des Koͤnigs
„in Unterhandlung ſind, ihnen ihre Saͤug-
„linge zu verkaufen, ob ſie gleich wiſſen,

„daß
R 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0274" n="263"/>
ei&#x017F;ernen Ka&#x017F;ten, in welchem viele Sa&#x0364;cke mit<lb/>
Geld lagen, die die&#x017F;er mit za&#x0364;rtlichen Augen<lb/>
an&#x017F;ah, und hierauf in einen leeren, das<lb/>
Gold Stu&#x0364;ck fu&#x0364;r Stu&#x0364;ck za&#x0364;hlte, das er Fau-<lb/>
&#x017F;ten abgewonnen hatte. Vorher aber be-<lb/>
&#x017F;ah er jedes Stu&#x0364;ck, wog es in der Hand,<lb/>
ku&#x0364;ßte es, rechnete zu&#x017F;ammen, u&#x0364;berza&#x0364;hlte<lb/>
mit vielem Genuß den ganzen Schatz, &#x017F;eufz-<lb/>
te am Ende beklommen u&#x0364;ber das was ihm<lb/>
noch mangelte, die Zahl rund zu machen.<lb/>
Der Teufel li&#x017F;pelte Fau&#x017F;ten in&#x2019;s Ohr:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Um das Fehlende verkauft er dir die<lb/>
Tochter.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Fau&#x017F;t wollte es nicht glauben, die&#x017F;es ver-<lb/>
droß den Teufel, und er &#x017F;agte ungeduldig:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun, wenn ich dir zeigte, daß das<lb/>
&#x201E;Gold eine &#x017F;o unwider&#x017F;tehliche Macht u&#x0364;ber<lb/>
&#x201E;das Herz des Men&#x017F;chen hat, daß in die-<lb/>
&#x201E;&#x017F;em Augenblick einige Va&#x0364;ter und Mu&#x0364;tter<lb/>
&#x201E;aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge-<lb/>
&#x201E;ho&#x0364;lze, mit einigen Abge&#x017F;andten des Ko&#x0364;nigs<lb/>
&#x201E;in Unterhandlung &#x017F;ind, ihnen ihre Sa&#x0364;ug-<lb/>
&#x201E;linge zu verkaufen, ob &#x017F;ie gleich wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0274] eiſernen Kaſten, in welchem viele Saͤcke mit Geld lagen, die dieſer mit zaͤrtlichen Augen anſah, und hierauf in einen leeren, das Gold Stuͤck fuͤr Stuͤck zaͤhlte, das er Fau- ſten abgewonnen hatte. Vorher aber be- ſah er jedes Stuͤck, wog es in der Hand, kuͤßte es, rechnete zuſammen, uͤberzaͤhlte mit vielem Genuß den ganzen Schatz, ſeufz- te am Ende beklommen uͤber das was ihm noch mangelte, die Zahl rund zu machen. Der Teufel liſpelte Fauſten in’s Ohr: „Um das Fehlende verkauft er dir die Tochter.“ Fauſt wollte es nicht glauben, dieſes ver- droß den Teufel, und er ſagte ungeduldig: „Nun, wenn ich dir zeigte, daß das „Gold eine ſo unwiderſtehliche Macht uͤber „das Herz des Menſchen hat, daß in die- „ſem Augenblick einige Vaͤter und Muͤtter „aus der Stadt, in dem ganz nahen Ge- „hoͤlze, mit einigen Abgeſandten des Koͤnigs „in Unterhandlung ſind, ihnen ihre Saͤug- „linge zu verkaufen, ob ſie gleich wiſſen, „daß R 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/274
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/274>, abgerufen am 22.11.2024.