Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Der Vater schlich indessen mit dem Gold-
sack und einer Lampe, heimlich nach seinem,
jedermann unbekannten Gewölbe. Das
Herz klopfte ihm vor Freude, einen Sack zu
füllen, und endlich die Summe seines Scha-
tzes zu runden. Aus Furcht belauscht zu
werden, und im Taumel der Freude, schlug
er die Thüre hinter sich hastig zu, ohne den
Schlüssel abgezogen, und zu sich gesteckt zu
haben. Die Lampe verlosch durch den hef-
tigen Schlag, und er sah sich auf einmal
mit seinem Golde auf dem Arme, in dik-
ker Finsterniß. Die Luft im Gewölbe war
schwer und dumpfigt, und drückte bald auf
seine Brust. Nun ward er erst gewahr,
daß er den Schlüssel außen gelassen hatte,
und Todesangst schoß kalt durch sein Herz.
Noch hatte er Kraft und Instinkt genug,
seinen Kasten zu finden, er legte das Gold
hinein, kroch tappend zu der Thüre zurück,
und überlegte ob er klopfen oder schreyen
sollte. Es entstund ein peinlicher Kampf
in seiner Seele, er war in Gefahr, sein Ge-

heimniß

Der Vater ſchlich indeſſen mit dem Gold-
ſack und einer Lampe, heimlich nach ſeinem,
jedermann unbekannten Gewoͤlbe. Das
Herz klopfte ihm vor Freude, einen Sack zu
fuͤllen, und endlich die Summe ſeines Scha-
tzes zu runden. Aus Furcht belauſcht zu
werden, und im Taumel der Freude, ſchlug
er die Thuͤre hinter ſich haſtig zu, ohne den
Schluͤſſel abgezogen, und zu ſich geſteckt zu
haben. Die Lampe verloſch durch den hef-
tigen Schlag, und er ſah ſich auf einmal
mit ſeinem Golde auf dem Arme, in dik-
ker Finſterniß. Die Luft im Gewoͤlbe war
ſchwer und dumpfigt, und druͤckte bald auf
ſeine Bruſt. Nun ward er erſt gewahr,
daß er den Schluͤſſel außen gelaſſen hatte,
und Todesangſt ſchoß kalt durch ſein Herz.
Noch hatte er Kraft und Inſtinkt genug,
ſeinen Kaſten zu finden, er legte das Gold
hinein, kroch tappend zu der Thuͤre zuruͤck,
und uͤberlegte ob er klopfen oder ſchreyen
ſollte. Es entſtund ein peinlicher Kampf
in ſeiner Seele, er war in Gefahr, ſein Ge-

heimniß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0279" n="268"/>
          <p>Der Vater &#x017F;chlich inde&#x017F;&#x017F;en mit dem Gold-<lb/>
&#x017F;ack und einer Lampe, heimlich nach &#x017F;einem,<lb/>
jedermann unbekannten Gewo&#x0364;lbe. Das<lb/>
Herz klopfte ihm vor Freude, einen Sack zu<lb/>
fu&#x0364;llen, und endlich die Summe &#x017F;eines Scha-<lb/>
tzes zu runden. Aus Furcht belau&#x017F;cht zu<lb/>
werden, und im Taumel der Freude, &#x017F;chlug<lb/>
er die Thu&#x0364;re hinter &#x017F;ich ha&#x017F;tig zu, ohne den<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el abgezogen, und zu &#x017F;ich ge&#x017F;teckt zu<lb/>
haben. Die Lampe verlo&#x017F;ch durch den hef-<lb/>
tigen Schlag, und er &#x017F;ah &#x017F;ich auf einmal<lb/>
mit &#x017F;einem Golde auf dem Arme, in dik-<lb/>
ker Fin&#x017F;terniß. Die Luft im Gewo&#x0364;lbe war<lb/>
&#x017F;chwer und dumpfigt, und dru&#x0364;ckte bald auf<lb/>
&#x017F;eine Bru&#x017F;t. Nun ward er er&#x017F;t gewahr,<lb/>
daß er den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el außen gela&#x017F;&#x017F;en hatte,<lb/>
und Todesang&#x017F;t &#x017F;choß kalt durch &#x017F;ein Herz.<lb/>
Noch hatte er Kraft und In&#x017F;tinkt genug,<lb/>
&#x017F;einen Ka&#x017F;ten zu finden, er legte das Gold<lb/>
hinein, kroch tappend zu der Thu&#x0364;re zuru&#x0364;ck,<lb/>
und u&#x0364;berlegte ob er klopfen oder &#x017F;chreyen<lb/>
&#x017F;ollte. Es ent&#x017F;tund ein peinlicher Kampf<lb/>
in &#x017F;einer Seele, er war in Gefahr, &#x017F;ein Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heimniß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0279] Der Vater ſchlich indeſſen mit dem Gold- ſack und einer Lampe, heimlich nach ſeinem, jedermann unbekannten Gewoͤlbe. Das Herz klopfte ihm vor Freude, einen Sack zu fuͤllen, und endlich die Summe ſeines Scha- tzes zu runden. Aus Furcht belauſcht zu werden, und im Taumel der Freude, ſchlug er die Thuͤre hinter ſich haſtig zu, ohne den Schluͤſſel abgezogen, und zu ſich geſteckt zu haben. Die Lampe verloſch durch den hef- tigen Schlag, und er ſah ſich auf einmal mit ſeinem Golde auf dem Arme, in dik- ker Finſterniß. Die Luft im Gewoͤlbe war ſchwer und dumpfigt, und druͤckte bald auf ſeine Bruſt. Nun ward er erſt gewahr, daß er den Schluͤſſel außen gelaſſen hatte, und Todesangſt ſchoß kalt durch ſein Herz. Noch hatte er Kraft und Inſtinkt genug, ſeinen Kaſten zu finden, er legte das Gold hinein, kroch tappend zu der Thuͤre zuruͤck, und uͤberlegte ob er klopfen oder ſchreyen ſollte. Es entſtund ein peinlicher Kampf in ſeiner Seele, er war in Gefahr, ſein Ge- heimniß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/279
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/279>, abgerufen am 22.11.2024.