Phalaris antwortete: wackrer Perillus, es ist billig, daß der Künstler sein Werk selber probe! Hierauf mußte der Künstler in den Ochsen kriechen, es ward Feuer darunter gelegt, er brüllte wie ein Ochs, und so spielte vor tausend Jahren Phalaris die Ge- schichte, die der Allerchristlichste König mit auch, Ehrwürdiger Bischof von Verdün, nur wiederholt hat.
Bischof. O hätt' ich doch dieses Beyspiel früher gewußt, es sollte mir zur Warnung gedient haben.
Faust. Da seht ihr, Ehrwürden, daß zu Zeiten die Geschichte auch einem Bischof nu- tzen kann. Laßt euch die Zeit nicht lang werden; über das Schicksal dieser Unglück- lichen weint man, und über das eure lacht man.
7.
Faust wollte nun diesen König sehen, des- sen scheußliche Thaten seine Einbildungs- kraft so erhitzt hatten, daß er sich ihn kaum
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Phalaris antwortete: wackrer Perillus, es iſt billig, daß der Kuͤnſtler ſein Werk ſelber probe! Hierauf mußte der Kuͤnſtler in den Ochſen kriechen, es ward Feuer darunter gelegt, er bruͤllte wie ein Ochs, und ſo ſpielte vor tauſend Jahren Phalaris die Ge- ſchichte, die der Allerchriſtlichſte Koͤnig mit auch, Ehrwuͤrdiger Biſchof von Verduͤn, nur wiederholt hat.
Biſchof. O haͤtt’ ich doch dieſes Beyſpiel fruͤher gewußt, es ſollte mir zur Warnung gedient haben.
Fauſt. Da ſeht ihr, Ehrwuͤrden, daß zu Zeiten die Geſchichte auch einem Biſchof nu- tzen kann. Laßt euch die Zeit nicht lang werden; uͤber das Schickſal dieſer Ungluͤck- lichen weint man, und uͤber das eure lacht man.
7.
Fauſt wollte nun dieſen Koͤnig ſehen, deſ- ſen ſcheußliche Thaten ſeine Einbildungs- kraft ſo erhitzt hatten, daß er ſich ihn kaum
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Phalaris antwortete: wackrer Perillus, es
iſt billig, daß der Kuͤnſtler ſein Werk ſelber
probe! Hierauf mußte der Kuͤnſtler in den
Ochſen kriechen, es ward Feuer darunter
gelegt, er bruͤllte wie ein Ochs, und ſo
ſpielte vor tauſend Jahren Phalaris die Ge-
ſchichte, die der Allerchriſtlichſte Koͤnig mit
auch, Ehrwuͤrdiger Biſchof von Verduͤn, nur
wiederholt hat.
Biſchof. O haͤtt’ ich doch dieſes Beyſpiel
fruͤher gewußt, es ſollte mir zur Warnung
gedient haben.
Fauſt. Da ſeht ihr, Ehrwuͤrden, daß zu
Zeiten die Geſchichte auch einem Biſchof nu-
tzen kann. Laßt euch die Zeit nicht lang
werden; uͤber das Schickſal dieſer Ungluͤck-
lichen weint man, und uͤber das eure lacht
man.
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Fauſt wollte nun dieſen Koͤnig ſehen, deſ-
ſen ſcheußliche Thaten ſeine Einbildungs-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/292>, abgerufen am 22.11.2024.
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