Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

her, und sieht ihn jede Sekunde scheußli-
cher. Komm, ich will dich zum Zeugen sei-
nes Jammers machen.

Der Teufel führte seinen Vorschlag aus,
und sie stunden beyde als Trabanten im In-
neren des Schlosses, wo die Stille des Gra-
bes wohnte, und die schaudervollen Schre-
cken des Todes herumschwebten. Hierher
hatte sich der verbannt, vor dem Millionen
bebten, um der Rache der Verwandten der
Ermordeten, der Furcht vor seinem Sohn,
in dem er den Rächer seines Vaters zu se-
hen glaubte, auszuweichen. Dem Auge
seiner Unterthanen konnte er in dieser peinli-
chen Gefangenschaft entfliehen; aber ihm folg-
te die Quaal seines Herzens; das Leiden seines
Körpers, umsonst ermüdete er den Himmel mit
Flehen um Gesundheit und Ruhe, vergebens
suchte er ihn mit Geschenken an Heilige, Prie-
ster und Kirchen zu bestechen, umsonst behieng
er seinen siechen, kraftlosen Körper mit Reliqui-
en, aus allen Theilen der Erde, der Gedanke:
du mußt sterben! nagte gleich einer

gifti-

her, und ſieht ihn jede Sekunde ſcheußli-
cher. Komm, ich will dich zum Zeugen ſei-
nes Jammers machen.

Der Teufel fuͤhrte ſeinen Vorſchlag aus,
und ſie ſtunden beyde als Trabanten im In-
neren des Schloſſes, wo die Stille des Gra-
bes wohnte, und die ſchaudervollen Schre-
cken des Todes herumſchwebten. Hierher
hatte ſich der verbannt, vor dem Millionen
bebten, um der Rache der Verwandten der
Ermordeten, der Furcht vor ſeinem Sohn,
in dem er den Raͤcher ſeines Vaters zu ſe-
hen glaubte, auszuweichen. Dem Auge
ſeiner Unterthanen konnte er in dieſer peinli-
chen Gefangenſchaft entfliehen; aber ihm folg-
te die Quaal ſeines Herzens; das Leiden ſeines
Koͤrpers, umſonſt ermuͤdete er den Himmel mit
Flehen um Geſundheit und Ruhe, vergebens
ſuchte er ihn mit Geſchenken an Heilige, Prie-
ſter und Kirchen zu beſtechen, umſonſt behieng
er ſeinen ſiechen, kraftloſen Koͤrper mit Reliqui-
en, aus allen Theilen der Erde, der Gedanke:
du mußt ſterben! nagte gleich einer

gifti-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="283"/>
her, und &#x017F;ieht ihn jede Sekunde &#x017F;cheußli-<lb/>
cher. Komm, ich will dich zum Zeugen &#x017F;ei-<lb/>
nes Jammers machen.</p><lb/>
          <p>Der Teufel fu&#x0364;hrte &#x017F;einen Vor&#x017F;chlag aus,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;tunden beyde als Trabanten im In-<lb/>
neren des Schlo&#x017F;&#x017F;es, wo die Stille des Gra-<lb/>
bes wohnte, und die &#x017F;chaudervollen Schre-<lb/>
cken des Todes herum&#x017F;chwebten. Hierher<lb/>
hatte &#x017F;ich der verbannt, vor dem Millionen<lb/>
bebten, um der Rache der Verwandten der<lb/>
Ermordeten, der Furcht vor &#x017F;einem Sohn,<lb/>
in dem er den Ra&#x0364;cher &#x017F;eines Vaters zu &#x017F;e-<lb/>
hen glaubte, auszuweichen. Dem Auge<lb/>
&#x017F;einer Unterthanen konnte er in die&#x017F;er peinli-<lb/>
chen Gefangen&#x017F;chaft entfliehen; aber ihm folg-<lb/>
te die Quaal &#x017F;eines Herzens; das Leiden &#x017F;eines<lb/>
Ko&#x0364;rpers, um&#x017F;on&#x017F;t ermu&#x0364;dete er den Himmel mit<lb/>
Flehen um Ge&#x017F;undheit und Ruhe, vergebens<lb/>
&#x017F;uchte er ihn mit Ge&#x017F;chenken an Heilige, Prie-<lb/>
&#x017F;ter und Kirchen zu be&#x017F;techen, um&#x017F;on&#x017F;t behieng<lb/>
er &#x017F;einen &#x017F;iechen, kraftlo&#x017F;en Ko&#x0364;rper mit Reliqui-<lb/>
en, aus allen Theilen der Erde, der Gedanke:<lb/><hi rendition="#g">du mußt &#x017F;terben</hi>! nagte gleich einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gifti-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0294] her, und ſieht ihn jede Sekunde ſcheußli- cher. Komm, ich will dich zum Zeugen ſei- nes Jammers machen. Der Teufel fuͤhrte ſeinen Vorſchlag aus, und ſie ſtunden beyde als Trabanten im In- neren des Schloſſes, wo die Stille des Gra- bes wohnte, und die ſchaudervollen Schre- cken des Todes herumſchwebten. Hierher hatte ſich der verbannt, vor dem Millionen bebten, um der Rache der Verwandten der Ermordeten, der Furcht vor ſeinem Sohn, in dem er den Raͤcher ſeines Vaters zu ſe- hen glaubte, auszuweichen. Dem Auge ſeiner Unterthanen konnte er in dieſer peinli- chen Gefangenſchaft entfliehen; aber ihm folg- te die Quaal ſeines Herzens; das Leiden ſeines Koͤrpers, umſonſt ermuͤdete er den Himmel mit Flehen um Geſundheit und Ruhe, vergebens ſuchte er ihn mit Geſchenken an Heilige, Prie- ſter und Kirchen zu beſtechen, umſonſt behieng er ſeinen ſiechen, kraftloſen Koͤrper mit Reliqui- en, aus allen Theilen der Erde, der Gedanke: du mußt ſterben! nagte gleich einer gifti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/294
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/294>, abgerufen am 22.11.2024.