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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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keine Reuterey nahen kann, es zu überfal-
len. An den innern Mauern hängen Ket-
ten, an welche große und schwere Kugeln
geschmiedet sind, um seine gepeinigte Die-
ner zu fesseln, wenn sie etwas verabsäumen.
Rund um das Schloß sind Galgen aufge-
richtet, und sein einziger wahrer Freund,
der Henker Tristan, geht forschend umher,
Opfer auszuspähen, um die Angst des Ty-
rannen durch ihre Hinrichtung zu mindern,
denn in jedem Verurtheilten sieht er einen
Feind seines Lebens weniger. Zu Zeiten
schleicht er hinter die Scheidewand neben
der Folterkammer, um die Bekenntnisse der
Verdächtigen zu belauschen, ergözt sich an
ihren Quaalen, und findet Trost für die sei-
nigen darinnen. Bedeckt mit Reliquien, an
seinem Huth ein bleiernes Bild der Mutter
Gottes, seiner vermeinten Beschützerin, trinkt
er das Blut der ermordeten Säuglinge, läßt
sich von seinem Arzt martern, dem er mo-
natlich zehn tausend Thaler bezahlt, be-
stürmt den Himmel mit unabläßigem Ge-

beth,

keine Reuterey nahen kann, es zu uͤberfal-
len. An den innern Mauern haͤngen Ket-
ten, an welche große und ſchwere Kugeln
geſchmiedet ſind, um ſeine gepeinigte Die-
ner zu feſſeln, wenn ſie etwas verabſaͤumen.
Rund um das Schloß ſind Galgen aufge-
richtet, und ſein einziger wahrer Freund,
der Henker Triſtan, geht forſchend umher,
Opfer auszuſpaͤhen, um die Angſt des Ty-
rannen durch ihre Hinrichtung zu mindern,
denn in jedem Verurtheilten ſieht er einen
Feind ſeines Lebens weniger. Zu Zeiten
ſchleicht er hinter die Scheidewand neben
der Folterkammer, um die Bekenntniſſe der
Verdaͤchtigen zu belauſchen, ergoͤzt ſich an
ihren Quaalen, und findet Troſt fuͤr die ſei-
nigen darinnen. Bedeckt mit Reliquien, an
ſeinem Huth ein bleiernes Bild der Mutter
Gottes, ſeiner vermeinten Beſchuͤtzerin, trinkt
er das Blut der ermordeten Saͤuglinge, laͤßt
ſich von ſeinem Arzt martern, dem er mo-
natlich zehn tauſend Thaler bezahlt, be-
ſtuͤrmt den Himmel mit unablaͤßigem Ge-

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[285/0296] keine Reuterey nahen kann, es zu uͤberfal- len. An den innern Mauern haͤngen Ket- ten, an welche große und ſchwere Kugeln geſchmiedet ſind, um ſeine gepeinigte Die- ner zu feſſeln, wenn ſie etwas verabſaͤumen. Rund um das Schloß ſind Galgen aufge- richtet, und ſein einziger wahrer Freund, der Henker Triſtan, geht forſchend umher, Opfer auszuſpaͤhen, um die Angſt des Ty- rannen durch ihre Hinrichtung zu mindern, denn in jedem Verurtheilten ſieht er einen Feind ſeines Lebens weniger. Zu Zeiten ſchleicht er hinter die Scheidewand neben der Folterkammer, um die Bekenntniſſe der Verdaͤchtigen zu belauſchen, ergoͤzt ſich an ihren Quaalen, und findet Troſt fuͤr die ſei- nigen darinnen. Bedeckt mit Reliquien, an ſeinem Huth ein bleiernes Bild der Mutter Gottes, ſeiner vermeinten Beſchuͤtzerin, trinkt er das Blut der ermordeten Saͤuglinge, laͤßt ſich von ſeinem Arzt martern, dem er mo- natlich zehn tauſend Thaler bezahlt, be- ſtuͤrmt den Himmel mit unablaͤßigem Ge- beth,

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/296>, abgerufen am 22.11.2024.