und sich mit Hoffnung der Zukunft tröstet. Stolz bist du die Hütte des Armen und Be- scheidnen vorüber gegangen, der die Namen eurer erkünstelten Laster nicht kennt, im Schweiß seines Angesichts sein Brod er- wirbt, es mit Weib und Kindern treulich theilt, und sich in der lezten Stunde des Lebens freut, sein mühsames Tagwerk ge- endet zu haben. Hättest du da angeklopft, so würdest du freylich euer schaales Ideal von heroischer, überfeiner Tugend, die eine Tochter eurer Laster und eures Stolzes ist, nicht gefunden haben; aber den Menschen in stiller Bescheidenheit, großmüthiger Ent- sagung, *) der unbemerkt mehr Kraft der Seele und Tugend ausübt, als eure im blutigen Felde, und im trugvollen Kabinete, berühmte Helden. Ohne leztere, Faust, ohne eure Pfaffen und Philosophen, wür- den sich bald die Thore der Hölle zuschlie- ßen. Kannst du sagen, daß du den Men- schen kennest, da du ihn nur auf dem Tum-
mel-
*) Resignation.
und ſich mit Hoffnung der Zukunft troͤſtet. Stolz biſt du die Huͤtte des Armen und Be- ſcheidnen voruͤber gegangen, der die Namen eurer erkuͤnſtelten Laſter nicht kennt, im Schweiß ſeines Angeſichts ſein Brod er- wirbt, es mit Weib und Kindern treulich theilt, und ſich in der lezten Stunde des Lebens freut, ſein muͤhſames Tagwerk ge- endet zu haben. Haͤtteſt du da angeklopft, ſo wuͤrdeſt du freylich euer ſchaales Ideal von heroiſcher, uͤberfeiner Tugend, die eine Tochter eurer Laſter und eures Stolzes iſt, nicht gefunden haben; aber den Menſchen in ſtiller Beſcheidenheit, großmuͤthiger Ent- ſagung, *) der unbemerkt mehr Kraft der Seele und Tugend ausuͤbt, als eure im blutigen Felde, und im trugvollen Kabinete, beruͤhmte Helden. Ohne leztere, Fauſt, ohne eure Pfaffen und Philoſophen, wuͤr- den ſich bald die Thore der Hoͤlle zuſchlie- ßen. Kannſt du ſagen, daß du den Men- ſchen kenneſt, da du ihn nur auf dem Tum-
mel-
*) Reſignation.
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und ſich mit Hoffnung der Zukunft troͤſtet.
Stolz biſt du die Huͤtte des Armen und Be-
ſcheidnen voruͤber gegangen, der die Namen
eurer erkuͤnſtelten Laſter nicht kennt, im
Schweiß ſeines Angeſichts ſein Brod er-
wirbt, es mit Weib und Kindern treulich
theilt, und ſich in der lezten Stunde des
Lebens freut, ſein muͤhſames Tagwerk ge-
endet zu haben. Haͤtteſt du da angeklopft,
ſo wuͤrdeſt du freylich euer ſchaales Ideal
von heroiſcher, uͤberfeiner Tugend, die eine
Tochter eurer Laſter und eures Stolzes iſt,
nicht gefunden haben; aber den Menſchen
in ſtiller Beſcheidenheit, großmuͤthiger Ent-
ſagung, *) der unbemerkt mehr Kraft der
Seele und Tugend ausuͤbt, als eure im
blutigen Felde, und im trugvollen Kabinete,
beruͤhmte Helden. Ohne leztere, Fauſt,
ohne eure Pfaffen und Philoſophen, wuͤr-
den ſich bald die Thore der Hoͤlle zuſchlie-
ßen. Kannſt du ſagen, daß du den Men-
ſchen kenneſt, da du ihn nur auf dem Tum-
mel-
*) Reſignation.
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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