bischof ihr Freund und Beschützer, und sie mußte nach ihrer Niederkunft, mit ihrem Kinde, als ein Gegenstand des Abscheus, im peinlichen Kerker, den verzweifelnden Hun- gertod sterben. In der Wuth fiel sie über den Neugebohrnen her, sättigte sich an dei- nem und ihrem Blute, und verlängerte ihre scheußliche Marter, so lange der unnatürli- che Fraß dauerte. Was hatte sie verbro- chen, sie die ihr Verbrechen nicht begriff, den Urheber ihrer Schande, und ihres schrecklichen Todes, weder kannte noch ahn- dete? Fühle nun die Folgen einer einzigen Sekunde der Wollust, und bebe! Hast du nicht den Wahnsinn bekräftigt, der sie ver- dammte? Mußte die Hölle nicht den Vor- wurf deines Frevels tragen? Sie ermor- deten deine Brut, als die Brut des Satans, und du hast durch diese That die Begriffe dieses Volks auf Jahrhunderte verwildert? Stöhne nur, ich ziehe der Schrecken mehr herauf.
Es
biſchof ihr Freund und Beſchuͤtzer, und ſie mußte nach ihrer Niederkunft, mit ihrem Kinde, als ein Gegenſtand des Abſcheus, im peinlichen Kerker, den verzweifelnden Hun- gertod ſterben. In der Wuth fiel ſie uͤber den Neugebohrnen her, ſaͤttigte ſich an dei- nem und ihrem Blute, und verlaͤngerte ihre ſcheußliche Marter, ſo lange der unnatuͤrli- che Fraß dauerte. Was hatte ſie verbro- chen, ſie die ihr Verbrechen nicht begriff, den Urheber ihrer Schande, und ihres ſchrecklichen Todes, weder kannte noch ahn- dete? Fuͤhle nun die Folgen einer einzigen Sekunde der Wolluſt, und bebe! Haſt du nicht den Wahnſinn bekraͤftigt, der ſie ver- dammte? Mußte die Hoͤlle nicht den Vor- wurf deines Frevels tragen? Sie ermor- deten deine Brut, als die Brut des Satans, und du haſt durch dieſe That die Begriffe dieſes Volks auf Jahrhunderte verwildert? Stoͤhne nur, ich ziehe der Schrecken mehr herauf.
Es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0393"n="382"/>
biſchof ihr Freund und Beſchuͤtzer, und ſie<lb/>
mußte nach ihrer Niederkunft, mit ihrem<lb/>
Kinde, als ein Gegenſtand des Abſcheus, im<lb/>
peinlichen Kerker, den verzweifelnden Hun-<lb/>
gertod ſterben. In der Wuth fiel ſie uͤber<lb/>
den Neugebohrnen her, ſaͤttigte ſich an dei-<lb/>
nem und ihrem Blute, und verlaͤngerte ihre<lb/>ſcheußliche Marter, ſo lange der unnatuͤrli-<lb/>
che Fraß dauerte. Was hatte ſie verbro-<lb/>
chen, ſie die ihr Verbrechen nicht begriff,<lb/>
den Urheber ihrer Schande, und ihres<lb/>ſchrecklichen Todes, weder kannte noch ahn-<lb/>
dete? Fuͤhle nun die Folgen einer einzigen<lb/>
Sekunde der Wolluſt, und bebe! Haſt du<lb/>
nicht den Wahnſinn bekraͤftigt, der ſie ver-<lb/>
dammte? Mußte die Hoͤlle nicht den Vor-<lb/>
wurf deines Frevels tragen? Sie ermor-<lb/>
deten deine Brut, als die Brut des Satans,<lb/>
und du haſt durch dieſe That die Begriffe<lb/>
dieſes Volks auf Jahrhunderte verwildert?<lb/>
Stoͤhne nur, ich ziehe der Schrecken mehr<lb/>
herauf.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[382/0393]
biſchof ihr Freund und Beſchuͤtzer, und ſie
mußte nach ihrer Niederkunft, mit ihrem
Kinde, als ein Gegenſtand des Abſcheus, im
peinlichen Kerker, den verzweifelnden Hun-
gertod ſterben. In der Wuth fiel ſie uͤber
den Neugebohrnen her, ſaͤttigte ſich an dei-
nem und ihrem Blute, und verlaͤngerte ihre
ſcheußliche Marter, ſo lange der unnatuͤrli-
che Fraß dauerte. Was hatte ſie verbro-
chen, ſie die ihr Verbrechen nicht begriff,
den Urheber ihrer Schande, und ihres
ſchrecklichen Todes, weder kannte noch ahn-
dete? Fuͤhle nun die Folgen einer einzigen
Sekunde der Wolluſt, und bebe! Haſt du
nicht den Wahnſinn bekraͤftigt, der ſie ver-
dammte? Mußte die Hoͤlle nicht den Vor-
wurf deines Frevels tragen? Sie ermor-
deten deine Brut, als die Brut des Satans,
und du haſt durch dieſe That die Begriffe
dieſes Volks auf Jahrhunderte verwildert?
Stoͤhne nur, ich ziehe der Schrecken mehr
herauf.
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/393>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.