viel gekostet haben kann? Um es zu einer edlen Handlung zu machen, hättest du dich in das Wasser werfen, und den jungen Mann auf Gefahr deines Lebens retten müs- sen. Darauf deutete ich, als ich dir sagte: vermuthlich kannst du nicht schwimmen. Ich warf ihn an das Ufer, und verschwand. Dich selbst würde er erkannt haben, und von Dankbarkeit gerührt, hätte der Zerstöh- rer deiner Familie, ihr Beschützer und Ver- theidiger werden können.
Faust. Quälen kannst du mich, Teufel, aber die Zweifel des Menschen kannst du aus Stumpfheit nicht lösen, oder willst es aus Bosheit nicht thun. Nie drangen sie gifti- ger in mein Herz, als in dieser Stunde, da ich den Jammer meines Lebens, meiner Zu- kunft überblicke. Ist das menschliche Leben etwas anders, als ein Gewebe von Pein, Laster, Quaal, Heucheley, Widersprüchen und schielender Tugend? Was ist Frey- heit, Wahl, Wille, der gerühmte Sinn,
Böses
viel gekoſtet haben kann? Um es zu einer edlen Handlung zu machen, haͤtteſt du dich in das Waſſer werfen, und den jungen Mann auf Gefahr deines Lebens retten muͤſ- ſen. Darauf deutete ich, als ich dir ſagte: vermuthlich kannſt du nicht ſchwimmen. Ich warf ihn an das Ufer, und verſchwand. Dich ſelbſt wuͤrde er erkannt haben, und von Dankbarkeit geruͤhrt, haͤtte der Zerſtoͤh- rer deiner Familie, ihr Beſchuͤtzer und Ver- theidiger werden koͤnnen.
Fauſt. Quaͤlen kannſt du mich, Teufel, aber die Zweifel des Menſchen kannſt du aus Stumpfheit nicht loͤſen, oder willſt es aus Bosheit nicht thun. Nie drangen ſie gifti- ger in mein Herz, als in dieſer Stunde, da ich den Jammer meines Lebens, meiner Zu- kunft uͤberblicke. Iſt das menſchliche Leben etwas anders, als ein Gewebe von Pein, Laſter, Quaal, Heucheley, Widerſpruͤchen und ſchielender Tugend? Was iſt Frey- heit, Wahl, Wille, der geruͤhmte Sinn,
Boͤſes
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viel gekoſtet haben kann? Um es zu einer
edlen Handlung zu machen, haͤtteſt du dich
in das Waſſer werfen, und den jungen
Mann auf Gefahr deines Lebens retten muͤſ-
ſen. Darauf deutete ich, als ich dir ſagte:
vermuthlich kannſt du nicht ſchwimmen.
Ich warf ihn an das Ufer, und verſchwand.
Dich ſelbſt wuͤrde er erkannt haben, und
von Dankbarkeit geruͤhrt, haͤtte der Zerſtoͤh-
rer deiner Familie, ihr Beſchuͤtzer und Ver-
theidiger werden koͤnnen.
Fauſt. Quaͤlen kannſt du mich, Teufel,
aber die Zweifel des Menſchen kannſt du aus
Stumpfheit nicht loͤſen, oder willſt es aus
Bosheit nicht thun. Nie drangen ſie gifti-
ger in mein Herz, als in dieſer Stunde, da
ich den Jammer meines Lebens, meiner Zu-
kunft uͤberblicke. Iſt das menſchliche Leben
etwas anders, als ein Gewebe von Pein,
Laſter, Quaal, Heucheley, Widerſpruͤchen
und ſchielender Tugend? Was iſt Frey-
heit, Wahl, Wille, der geruͤhmte Sinn,
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/408>, abgerufen am 24.11.2024.
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