"Staat zu gewinnen. Man müßte hierinn "den klugen Senat von Venedig zum Vor- "bilde nehmen, der keine Gelegenheit verab- "säumte, denen am meisten Freundschaft "und Ehre zu bezeugen, die er zu betrügen ge- "sonnen sey."
Die untergeordneten Geister des Raths versicherten, der Schöppe habe wie der Do- ge von Venedig selbst gesprochen; aber der Bürgermeister, der ein heimlicher Feind des Schöppen war, (denn dieser, weil er die de- mocratische Regierungsform als ein wah- rer Patrizier eben so sehr haßte, wie ein Fürst die Republiken, pflegte bey jedem widrigen Vorfall laut zu sagen: so geht es, wenn man Krämer zu Staatsleuten macht) warf ihm schnell eine Tonne hin:
"Wahr, rühmlich und treflich, wohl- "weise Herren, scheint mir alles, was unser "staatskluger Schöppe, so eben vorgebracht "hat, würde auch eben so gewiß zum Zweck "führen, als im Vorbeygehen gesagt, der "Handel einen Staat blühender und reicher
"macht,
„Staat zu gewinnen. Man muͤßte hierinn „den klugen Senat von Venedig zum Vor- „bilde nehmen, der keine Gelegenheit verab- „ſaͤumte, denen am meiſten Freundſchaft „und Ehre zu bezeugen, die er zu betruͤgen ge- „ſonnen ſey.“
Die untergeordneten Geiſter des Raths verſicherten, der Schoͤppe habe wie der Do- ge von Venedig ſelbſt geſprochen; aber der Buͤrgermeiſter, der ein heimlicher Feind des Schoͤppen war, (denn dieſer, weil er die de- mocratiſche Regierungsform als ein wah- rer Patrizier eben ſo ſehr haßte, wie ein Fuͤrſt die Republiken, pflegte bey jedem widrigen Vorfall laut zu ſagen: ſo geht es, wenn man Kraͤmer zu Staatsleuten macht) warf ihm ſchnell eine Tonne hin:
„Wahr, ruͤhmlich und treflich, wohl- „weiſe Herren, ſcheint mir alles, was unſer „ſtaatskluger Schoͤppe, ſo eben vorgebracht „hat, wuͤrde auch eben ſo gewiß zum Zweck „fuͤhren, als im Vorbeygehen geſagt, der „Handel einen Staat bluͤhender und reicher
„macht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="84"/>„Staat zu gewinnen. Man muͤßte hierinn<lb/>„den klugen Senat von Venedig zum Vor-<lb/>„bilde nehmen, der keine Gelegenheit verab-<lb/>„ſaͤumte, denen am meiſten Freundſchaft<lb/>„und Ehre zu bezeugen, die er zu betruͤgen ge-<lb/>„ſonnen ſey.“</p><lb/><p>Die untergeordneten Geiſter des Raths<lb/>
verſicherten, der Schoͤppe habe wie der Do-<lb/>
ge von Venedig ſelbſt geſprochen; aber der<lb/>
Buͤrgermeiſter, der ein heimlicher Feind des<lb/>
Schoͤppen war, (denn dieſer, weil er die de-<lb/>
mocratiſche Regierungsform als ein wah-<lb/>
rer Patrizier eben ſo ſehr haßte, wie ein<lb/>
Fuͤrſt die Republiken, pflegte bey jedem<lb/>
widrigen Vorfall laut zu ſagen: ſo geht es,<lb/>
wenn man Kraͤmer zu Staatsleuten macht)<lb/>
warf ihm ſchnell eine Tonne hin:</p><lb/><p>„Wahr, ruͤhmlich und treflich, wohl-<lb/>„weiſe Herren, ſcheint mir alles, was unſer<lb/>„ſtaatskluger Schoͤppe, ſo eben vorgebracht<lb/>„hat, wuͤrde auch eben ſo gewiß zum Zweck<lb/>„fuͤhren, als im Vorbeygehen geſagt, der<lb/>„Handel einen Staat bluͤhender und reicher<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„macht,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0095]
„Staat zu gewinnen. Man muͤßte hierinn
„den klugen Senat von Venedig zum Vor-
„bilde nehmen, der keine Gelegenheit verab-
„ſaͤumte, denen am meiſten Freundſchaft
„und Ehre zu bezeugen, die er zu betruͤgen ge-
„ſonnen ſey.“
Die untergeordneten Geiſter des Raths
verſicherten, der Schoͤppe habe wie der Do-
ge von Venedig ſelbſt geſprochen; aber der
Buͤrgermeiſter, der ein heimlicher Feind des
Schoͤppen war, (denn dieſer, weil er die de-
mocratiſche Regierungsform als ein wah-
rer Patrizier eben ſo ſehr haßte, wie ein
Fuͤrſt die Republiken, pflegte bey jedem
widrigen Vorfall laut zu ſagen: ſo geht es,
wenn man Kraͤmer zu Staatsleuten macht)
warf ihm ſchnell eine Tonne hin:
„Wahr, ruͤhmlich und treflich, wohl-
„weiſe Herren, ſcheint mir alles, was unſer
„ſtaatskluger Schoͤppe, ſo eben vorgebracht
„hat, wuͤrde auch eben ſo gewiß zum Zweck
„fuͤhren, als im Vorbeygehen geſagt, der
„Handel einen Staat bluͤhender und reicher
„macht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/95>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.