"macht, wie ein fauler, stolzer Adel, wenn "wir nur nicht alles durch einen einzigen "Umstand verdorben hätten. Ich rühme "mich nun freylich nicht des tiefen politi- "schen Blicks des Schöppen, der jeden "Sturm von weitem ausspäht; aber doch "hätt ich diesen, es sey nun aus Zufall oder "Ueberlegung, glücklich beschworen. Ihr "werdet euch alle erinnern, daß ich euch bey "jeder Rathssitzung zusetzte, diesen Faust "nicht so schnöde zu behandeln, und ihm "seine lateinische Bibel für die kleine Sum- "me abzunehmen. Ja sogar meine Frau "die doch nur ein Weib ist, wie es andre "Weiber sind, hielt es für rathsam; denn "ob wir gleich diese lateinische Bibel weder "brauchen noch verstehen, so hätte man sie "doch, wegen der schöngemahlten Anfangs- "buchstaben, und der sonderbaren Erfin- "dung, als ein Kleinod, nach der goldnen "Bulle zeigen, und die Fremden damit her- "beylocken können. Auch ziemte es sich, "daß ein freyer und reicher Staat die Künste
"beschützt,
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„macht, wie ein fauler, ſtolzer Adel, wenn „wir nur nicht alles durch einen einzigen „Umſtand verdorben haͤtten. Ich ruͤhme „mich nun freylich nicht des tiefen politi- „ſchen Blicks des Schoͤppen, der jeden „Sturm von weitem ausſpaͤht; aber doch „haͤtt ich dieſen, es ſey nun aus Zufall oder „Ueberlegung, gluͤcklich beſchworen. Ihr „werdet euch alle erinnern, daß ich euch bey „jeder Rathsſitzung zuſetzte, dieſen Fauſt „nicht ſo ſchnoͤde zu behandeln, und ihm „ſeine lateiniſche Bibel fuͤr die kleine Sum- „me abzunehmen. Ja ſogar meine Frau „die doch nur ein Weib iſt, wie es andre „Weiber ſind, hielt es fuͤr rathſam; denn „ob wir gleich dieſe lateiniſche Bibel weder „brauchen noch verſtehen, ſo haͤtte man ſie „doch, wegen der ſchoͤngemahlten Anfangs- „buchſtaben, und der ſonderbaren Erfin- „dung, als ein Kleinod, nach der goldnen „Bulle zeigen, und die Fremden damit her- „beylocken koͤnnen. Auch ziemte es ſich, „daß ein freyer und reicher Staat die Kuͤnſte
„beſchuͤtzt,
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„macht, wie ein fauler, ſtolzer Adel, wenn
„wir nur nicht alles durch einen einzigen
„Umſtand verdorben haͤtten. Ich ruͤhme
„mich nun freylich nicht des tiefen politi-
„ſchen Blicks des Schoͤppen, der jeden
„Sturm von weitem ausſpaͤht; aber doch
„haͤtt ich dieſen, es ſey nun aus Zufall oder
„Ueberlegung, gluͤcklich beſchworen. Ihr
„werdet euch alle erinnern, daß ich euch bey
„jeder Rathsſitzung zuſetzte, dieſen Fauſt
„nicht ſo ſchnoͤde zu behandeln, und ihm
„ſeine lateiniſche Bibel fuͤr die kleine Sum-
„me abzunehmen. Ja ſogar meine Frau
„die doch nur ein Weib iſt, wie es andre
„Weiber ſind, hielt es fuͤr rathſam; denn
„ob wir gleich dieſe lateiniſche Bibel weder
„brauchen noch verſtehen, ſo haͤtte man ſie
„doch, wegen der ſchoͤngemahlten Anfangs-
„buchſtaben, und der ſonderbaren Erfin-
„dung, als ein Kleinod, nach der goldnen
„Bulle zeigen, und die Fremden damit her-
„beylocken koͤnnen. Auch ziemte es ſich,
„daß ein freyer und reicher Staat die Kuͤnſte
„beſchuͤtzt,
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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