Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
rück; und wenn ich sie mit meinen Fingerspitzen
berühre, fliehen doch alle Krankheiten, und ich
steh da, als wär' ich zur Unsterblichkeit gebohren.
-- Wie, meine Kamilla?
Kamilla. Jhre Krankheit ist von einer Art
-- ich will Jhren Bruder rufen.
Guelfo. Jst er eifersüchtig? Jst ers? und
ich will ihm -- Nu meintwegen! rufen Sie Jh-
ren Ferdinando! Vernichtet habt ihr mich doch
alle! -- Was willst Du, Guelfo? --
(schlägt
sich vor die Stirne)
Jst er nicht da? Jst der
Bräutigam noch nicht da?
Kamilla. Sein Sie gut, Ritter! sein Sie
sanft! Sie begegnen Jhrem Bruder hart. Er
weinte bitterlich, da Sie seine Hand wegstießen,
und fiel schluchzend dem alten Guelfo in die Arme.
Guelfo. Das kann er, weinen kann er!
Und er weint sich damit sehr viel. Seine Thrä-
nen -- ha! wenn ich meine Thränen so verkau-
fen könnte, wenn ich sie so verkaufen möchte --
Also, er weinte, und da? --
Kamilla. Jch bitte Sie um Gottes willen,
sein Sie anders! Jch muß den Augenblick weg,
wenn Sie nicht Mann sind.
Guelfo. Ha! was ruft? Was wallt in die-
sen zarten Adern auf? Was schreit diese Stim-
me,
ruͤck; und wenn ich ſie mit meinen Fingerſpitzen
beruͤhre, fliehen doch alle Krankheiten, und ich
ſteh da, als waͤr’ ich zur Unſterblichkeit gebohren.
— Wie, meine Kamilla?
Kamilla. Jhre Krankheit iſt von einer Art
— ich will Jhren Bruder rufen.
Guelfo. Jſt er eiferſuͤchtig? Jſt ers? und
ich will ihm — Nu meintwegen! rufen Sie Jh-
ren Ferdinando! Vernichtet habt ihr mich doch
alle! — Was willſt Du, Guelfo? —
(ſchlaͤgt
ſich vor die Stirne)
Jſt er nicht da? Jſt der
Braͤutigam noch nicht da?
Kamilla. Sein Sie gut, Ritter! ſein Sie
ſanft! Sie begegnen Jhrem Bruder hart. Er
weinte bitterlich, da Sie ſeine Hand wegſtießen,
und fiel ſchluchzend dem alten Guelfo in die Arme.
Guelfo. Das kann er, weinen kann er!
Und er weint ſich damit ſehr viel. Seine Thraͤ-
nen — ha! wenn ich meine Thraͤnen ſo verkau-
fen koͤnnte, wenn ich ſie ſo verkaufen moͤchte —
Alſo, er weinte, und da? —
Kamilla. Jch bitte Sie um Gottes willen,
ſein Sie anders! Jch muß den Augenblick weg,
wenn Sie nicht Mann ſind.
Guelfo. Ha! was ruft? Was wallt in die-
ſen zarten Adern auf? Was ſchreit dieſe Stim-
me,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp>
              <p><pb facs="#f0066" n="60"/>
ru&#x0364;ck; und wenn ich &#x017F;ie mit meinen Finger&#x017F;pitzen<lb/>
beru&#x0364;hre, fliehen doch alle Krankheiten, und ich<lb/>
&#x017F;teh da, als wa&#x0364;r&#x2019; ich zur Un&#x017F;terblichkeit gebohren.<lb/>
&#x2014; Wie, meine Kamilla?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Kamilla.</hi> </speaker>
              <p>Jhre Krankheit i&#x017F;t von einer Art<lb/>
&#x2014; ich will Jhren Bruder rufen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>J&#x017F;t er eifer&#x017F;u&#x0364;chtig? J&#x017F;t ers? und<lb/>
ich will ihm &#x2014; Nu meintwegen! rufen Sie Jh-<lb/>
ren Ferdinando! Vernichtet habt ihr mich doch<lb/>
alle! &#x2014; Was will&#x017F;t Du, Guelfo? &#x2014;</p>
              <stage>(&#x017F;chla&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ich vor die Stirne)</stage>
              <p>J&#x017F;t er nicht da? J&#x017F;t der<lb/>
Bra&#x0364;utigam noch nicht da?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Kamilla.</hi> </speaker>
              <p>Sein Sie gut, Ritter! &#x017F;ein Sie<lb/>
&#x017F;anft! Sie begegnen Jhrem Bruder hart. Er<lb/>
weinte bitterlich, da Sie &#x017F;eine Hand weg&#x017F;tießen,<lb/>
und fiel &#x017F;chluchzend dem alten Guelfo in die Arme.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Das kann er, weinen kann er!<lb/>
Und er weint &#x017F;ich damit &#x017F;ehr viel. Seine Thra&#x0364;-<lb/>
nen &#x2014; ha! wenn ich meine Thra&#x0364;nen &#x017F;o verkau-<lb/>
fen ko&#x0364;nnte, wenn ich &#x017F;ie &#x017F;o verkaufen mo&#x0364;chte &#x2014;<lb/>
Al&#x017F;o, er weinte, und da? &#x2014;</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Kamilla.</hi> </speaker>
              <p>Jch bitte Sie um Gottes willen,<lb/>
&#x017F;ein Sie anders! Jch muß den Augenblick weg,<lb/>
wenn Sie nicht Mann &#x017F;ind.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Ha! was ruft? Was wallt in die-<lb/>
&#x017F;en zarten Adern auf? Was &#x017F;chreit die&#x017F;e Stim-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">me,</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0066] ruͤck; und wenn ich ſie mit meinen Fingerſpitzen beruͤhre, fliehen doch alle Krankheiten, und ich ſteh da, als waͤr’ ich zur Unſterblichkeit gebohren. — Wie, meine Kamilla? Kamilla. Jhre Krankheit iſt von einer Art — ich will Jhren Bruder rufen. Guelfo. Jſt er eiferſuͤchtig? Jſt ers? und ich will ihm — Nu meintwegen! rufen Sie Jh- ren Ferdinando! Vernichtet habt ihr mich doch alle! — Was willſt Du, Guelfo? — (ſchlaͤgt ſich vor die Stirne) Jſt er nicht da? Jſt der Braͤutigam noch nicht da? Kamilla. Sein Sie gut, Ritter! ſein Sie ſanft! Sie begegnen Jhrem Bruder hart. Er weinte bitterlich, da Sie ſeine Hand wegſtießen, und fiel ſchluchzend dem alten Guelfo in die Arme. Guelfo. Das kann er, weinen kann er! Und er weint ſich damit ſehr viel. Seine Thraͤ- nen — ha! wenn ich meine Thraͤnen ſo verkau- fen koͤnnte, wenn ich ſie ſo verkaufen moͤchte — Alſo, er weinte, und da? — Kamilla. Jch bitte Sie um Gottes willen, ſein Sie anders! Jch muß den Augenblick weg, wenn Sie nicht Mann ſind. Guelfo. Ha! was ruft? Was wallt in die- ſen zarten Adern auf? Was ſchreit dieſe Stim- me,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/66
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/66>, abgerufen am 15.05.2024.