Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Erstes Buch. die andern zwey in einander hetzen möge. Alleinwieder auff unsere Erzehlung zu kommen/ so ward dieser Triumph bald wieder in ein Trauren ver- kehret/ denn es war Chaumigrem dem Könige dermassen aus Hertze gewachsen/ daß er vermein- te/ unsinnig zu werden/ als er aus vorerwehntem Briefe seinen Abzug vernommen. Und dieses wir- ckete eine solche Raserey in ihm/ daß er alsobald meinem Printzen andeuten ließ/ er solte Hof und Reich ein gantzes Jahr lang meiden/ die Prin- ceßin aber solte sich gleiche Zeit des väterlichen Angesichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs- Räthe/ wie auch der gantze Hof hefftig hierwider waren/ ja es sich gar zu einem Auffruhr schicken wolte/ so drang doch Königliche Gewalt durch/ und dieser harte Befehl ward dem Königl. Ge- schwister hinterbracht. Worauff mein Printz gantz bestürtzt antwortete: Wie? Jst denn so gar alle Liebe und Gnade in dem väterlichen Her- tzen des Königes erloschen/ daß er auch die Wol- fahrt seiner Kinder hindan setzen/ und sich durch deren Verlust einen ungewissen Feind versöhnen wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater/ welch Tyger jagt seine Jungen von sich/ oder welcher Drache verläst seine Frucht? Und mein Vater wil mich als einigen Erben seiner Crone/ ja/ als seyn erstes Pfand der Liebe/ ohne einige Ursache in fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet überal ihr Vaterland/ und mein Vater ist viel zu schwach/ ob er gleich ein mächtiger König ist/ das Ab- J 2
Erſtes Buch. die andern zwey in einander hetzen moͤge. Alleinwieder auff unſere Erzehlung zu kommen/ ſo ward dieſer Triumph bald wieder in ein Trauren ver- kehret/ denn es war Chaumigrem dem Koͤnige dermaſſen aus Hertze gewachſen/ daß er vermein- te/ unſinnig zu werden/ als er aus vorerwehntem Briefe ſeinen Abzug vernommen. Und dieſes wir- ckete eine ſolche Raſerey in ihm/ daß er alſobald meinem Printzen andeuten ließ/ er ſolte Hof und Reich ein gantzes Jahr lang meiden/ die Prin- ceßin aber ſolte ſich gleiche Zeit des vaͤterlichen Angeſichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs- Raͤthe/ wie auch der gantze Hof hefftig hierwider waren/ ja es ſich gar zu einem Auffruhr ſchicken wolte/ ſo drang doch Koͤnigliche Gewalt durch/ und dieſer harte Befehl ward dem Koͤnigl. Ge- ſchwiſter hinterbracht. Worauff mein Printz gantz beſtuͤrtzt antwortete: Wie? Jſt denn ſo gar alle Liebe und Gnade in dem vaͤterlichen Her- tzen des Koͤniges erloſchen/ daß er auch die Wol- fahrt ſeiner Kinder hindan ſetzen/ und ſich durch deren Verluſt einen ungewiſſen Feind verſoͤhnen wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater/ welch Tyger jagt ſeine Jungen von ſich/ oder welcher Drache verlaͤſt ſeine Frucht? Und mein Vater wil mich als einigen Erben ſeiner Crone/ ja/ als ſeyn erſtes Pfand der Liebe/ ohne einige Urſache in fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet uͤberal ihr Vaterland/ und mein Vater iſt viel zu ſchwach/ ob er gleich ein maͤchtiger Koͤnig iſt/ das Ab- J 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="131"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi></fw><lb/> die andern zwey in einander hetzen moͤge. Allein<lb/> wieder auff unſere Erzehlung zu kommen/ ſo ward<lb/> dieſer Triumph bald wieder in ein Trauren ver-<lb/> kehret/ denn es war Chaumigrem dem Koͤnige<lb/> dermaſſen aus Hertze gewachſen/ daß er vermein-<lb/> te/ unſinnig zu werden/ als er aus vorerwehntem<lb/> Briefe ſeinen Abzug vernommen. Und dieſes wir-<lb/> ckete eine ſolche Raſerey in ihm/ daß er alſobald<lb/> meinem Printzen andeuten ließ/ er ſolte Hof und<lb/> Reich ein gantzes Jahr lang meiden/ die Prin-<lb/> ceßin aber ſolte ſich gleiche Zeit des vaͤterlichen<lb/> Angeſichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs-<lb/> Raͤthe/ wie auch der gantze Hof hefftig hierwider<lb/> waren/ ja es ſich gar zu einem Auffruhr ſchicken<lb/> wolte/ ſo drang doch Koͤnigliche Gewalt durch/<lb/> und dieſer harte Befehl ward dem Koͤnigl. Ge-<lb/> ſchwiſter hinterbracht. Worauff mein Printz<lb/> gantz beſtuͤrtzt antwortete: Wie? Jſt denn ſo<lb/> gar alle Liebe und Gnade in dem vaͤterlichen Her-<lb/> tzen des Koͤniges erloſchen/ daß er auch die Wol-<lb/> fahrt ſeiner Kinder hindan ſetzen/ und ſich durch<lb/> deren Verluſt einen ungewiſſen Feind verſoͤhnen<lb/> wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater/ welch<lb/> Tyger jagt ſeine Jungen von ſich/ oder welcher<lb/> Drache verlaͤſt ſeine Frucht? Und mein Vater<lb/> wil mich als einigen Erben ſeiner Crone/ ja/ als<lb/> ſeyn erſtes Pfand der Liebe/ ohne einige Urſache in<lb/> fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet<lb/> uͤberal ihr Vaterland/ und mein Vater iſt viel zu<lb/> ſchwach/ ob er gleich ein maͤchtiger Koͤnig iſt/ das<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Ab-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0151]
Erſtes Buch.
die andern zwey in einander hetzen moͤge. Allein
wieder auff unſere Erzehlung zu kommen/ ſo ward
dieſer Triumph bald wieder in ein Trauren ver-
kehret/ denn es war Chaumigrem dem Koͤnige
dermaſſen aus Hertze gewachſen/ daß er vermein-
te/ unſinnig zu werden/ als er aus vorerwehntem
Briefe ſeinen Abzug vernommen. Und dieſes wir-
ckete eine ſolche Raſerey in ihm/ daß er alſobald
meinem Printzen andeuten ließ/ er ſolte Hof und
Reich ein gantzes Jahr lang meiden/ die Prin-
ceßin aber ſolte ſich gleiche Zeit des vaͤterlichen
Angeſichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichs-
Raͤthe/ wie auch der gantze Hof hefftig hierwider
waren/ ja es ſich gar zu einem Auffruhr ſchicken
wolte/ ſo drang doch Koͤnigliche Gewalt durch/
und dieſer harte Befehl ward dem Koͤnigl. Ge-
ſchwiſter hinterbracht. Worauff mein Printz
gantz beſtuͤrtzt antwortete: Wie? Jſt denn ſo
gar alle Liebe und Gnade in dem vaͤterlichen Her-
tzen des Koͤniges erloſchen/ daß er auch die Wol-
fahrt ſeiner Kinder hindan ſetzen/ und ſich durch
deren Verluſt einen ungewiſſen Feind verſoͤhnen
wil. Ha Tyranne! verhaßter Vater/ welch
Tyger jagt ſeine Jungen von ſich/ oder welcher
Drache verlaͤſt ſeine Frucht? Und mein Vater
wil mich als einigen Erben ſeiner Crone/ ja/ als
ſeyn erſtes Pfand der Liebe/ ohne einige Urſache in
fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet
uͤberal ihr Vaterland/ und mein Vater iſt viel zu
ſchwach/ ob er gleich ein maͤchtiger Koͤnig iſt/ das
Ab-
J 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeZum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |