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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
die Zeit uns des Scheidens erinnert/ als werde ich
das übrige/ doch mit dero Erlaubniß/ bis morgen
versparen/ da ich noch seltzamere und verwirrtere
Zufälle erzehlen will.

Abaxar danckte höfflich vor so geneigte Müh-
waltung/ und bezeigete sonderbahre Vergnügung
über dieser Erzehlung/ dannenhero er versprach/
morgendes Tages/ wo es anders seine Verrich-
tungen zuliessen/ wieder zu erscheinen/ und mit ho-
hem Verlangen das übrige anzuhören. Nach
genommenem Abschiede ließ sich der Printz noch-
maln verbinden/ genoß ein wenig Speise/ und
legte sich vollend zur Ruhe. Tages darauff/ als
Talemon seiner Gewohnheit nach bey aufgehen-
der Sonne seinen Garten besuchen/ und vor sei-
nes hohen Gastes Wohlfahrt sorgen wolte/ ver-
nahm er ein hartes Wort-Gespräch zweyer Wei-
bes Personen/ dannenhero er dem Schall folgete/
und seine Frau und Pflege-Tochter folgender
Gestalt reden hörte: Was? sagte Hassana/ soll
man sich in seinem eignen Hause von den frem-
den Lumpen-Hunden verachten lassen? du siehest
es ja vor Augen/ wie verächtlich er dich hält/ und
wie wenig mein Vorsprechen bey ihm gilt. Frau
Mutter/ erwiederte Lorangy/ die Liebe ist wie ein
Tyger/ welcher sich eher durch Glimpff/ als mit
gewaltsamen Fesseln bändigen läst. Sie wird
mit gelinden Säfften am ersten eingflösset. Die
Zeit wird und kan alles ändern. Ein Pfahl wird
nicht auff einen Stoß in die Erde gebracht/ also

wird

Der Aſiatiſchen Baniſe.
die Zeit uns des Scheidens erinnert/ als werde ich
das uͤbrige/ doch mit dero Erlaubniß/ bis morgen
verſparen/ da ich noch ſeltzamere und verwirrtere
Zufaͤlle erzehlen will.

Abaxar danckte hoͤfflich vor ſo geneigte Muͤh-
waltung/ und bezeigete ſonderbahre Vergnuͤgung
uͤber dieſer Erzehlung/ dannenhero er verſprach/
morgendes Tages/ wo es anders ſeine Verrich-
tungen zulieſſen/ wieder zu erſcheinen/ und mit ho-
hem Verlangen das uͤbrige anzuhoͤren. Nach
genommenem Abſchiede ließ ſich der Printz noch-
maln verbinden/ genoß ein wenig Speiſe/ und
legte ſich vollend zur Ruhe. Tages darauff/ als
Talemon ſeiner Gewohnheit nach bey aufgehen-
der Sonne ſeinen Garten beſuchen/ und vor ſei-
nes hohen Gaſtes Wohlfahrt ſorgen wolte/ ver-
nahm er ein hartes Wort-Geſpraͤch zweyer Wei-
bes Perſonen/ dannenhero er dem Schall folgete/
und ſeine Frau und Pflege-Tochter folgender
Geſtalt reden hoͤrte: Was? ſagte Haſſana/ ſoll
man ſich in ſeinem eignen Hauſe von den frem-
den Lumpen-Hunden verachten laſſen? du ſieheſt
es ja vor Augen/ wie veraͤchtlich er dich haͤlt/ und
wie wenig mein Vorſprechen bey ihm gilt. Frau
Mutter/ erwiederte Lorangy/ die Liebe iſt wie ein
Tyger/ welcher ſich eher durch Glimpff/ als mit
gewaltſamen Feſſeln baͤndigen laͤſt. Sie wird
mit gelinden Saͤfften am erſten eingfloͤſſet. Die
Zeit wird und kan alles aͤndern. Ein Pfahl wird
nicht auff einen Stoß in die Erde gebracht/ alſo

wird
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[134/0154] Der Aſiatiſchen Baniſe. die Zeit uns des Scheidens erinnert/ als werde ich das uͤbrige/ doch mit dero Erlaubniß/ bis morgen verſparen/ da ich noch ſeltzamere und verwirrtere Zufaͤlle erzehlen will. Abaxar danckte hoͤfflich vor ſo geneigte Muͤh- waltung/ und bezeigete ſonderbahre Vergnuͤgung uͤber dieſer Erzehlung/ dannenhero er verſprach/ morgendes Tages/ wo es anders ſeine Verrich- tungen zulieſſen/ wieder zu erſcheinen/ und mit ho- hem Verlangen das uͤbrige anzuhoͤren. Nach genommenem Abſchiede ließ ſich der Printz noch- maln verbinden/ genoß ein wenig Speiſe/ und legte ſich vollend zur Ruhe. Tages darauff/ als Talemon ſeiner Gewohnheit nach bey aufgehen- der Sonne ſeinen Garten beſuchen/ und vor ſei- nes hohen Gaſtes Wohlfahrt ſorgen wolte/ ver- nahm er ein hartes Wort-Geſpraͤch zweyer Wei- bes Perſonen/ dannenhero er dem Schall folgete/ und ſeine Frau und Pflege-Tochter folgender Geſtalt reden hoͤrte: Was? ſagte Haſſana/ ſoll man ſich in ſeinem eignen Hauſe von den frem- den Lumpen-Hunden verachten laſſen? du ſieheſt es ja vor Augen/ wie veraͤchtlich er dich haͤlt/ und wie wenig mein Vorſprechen bey ihm gilt. Frau Mutter/ erwiederte Lorangy/ die Liebe iſt wie ein Tyger/ welcher ſich eher durch Glimpff/ als mit gewaltſamen Feſſeln baͤndigen laͤſt. Sie wird mit gelinden Saͤfften am erſten eingfloͤſſet. Die Zeit wird und kan alles aͤndern. Ein Pfahl wird nicht auff einen Stoß in die Erde gebracht/ alſo wird

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/154>, abgerufen am 21.11.2024.