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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
von mir wenden? Lasse mich doch das Ziel deines
Anschauens seyn/ schaue doch/ wie mein Hertze
kochet/ und meine Seele nach dem Labsal lechzet/
welches aus deiner Anmuth qvillt. Jch will dir/
mein Engel/ die Hände unterlegen/ ja meine See-
le soll sich dir auffopffern. Jch wündsche/ daß noch
hundert Hertzen in mir wären/ so solten sie alle in
Liebe gegen dich zerrinnen/ und sich in deine Seele
einflösen. Ach wilstu mich durch Schweigen be-
trüben/ unempfindliche Seele? die todten Felsen
antworten ja denen Fragenden durch ein Echo/ und
du wilst mich Trostlose keiner Antwort würdigen.
Der Printz lag hierüber fast wie entzückt/ und
wuste sich aus solcher Verwirrung gantz nicht zu
finden. Eines theils wunderte er sich über ihre
ungemeine Hefftigkeit der Liebe/ welche sie zu die-
ser Kühnheit veranlassete/ ihre Gedancken so un-
gescheut zu offenbahren/ und mit verliebten Ge-
berden vorzutragen/ als ob sie längst bey der Liebe
wäre in die Schule gegangen. Andern theils
fühlte er einiges Mitleiden/ und wündschte ihr auff
solche Art geholffen zu seyn/ womit ihr gedienet/
und sein Gewissen nicht beflecket/ vielweniger seyn
hoher Stand benachtheiliget werden möchte. Wie
sie nun nach eigener Erinnerung nicht so gar unge-
stalt war/ daß nicht ein leichter Vogel an diesem
Leime hätte können kleben bleiben/ zumahl sich ihr
eine ungewöhnliche Anmuth beygesellte; so war
sich über unsers Printzen ungemeine Tugend um
so vielmehr zu verwundern/ daß er sich so klüglich

be-
K

Erſtes Buch.
von mir wenden? Laſſe mich doch das Ziel deines
Anſchauens ſeyn/ ſchaue doch/ wie mein Hertze
kochet/ und meine Seele nach dem Labſal lechzet/
welches aus deiner Anmuth qvillt. Jch will dir/
mein Engel/ die Haͤnde unterlegen/ ja meine See-
le ſoll ſich dir auffopffern. Jch wuͤndſche/ daß noch
hundert Hertzen in mir waͤren/ ſo ſolten ſie alle in
Liebe gegen dich zerrinnen/ und ſich in deine Seele
einfloͤſen. Ach wilſtu mich durch Schweigen be-
truͤben/ unempfindliche Seele? die todten Felſen
antworten ja denen Fragenden duꝛch ein Echo/ und
du wilſt mich Troſtloſe keiner Antwort wuͤrdigen.
Der Printz lag hieruͤber faſt wie entzuͤckt/ und
wuſte ſich aus ſolcher Verwirrung gantz nicht zu
finden. Eines theils wunderte er ſich uͤber ihre
ungemeine Hefftigkeit der Liebe/ welche ſie zu die-
ſer Kuͤhnheit veranlaſſete/ ihre Gedancken ſo un-
geſcheut zu offenbahren/ und mit verliebten Ge-
berden vorzutragen/ als ob ſie laͤngſt bey der Liebe
waͤre in die Schule gegangen. Andern theils
fuͤhlte er einiges Mitleiden/ und wuͤndſchte ihr auff
ſolche Art geholffen zu ſeyn/ womit ihr gedienet/
und ſein Gewiſſen nicht beflecket/ vielweniger ſeyn
hoher Stand benachtheiliget werdẽ moͤchte. Wie
ſie nun nach eigener Erinnerung nicht ſo gar unge-
ſtalt war/ daß nicht ein leichter Vogel an dieſem
Leime haͤtte koͤnnen kleben bleiben/ zumahl ſich ihr
eine ungewoͤhnliche Anmuth beygeſellte; ſo war
ſich uͤber unſers Printzen ungemeine Tugend um
ſo vielmehr zu verwundern/ daß er ſich ſo kluͤglich

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[145/0165] Erſtes Buch. von mir wenden? Laſſe mich doch das Ziel deines Anſchauens ſeyn/ ſchaue doch/ wie mein Hertze kochet/ und meine Seele nach dem Labſal lechzet/ welches aus deiner Anmuth qvillt. Jch will dir/ mein Engel/ die Haͤnde unterlegen/ ja meine See- le ſoll ſich dir auffopffern. Jch wuͤndſche/ daß noch hundert Hertzen in mir waͤren/ ſo ſolten ſie alle in Liebe gegen dich zerrinnen/ und ſich in deine Seele einfloͤſen. Ach wilſtu mich durch Schweigen be- truͤben/ unempfindliche Seele? die todten Felſen antworten ja denen Fragenden duꝛch ein Echo/ und du wilſt mich Troſtloſe keiner Antwort wuͤrdigen. Der Printz lag hieruͤber faſt wie entzuͤckt/ und wuſte ſich aus ſolcher Verwirrung gantz nicht zu finden. Eines theils wunderte er ſich uͤber ihre ungemeine Hefftigkeit der Liebe/ welche ſie zu die- ſer Kuͤhnheit veranlaſſete/ ihre Gedancken ſo un- geſcheut zu offenbahren/ und mit verliebten Ge- berden vorzutragen/ als ob ſie laͤngſt bey der Liebe waͤre in die Schule gegangen. Andern theils fuͤhlte er einiges Mitleiden/ und wuͤndſchte ihr auff ſolche Art geholffen zu ſeyn/ womit ihr gedienet/ und ſein Gewiſſen nicht beflecket/ vielweniger ſeyn hoher Stand benachtheiliget werdẽ moͤchte. Wie ſie nun nach eigener Erinnerung nicht ſo gar unge- ſtalt war/ daß nicht ein leichter Vogel an dieſem Leime haͤtte koͤnnen kleben bleiben/ zumahl ſich ihr eine ungewoͤhnliche Anmuth beygeſellte; ſo war ſich uͤber unſers Printzen ungemeine Tugend um ſo vielmehr zu verwundern/ daß er ſich ſo kluͤglich be- K

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/165>, abgerufen am 21.11.2024.