Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Erstes Buch. vorige Gestalt meines Herrns. Hierauff nahmder Priester den Zeddul vom Altar/ legte ihn zu- sammen/ und übergab ihm denselben nebenst zwey Schachteln und diesen Worten: Die gnä- dige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opffer angesehen: so gehe denn hin in Frieden. Dieser Zeddul/ welchen du bey untergehendem Monden lesen sollst/ wird dir Weg und Steg zei- gen/ und dir offenbahren/ was du zu wissen ver- langest. Die zwey Schachteln aber händigen dir zugleich durch mich die milden Götter ein/ aus deren einer du dich verbergen/ aus der andern aber wieder kommen kanst. Solche bewahre auffs beste/ denn es kommt die Zeit/ da du durch Ver- stellung Liebe und Reich zu erhalten suchen möch- test. Darauff fielen wir nochmals nieder/ und verfügten uns alsdenn eilende nach unserer Be- hausung. Was nun hierbey das verdrießlichste war/ so durfften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegen einander reden/ wiewohl ich in des Printzen Gesichte einiges Vergnügen und sehnliches Verlangen ersahe/ ich aber kunte nichts als brummen/ biß endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Printz zum ersten das Stillschweigen brach: O ihr Götter! hub er an/ ist es euer Ernst/ oder beliebet euch so mit uns sterblichen Menschen zu schertzen. Jch weiß nicht/ ob ihr durch Verstöhrung meiner Ru- he meinen Vorwitz bestraffen/ oder meine Andacht belohnen wollet. Denn/ ach Himmel! was vor eine
Erſtes Buch. vorige Geſtalt meines Herrns. Hierauff nahmder Prieſter den Zeddul vom Altar/ legte ihn zu- ſammen/ und uͤbergab ihm denſelben nebenſt zwey Schachteln und dieſen Worten: Die gnaͤ- dige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opffer angeſehen: ſo gehe denn hin in Frieden. Dieſer Zeddul/ welchen du bey untergehendem Monden leſen ſollſt/ wird dir Weg und Steg zei- gen/ und dir offenbahren/ was du zu wiſſen ver- langeſt. Die zwey Schachteln aber haͤndigen dir zugleich durch mich die milden Goͤtter ein/ aus deren einer du dich verbergen/ aus der andern aber wieder kommen kanſt. Solche bewahre auffs beſte/ denn es kommt die Zeit/ da du durch Ver- ſtellung Liebe und Reich zu erhalten ſuchen moͤch- teſt. Darauff fielen wir nochmals nieder/ und verfuͤgten uns alsdenn eilende nach unſerer Be- hauſung. Was nun hierbey das verdrießlichſte war/ ſo durfften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegen einander reden/ wiewohl ich in des Printzen Geſichte einiges Vergnuͤgen und ſehnliches Verlangen erſahe/ ich aber kunte nichts als brummen/ biß endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Printz zum erſten das Stillſchweigen brach: O ihr Goͤtter! hub er an/ iſt es euer Ernſt/ oder beliebet euch ſo mit uns ſterblichen Menſchen zu ſchertzen. Jch weiß nicht/ ob ihr durch Verſtoͤhrung meiner Ru- he meinen Voꝛwitz beſtraffen/ oder meine Andacht belohnen wollet. Denn/ ach Himmel! was vor eine
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Erſtes Buch.
vorige Geſtalt meines Herrns. Hierauff nahm
der Prieſter den Zeddul vom Altar/ legte ihn zu-
ſammen/ und uͤbergab ihm denſelben nebenſt
zwey Schachteln und dieſen Worten: Die gnaͤ-
dige Gottheit hat deine Andacht und reichliches
Opffer angeſehen: ſo gehe denn hin in Frieden.
Dieſer Zeddul/ welchen du bey untergehendem
Monden leſen ſollſt/ wird dir Weg und Steg zei-
gen/ und dir offenbahren/ was du zu wiſſen ver-
langeſt. Die zwey Schachteln aber haͤndigen
dir zugleich durch mich die milden Goͤtter ein/ aus
deren einer du dich verbergen/ aus der andern aber
wieder kommen kanſt. Solche bewahre auffs
beſte/ denn es kommt die Zeit/ da du durch Ver-
ſtellung Liebe und Reich zu erhalten ſuchen moͤch-
teſt. Darauff fielen wir nochmals nieder/ und
verfuͤgten uns alsdenn eilende nach unſerer Be-
hauſung. Was nun hierbey das verdrießlichſte
war/ ſo durfften wir vor Untergange des Monden
kein Wort gegen einander reden/ wiewohl ich in
des Printzen Geſichte einiges Vergnuͤgen und
ſehnliches Verlangen erſahe/ ich aber kunte nichts
als brummen/ biß endlich gegen den Morgen der
Mond gute Nacht gab: Da denn der Printz zum
erſten das Stillſchweigen brach: O ihr Goͤtter!
hub er an/ iſt es euer Ernſt/ oder beliebet euch ſo
mit uns ſterblichen Menſchen zu ſchertzen. Jch
weiß nicht/ ob ihr durch Verſtoͤhrung meiner Ru-
he meinen Voꝛwitz beſtraffen/ oder meine Andacht
belohnen wollet. Denn/ ach Himmel! was vor
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