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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
ben waren/ so befahl er uns/ unsere Pferde herbey
zubringen/ wovon er dem Käyser mit höfflichen
Worten eines anbot/ und sich auff das andere
setzte/ deme wir zu Fusse nachfolgen. Ehe die
Diener aber diesen Befehl verrichteten/ sahe mein
Printz/ daß sich noch einer von den Räubern regte/
weil nun der Käyser noch selbst nicht wuste/ wo
diese Verrätherey herrührete/ so verfügte er sich zu
demselben/ und kehrete ihn um/ setzte ihm auch die
Lantze an die Brust/ und stellete sich/ als wolte er
ihn vollend hinrichten. Hertz und Haupt aber war
noch frisch/ derowegen hub er unvermuthet an zu
reden: Haltet inne/ ruffte er/ und höret zu erst
mein letztes Bekäntniß mit geneigten Ohren an/
weil doch nicht eher meine Seele diesen Cörper
verlassen kan/ sie habe denn zuvor entdecket/ was
vor ein Befehl mich in diß Unglücke gestürtzet habe.
Auf diese Worte eilte der Käyser gantz begierig
herbey/ und redete ihn selber an: So sage denn/
du boßhafftiger Räuber/ welch Mord-Befehl
hat dich zu dieser Verwegenheit angetrieben? ver-
schweige ja nichts/ denn ausser diesem soll dein Le-
ben biß zu grausamster Marter verschonet wer-
den/ welches annoch einige Gnade zu hoffen hat.
Der Räuber entsetzte sich hefftig über den harten
Anspruch des Käysers/ und brach in diese Klage
heraus: Ach wehe mir! verflucht sey die Stunde/
da ich mich zu diesem Morde verleiten lassen. Jch
bitte E. M. um aller Götter willen/ diese unver-
antwortliche Beleidigung einer sterbenden See-

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L 4

Erſtes Buch.
ben waren/ ſo befahl er uns/ unſere Pferde herbey
zubringen/ wovon er dem Kaͤyſer mit hoͤfflichen
Worten eines anbot/ und ſich auff das andere
ſetzte/ deme wir zu Fuſſe nachfolgen. Ehe die
Diener aber dieſen Befehl verrichteten/ ſahe mein
Printz/ daß ſich noch einer von den Raͤubern regte/
weil nun der Kaͤyſer noch ſelbſt nicht wuſte/ wo
dieſe Verraͤtherey herruͤhrete/ ſo verfuͤgte er ſich zu
demſelben/ und kehrete ihn um/ ſetzte ihm auch die
Lantze an die Bruſt/ und ſtellete ſich/ als wolte er
ihn vollend hinrichten. Hertz und Haupt aber war
noch friſch/ derowegen hub er unvermuthet an zu
reden: Haltet inne/ ruffte er/ und hoͤret zu erſt
mein letztes Bekaͤntniß mit geneigten Ohren an/
weil doch nicht eher meine Seele dieſen Coͤrper
verlaſſen kan/ ſie habe denn zuvor entdecket/ was
vor ein Befehl mich in diß Ungluͤcke geſtuͤꝛtzet habe.
Auf dieſe Worte eilte der Kaͤyſer gantz begierig
herbey/ und redete ihn ſelber an: So ſage denn/
du boßhafftiger Raͤuber/ welch Mord-Befehl
hat dich zu dieſer Verwegenheit angetrieben? ver-
ſchweige ja nichts/ denn auſſer dieſem ſoll dein Le-
ben biß zu grauſamſter Marter verſchonet wer-
den/ welches annoch einige Gnade zu hoffen hat.
Der Raͤuber entſetzte ſich hefftig uͤber den harten
Anſpruch des Kaͤyſers/ und brach in dieſe Klage
heraus: Ach wehe mir! verflucht ſey die Stunde/
da ich mich zu dieſem Morde verleiten laſſen. Jch
bitte E. M. um aller Goͤtter willen/ dieſe unver-
antwortliche Beleidigung einer ſterbenden See-

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L 4
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[167/0187] Erſtes Buch. ben waren/ ſo befahl er uns/ unſere Pferde herbey zubringen/ wovon er dem Kaͤyſer mit hoͤfflichen Worten eines anbot/ und ſich auff das andere ſetzte/ deme wir zu Fuſſe nachfolgen. Ehe die Diener aber dieſen Befehl verrichteten/ ſahe mein Printz/ daß ſich noch einer von den Raͤubern regte/ weil nun der Kaͤyſer noch ſelbſt nicht wuſte/ wo dieſe Verraͤtherey herruͤhrete/ ſo verfuͤgte er ſich zu demſelben/ und kehrete ihn um/ ſetzte ihm auch die Lantze an die Bruſt/ und ſtellete ſich/ als wolte er ihn vollend hinrichten. Hertz und Haupt aber war noch friſch/ derowegen hub er unvermuthet an zu reden: Haltet inne/ ruffte er/ und hoͤret zu erſt mein letztes Bekaͤntniß mit geneigten Ohren an/ weil doch nicht eher meine Seele dieſen Coͤrper verlaſſen kan/ ſie habe denn zuvor entdecket/ was vor ein Befehl mich in diß Ungluͤcke geſtuͤꝛtzet habe. Auf dieſe Worte eilte der Kaͤyſer gantz begierig herbey/ und redete ihn ſelber an: So ſage denn/ du boßhafftiger Raͤuber/ welch Mord-Befehl hat dich zu dieſer Verwegenheit angetrieben? ver- ſchweige ja nichts/ denn auſſer dieſem ſoll dein Le- ben biß zu grauſamſter Marter verſchonet wer- den/ welches annoch einige Gnade zu hoffen hat. Der Raͤuber entſetzte ſich hefftig uͤber den harten Anſpruch des Kaͤyſers/ und brach in dieſe Klage heraus: Ach wehe mir! verflucht ſey die Stunde/ da ich mich zu dieſem Morde verleiten laſſen. Jch bitte E. M. um aller Goͤtter willen/ dieſe unver- antwortliche Beleidigung einer ſterbenden See- len L 4

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/187>, abgerufen am 17.06.2024.