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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
dior erschienene Bild aus meinem Hertzen zu
reissen/ so ist es mir auch unmöglich etwas anders
zu lieben/ was nicht jene vollkommene Gleichheit
meinen Augen vorstellet. Auf derowegen/ mein
Scandor/ hier ist nicht länger Zeit zu warten/ weil
der Götter Rath auff was anders zielen muß/ wel-
ches zu suchen und anzutreffen/ mein Geist nicht
eher/ denn in dem Grabe/ ruhen wird. Dieses
war mir nun eine gantz unangenehme Zeitung/
indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht
zu verbessern wuste. Derowegen forschete ich
erst/ was in dem innern Zimmer vorgegangen
war/ wornach ich denn mein Einreden richtete.
Gnädigster Herr/ sagte ich/ wie können sie sich den
Schatten eines Traumes so feste einbilden?
Vielleicht haben die Götter durch die träumende
Schönheit/ welche dieser Princeßin abgehet/ das
anhangende Heyrathsgut/ als das Königreich
Cambaya/ bedeuten wollen: angesehen eine Cro-
ne in aller Menschen Augen das schönste Gesich-
te weg sticht. Denn jene ist beständig und mäch-
tig genung/ sich selbst zu erhalten/ diese aber kan
durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zu
dem muß ich doch auch gestehen/ daß diese Prin-
ceßin/ meiner Einfalt nach/ noch wol liebens wür-
dig sey. Ach/ antwortete der betrübte Printz/
welche sich indessen auff das Bette geworf-
fen hatte/ sie ist nur ein Schatten gegen jenem
Traume. Denn wie jener Alabasterne Stirne
durch die liechten Locken um ein grosses erha-

ben

Der Aſiatiſchen Baniſe.
dior erſchienene Bild aus meinem Hertzen zu
reiſſen/ ſo iſt es mir auch unmoͤglich etwas anders
zu lieben/ was nicht jene vollkommene Gleichheit
meinen Augen vorſtellet. Auf derowegen/ mein
Scandor/ hier iſt nicht laͤnger Zeit zu warten/ weil
der Goͤtter Rath auff was anders zielen muß/ wel-
ches zu ſuchen und anzutreffen/ mein Geiſt nicht
eher/ denn in dem Grabe/ ruhen wird. Dieſes
war mir nun eine gantz unangenehme Zeitung/
indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht
zu verbeſſern wuſte. Derowegen forſchete ich
erſt/ was in dem innern Zimmer vorgegangen
war/ wornach ich denn mein Einreden richtete.
Gnaͤdigſter Herr/ ſagte ich/ wie koͤnnen ſie ſich den
Schatten eines Traumes ſo feſte einbilden?
Vielleicht haben die Goͤtter durch die traͤumende
Schoͤnheit/ welche dieſer Princeßin abgehet/ das
anhangende Heyrathsgut/ als das Koͤnigreich
Cambaya/ bedeuten wollen: angeſehen eine Cro-
ne in aller Menſchen Augen das ſchoͤnſte Geſich-
te weg ſticht. Denn jene iſt beſtaͤndig und maͤch-
tig genung/ ſich ſelbſt zu erhalten/ dieſe aber kan
durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zu
dem muß ich doch auch geſtehen/ daß dieſe Prin-
ceßin/ meiner Einfalt nach/ noch wol liebens wuͤr-
dig ſey. Ach/ antwortete der betruͤbte Printz/
welche ſich indeſſen auff das Bette geworf-
fen hatte/ ſie iſt nur ein Schatten gegen jenem
Traume. Denn wie jener Alabaſterne Stirne
durch die liechten Locken um ein groſſes erha-

ben
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[176/0196] Der Aſiatiſchen Baniſe. dior erſchienene Bild aus meinem Hertzen zu reiſſen/ ſo iſt es mir auch unmoͤglich etwas anders zu lieben/ was nicht jene vollkommene Gleichheit meinen Augen vorſtellet. Auf derowegen/ mein Scandor/ hier iſt nicht laͤnger Zeit zu warten/ weil der Goͤtter Rath auff was anders zielen muß/ wel- ches zu ſuchen und anzutreffen/ mein Geiſt nicht eher/ denn in dem Grabe/ ruhen wird. Dieſes war mir nun eine gantz unangenehme Zeitung/ indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht zu verbeſſern wuſte. Derowegen forſchete ich erſt/ was in dem innern Zimmer vorgegangen war/ wornach ich denn mein Einreden richtete. Gnaͤdigſter Herr/ ſagte ich/ wie koͤnnen ſie ſich den Schatten eines Traumes ſo feſte einbilden? Vielleicht haben die Goͤtter durch die traͤumende Schoͤnheit/ welche dieſer Princeßin abgehet/ das anhangende Heyrathsgut/ als das Koͤnigreich Cambaya/ bedeuten wollen: angeſehen eine Cro- ne in aller Menſchen Augen das ſchoͤnſte Geſich- te weg ſticht. Denn jene iſt beſtaͤndig und maͤch- tig genung/ ſich ſelbſt zu erhalten/ dieſe aber kan durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zu dem muß ich doch auch geſtehen/ daß dieſe Prin- ceßin/ meiner Einfalt nach/ noch wol liebens wuͤr- dig ſey. Ach/ antwortete der betruͤbte Printz/ welche ſich indeſſen auff das Bette geworf- fen hatte/ ſie iſt nur ein Schatten gegen jenem Traume. Denn wie jener Alabaſterne Stirne durch die liechten Locken um ein groſſes erha- ben

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/196>, abgerufen am 17.06.2024.