Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. Mensch/ redete ihm der Printz ein/ eine übele Mey-nung kan ja nicht allen nachtheilig seyn/ indem ei- ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel- mehr wirst du dir zu Gemüthe führen/ was vor tägliche Anmuth ein schönes Weibs-Bild sey/ und wie dir alle Morgen/ wenn du erwachest/ gleichsam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schön- heit ist ja ein Brunn der Wollust/ aus welchem die Augen Vergnügung/ und das Hertze lauter Anmuth schöpffet. Wie soltest denn du der ein- tzige seyn/ welcher diese Himmels-Kost mit eckeln Lippen verachten wolte? Gantz recht/ antworte- te Scandor/ die Schönheit ist freylich ein solcher Gast/ welchem viel tausend Opffer der lüstern- den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich mich auch diese bethören liesse/ wer ersetzte mir denn den Schaden/ wenn ein Fieber/ oder Po- cken/ oder hundert andere Zufälle das feine Fleck- gen verderbten/ und mir hernach diese Bett-Son- ne eine stete Finsterniß vorstellete: Zudem ist es ein wurmstichig Wesen um die Schönheit/ denn wie die schönsten Kirschen am meisten von den Vogeln verfolget/ und wo sie nicht stets durch ein fleißiges Auge bewachet/ gar leicht angebissen werden; also befürchte ich auch/ man möchte mir in diesem Fall nichts neues machen/ sondern gleich- falls mit einem Türckischen Bunde zieren/ wie die Ochsen tragen/ denn schöne Weiber sind Jrr- wische/ die verführen die Leute bey Tag uud Nacht. Du bist einem Thiere zu vergleichen/ wel-
Der Aſiatiſchen Baniſe. Menſch/ redete ihm der Printz ein/ eine uͤbele Mey-nung kan ja nicht allen nachtheilig ſeyn/ indem ei- ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel- mehr wirſt du dir zu Gemuͤthe fuͤhren/ was vor taͤgliche Anmuth ein ſchoͤnes Weibs-Bild ſey/ und wie dir alle Morgen/ weñ du erwacheſt/ gleichſam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schoͤn- heit iſt ja ein Brunn der Wolluſt/ aus welchem die Augen Vergnuͤgung/ und das Hertze lauter Anmuth ſchoͤpffet. Wie ſolteſt denn du der ein- tzige ſeyn/ welcher dieſe Himmels-Koſt mit eckeln Lippen verachten wolte? Gantz recht/ antworte- te Scandor/ die Schoͤnheit iſt freylich ein ſolcher Gaſt/ welchem viel tauſend Opffer der luͤſtern- den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich mich auch dieſe bethoͤren lieſſe/ wer erſetzte mir denn den Schaden/ wenn ein Fieber/ oder Po- cken/ oder hundert andere Zufaͤlle das feine Fleck- gen verderbten/ und mir hernach dieſe Bett-Son- ne eine ſtete Finſterniß vorſtellete: Zudem iſt es ein wurmſtichig Weſen um die Schoͤnheit/ denn wie die ſchoͤnſten Kirſchen am meiſten von den Vogeln verfolget/ und wo ſie nicht ſtets durch ein fleißiges Auge bewachet/ gar leicht angebiſſen werden; alſo befuͤrchte ich auch/ man moͤchte mir in dieſem Fall nichts neues machen/ ſondeꝛn gleich- falls mit einem Tuͤrckiſchen Bunde zieren/ wie die Ochſen tragen/ denn ſchoͤne Weiber ſind Jrr- wiſche/ die verfuͤhren die Leute bey Tag uud Nacht. Du biſt einem Thiere zu vergleichen/ wel-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0310" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Aſiatiſchen Baniſe.</hi></fw><lb/> Menſch/ redete ihm der Printz ein/ eine uͤbele Mey-<lb/> nung kan ja nicht allen nachtheilig ſeyn/ indem ei-<lb/> ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel-<lb/> mehr wirſt du dir zu Gemuͤthe fuͤhren/ was vor<lb/> taͤgliche Anmuth ein ſchoͤnes Weibs-Bild ſey/ und<lb/> wie dir alle Morgen/ weñ du erwacheſt/ gleichſam<lb/> die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schoͤn-<lb/> heit iſt ja ein Brunn der Wolluſt/ aus welchem<lb/> die Augen Vergnuͤgung/ und das Hertze lauter<lb/> Anmuth ſchoͤpffet. Wie ſolteſt denn du der ein-<lb/> tzige ſeyn/ welcher dieſe Himmels-Koſt mit eckeln<lb/> Lippen verachten wolte? Gantz recht/ antworte-<lb/> te Scandor/ die Schoͤnheit iſt freylich ein ſolcher<lb/> Gaſt/ welchem viel tauſend Opffer der luͤſtern-<lb/> den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich<lb/> mich auch dieſe bethoͤren lieſſe/ wer erſetzte mir<lb/> denn den Schaden/ wenn ein Fieber/ oder Po-<lb/> cken/ oder hundert andere Zufaͤlle das feine Fleck-<lb/> gen verderbten/ und mir hernach dieſe Bett-Son-<lb/> ne eine ſtete Finſterniß vorſtellete: Zudem iſt es<lb/> ein wurmſtichig Weſen um die Schoͤnheit/ denn<lb/> wie die ſchoͤnſten Kirſchen am meiſten von den<lb/> Vogeln verfolget/ und wo ſie nicht ſtets durch<lb/> ein fleißiges Auge bewachet/ gar leicht angebiſſen<lb/> werden; alſo befuͤrchte ich auch/ man moͤchte mir<lb/> in dieſem Fall nichts neues machen/ ſondeꝛn gleich-<lb/> falls mit einem Tuͤrckiſchen Bunde zieren/ wie<lb/> die Ochſen tragen/ denn ſchoͤne Weiber ſind Jrr-<lb/> wiſche/ die verfuͤhren die Leute bey Tag uud<lb/> Nacht. Du biſt einem Thiere zu vergleichen/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [290/0310]
Der Aſiatiſchen Baniſe.
Menſch/ redete ihm der Printz ein/ eine uͤbele Mey-
nung kan ja nicht allen nachtheilig ſeyn/ indem ei-
ne Schwalbe keinen Sommer machet. Viel-
mehr wirſt du dir zu Gemuͤthe fuͤhren/ was vor
taͤgliche Anmuth ein ſchoͤnes Weibs-Bild ſey/ und
wie dir alle Morgen/ weñ du erwacheſt/ gleichſam
die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schoͤn-
heit iſt ja ein Brunn der Wolluſt/ aus welchem
die Augen Vergnuͤgung/ und das Hertze lauter
Anmuth ſchoͤpffet. Wie ſolteſt denn du der ein-
tzige ſeyn/ welcher dieſe Himmels-Koſt mit eckeln
Lippen verachten wolte? Gantz recht/ antworte-
te Scandor/ die Schoͤnheit iſt freylich ein ſolcher
Gaſt/ welchem viel tauſend Opffer der luͤſtern-
den Augen gewiedmet werden. Allein wo ich
mich auch dieſe bethoͤren lieſſe/ wer erſetzte mir
denn den Schaden/ wenn ein Fieber/ oder Po-
cken/ oder hundert andere Zufaͤlle das feine Fleck-
gen verderbten/ und mir hernach dieſe Bett-Son-
ne eine ſtete Finſterniß vorſtellete: Zudem iſt es
ein wurmſtichig Weſen um die Schoͤnheit/ denn
wie die ſchoͤnſten Kirſchen am meiſten von den
Vogeln verfolget/ und wo ſie nicht ſtets durch
ein fleißiges Auge bewachet/ gar leicht angebiſſen
werden; alſo befuͤrchte ich auch/ man moͤchte mir
in dieſem Fall nichts neues machen/ ſondeꝛn gleich-
falls mit einem Tuͤrckiſchen Bunde zieren/ wie
die Ochſen tragen/ denn ſchoͤne Weiber ſind Jrr-
wiſche/ die verfuͤhren die Leute bey Tag uud
Nacht. Du biſt einem Thiere zu vergleichen/
wel-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeZum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |