Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Astatischen Banise.
Morgenröthe den Auffgang der Sonnen verkün-
diget/ so verließ Hassana ihr Lager/ weckte ihren
Liebsten/ wie auch die entschlaffenen Pfaffen und
andere/ so viel ihrer in dem Schlosse waren/ auff/
und foderte sie in ein Zimmer zusammen/ welche
wegen grossen Verlangens/ ihr Vorhaben zu er-
fahren/ willigst erschienen. Hier entdeckte sie
nun dem Talemon und andern ihre nächtliche
Verrichtung mit sonderbaren Worten: Lieb-
ster Eh-Schatz/ sagte sie/ sämtliche Anwesende!
Daß der beste Kern höchster Weißheit nicht all-
zeit bey klugen Männern/ sondern vielmehr in
dem Gehirne vernünfftiger Weiber beruhe/ sol-
ches muß ich/ sonder Ruhm/ durch meine eigene
Person beweisen. Jch entröthe mich nicht zu sa-
gen/ daß/ wo hundert Männer nicht zu rathen ver-
mögen/ da sey eine eintzige Frau klug genug/ ihren
Zweiffel durch ersprießlichen Beyrath und An-
schlag sattsam auffzulösen. Diesem nach muß
ich euch nur klagen/ wie sich unsere Lorangy/ wel-
che sonst iederzeit ein Spiegel der Keuschheit/ und
ein Ebenbild meiner Tugend gewesen/ gleichwol
sich auf das Eyß der Liebe gewaget/ und darauff
nicht wenig gelitten/ nemlich/ sie hat sich die an-
nehmliche Gestalt unsers fremden Gastes der-
massen gefallen lassen/ daß sie sich nicht gescheuet/
hinter mein Wissen und Willen ihre Liebe dem-
selben bey nächtlicher Weile zu offenbaren/ und
ihn auff seinem Lager heunte zu besuchen. Daß
nun diese Zusammenkunfft ohne einigen Nach-

thei

Der Aſtatiſchen Baniſe.
Morgenroͤthe den Auffgang der Sonnen verkuͤn-
diget/ ſo verließ Haſſana ihr Lager/ weckte ihren
Liebſten/ wie auch die entſchlaffenen Pfaffen und
andere/ ſo viel ihrer in dem Schloſſe waren/ auff/
und foderte ſie in ein Zimmer zuſammen/ welche
wegen groſſen Verlangens/ ihr Vorhaben zu er-
fahren/ willigſt erſchienen. Hier entdeckte ſie
nun dem Talemon und andern ihre naͤchtliche
Verrichtung mit ſonderbaren Worten: Lieb-
ſter Eh-Schatz/ ſagte ſie/ ſaͤmtliche Anweſende!
Daß der beſte Kern hoͤchſter Weißheit nicht all-
zeit bey klugen Maͤnnern/ ſondern vielmehr in
dem Gehirne vernuͤnfftiger Weiber beruhe/ ſol-
ches muß ich/ ſonder Ruhm/ durch meine eigene
Perſon beweiſen. Jch entroͤthe mich nicht zu ſa-
gen/ daß/ wo hundert Maͤnner nicht zu rathen ver-
moͤgen/ da ſey eine eintzige Frau klug genug/ ihren
Zweiffel durch erſprießlichen Beyrath und An-
ſchlag ſattſam auffzuloͤſen. Dieſem nach muß
ich euch nur klagen/ wie ſich unſere Lorangy/ wel-
che ſonſt iederzeit ein Spiegel der Keuſchheit/ und
ein Ebenbild meiner Tugend geweſen/ gleichwol
ſich auf das Eyß der Liebe gewaget/ und darauff
nicht wenig gelitten/ nemlich/ ſie hat ſich die an-
nehmliche Geſtalt unſers fremden Gaſtes der-
maſſen gefallen laſſen/ daß ſie ſich nicht geſcheuet/
hinter mein Wiſſen und Willen ihre Liebe dem-
ſelben bey naͤchtlicher Weile zu offenbaren/ und
ihn auff ſeinem Lager heunte zu beſuchen. Daß
nun dieſe Zuſammenkunfft ohne einigen Nach-

thei
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0382" n="362"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;tati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Morgenro&#x0364;the den Auffgang der Sonnen verku&#x0364;n-<lb/>
diget/ &#x017F;o verließ Ha&#x017F;&#x017F;ana ihr Lager/ weckte ihren<lb/>
Lieb&#x017F;ten/ wie auch die ent&#x017F;chlaffenen Pfaffen und<lb/>
andere/ &#x017F;o viel ihrer in dem Schlo&#x017F;&#x017F;e waren/ auff/<lb/>
und foderte &#x017F;ie in ein Zimmer zu&#x017F;ammen/ welche<lb/>
wegen gro&#x017F;&#x017F;en Verlangens/ ihr Vorhaben zu er-<lb/>
fahren/ willig&#x017F;t er&#x017F;chienen. Hier entdeckte &#x017F;ie<lb/>
nun dem Talemon und andern ihre na&#x0364;chtliche<lb/>
Verrichtung mit &#x017F;onderbaren Worten: Lieb-<lb/>
&#x017F;ter Eh-Schatz/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ &#x017F;a&#x0364;mtliche Anwe&#x017F;ende!<lb/>
Daß der be&#x017F;te Kern ho&#x0364;ch&#x017F;ter Weißheit nicht all-<lb/>
zeit bey klugen Ma&#x0364;nnern/ &#x017F;ondern vielmehr in<lb/>
dem Gehirne vernu&#x0364;nfftiger Weiber beruhe/ &#x017F;ol-<lb/>
ches muß ich/ &#x017F;onder Ruhm/ durch meine eigene<lb/>
Per&#x017F;on bewei&#x017F;en. Jch entro&#x0364;the mich nicht zu &#x017F;a-<lb/>
gen/ daß/ wo hundert Ma&#x0364;nner nicht zu rathen ver-<lb/>
mo&#x0364;gen/ da &#x017F;ey eine eintzige Frau klug genug/ ihren<lb/>
Zweiffel durch er&#x017F;prießlichen Beyrath und An-<lb/>
&#x017F;chlag &#x017F;att&#x017F;am auffzulo&#x0364;&#x017F;en. Die&#x017F;em nach muß<lb/>
ich euch nur klagen/ wie &#x017F;ich un&#x017F;ere Lorangy/ wel-<lb/>
che &#x017F;on&#x017F;t iederzeit ein Spiegel der Keu&#x017F;chheit/ und<lb/>
ein Ebenbild meiner Tugend gewe&#x017F;en/ gleichwol<lb/>
&#x017F;ich auf das Eyß der Liebe gewaget/ und darauff<lb/>
nicht wenig gelitten/ nemlich/ &#x017F;ie hat &#x017F;ich die an-<lb/>
nehmliche Ge&#x017F;talt un&#x017F;ers fremden Ga&#x017F;tes der-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en gefallen la&#x017F;&#x017F;en/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht ge&#x017F;cheuet/<lb/>
hinter mein Wi&#x017F;&#x017F;en und Willen ihre Liebe dem-<lb/>
&#x017F;elben bey na&#x0364;chtlicher Weile zu offenbaren/ und<lb/>
ihn auff &#x017F;einem Lager heunte zu be&#x017F;uchen. Daß<lb/>
nun die&#x017F;e Zu&#x017F;ammenkunfft ohne einigen Nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">thei</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0382] Der Aſtatiſchen Baniſe. Morgenroͤthe den Auffgang der Sonnen verkuͤn- diget/ ſo verließ Haſſana ihr Lager/ weckte ihren Liebſten/ wie auch die entſchlaffenen Pfaffen und andere/ ſo viel ihrer in dem Schloſſe waren/ auff/ und foderte ſie in ein Zimmer zuſammen/ welche wegen groſſen Verlangens/ ihr Vorhaben zu er- fahren/ willigſt erſchienen. Hier entdeckte ſie nun dem Talemon und andern ihre naͤchtliche Verrichtung mit ſonderbaren Worten: Lieb- ſter Eh-Schatz/ ſagte ſie/ ſaͤmtliche Anweſende! Daß der beſte Kern hoͤchſter Weißheit nicht all- zeit bey klugen Maͤnnern/ ſondern vielmehr in dem Gehirne vernuͤnfftiger Weiber beruhe/ ſol- ches muß ich/ ſonder Ruhm/ durch meine eigene Perſon beweiſen. Jch entroͤthe mich nicht zu ſa- gen/ daß/ wo hundert Maͤnner nicht zu rathen ver- moͤgen/ da ſey eine eintzige Frau klug genug/ ihren Zweiffel durch erſprießlichen Beyrath und An- ſchlag ſattſam auffzuloͤſen. Dieſem nach muß ich euch nur klagen/ wie ſich unſere Lorangy/ wel- che ſonſt iederzeit ein Spiegel der Keuſchheit/ und ein Ebenbild meiner Tugend geweſen/ gleichwol ſich auf das Eyß der Liebe gewaget/ und darauff nicht wenig gelitten/ nemlich/ ſie hat ſich die an- nehmliche Geſtalt unſers fremden Gaſtes der- maſſen gefallen laſſen/ daß ſie ſich nicht geſcheuet/ hinter mein Wiſſen und Willen ihre Liebe dem- ſelben bey naͤchtlicher Weile zu offenbaren/ und ihn auff ſeinem Lager heunte zu beſuchen. Daß nun dieſe Zuſammenkunfft ohne einigen Nach- thei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/382
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/382>, abgerufen am 01.07.2024.