Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch.
Fenster zu eröffnen/ wodurch denn der neue Bräu-
tigam von allen vor den Scandor erkennet und
angesehen wurde. Hier lag nun der ehrliche
Scandor und wendete sich mit verliebten Augen
nach seiner vertrauten Lorangy/ welche aber vor
grossem Erschrecken/ so bald sie ihn recht ange-
schauet/ in blossem Hemde aus dem Bette sprang/
und sich hinter einige Tapeten versteckete. Hassa-
na war dermassen bestürtzt/ daß sie sich ohn eini-
ges Wortsprechen auff den Stul/ vor welchem
noch ihre Gegenwart zu verspüren war/ nieder-
setzte/ und eine geraume Zeit mit starren Augen
sitzen blieb. Talemon begab sich zu dem Scan-
dor/ und setzte ihn zur Rede/ was ihn bewogen hät-
te/ ein solches nachtheiliges Gauckelspiel anzufan-
gen: Dieser entdeckte ihm hierauff heimlich die
gantze Sache/ vom Anfange biß zum Ende/ wo-
durch er gantz begütiget ward/ und sich zu seiner
Frauen mit diesen Worten wendete: Jst dieses
nun der treffliche Beweiß Weiblicher Klugheit?
und sind dieses die Früchte deines überklugen An-
schlages/ daß du dich mit sehenden Augen ver-
blenden lassen. Von dieser Weißheit halte ich
nicht viel/ besondern ich würde dich vor viel ge-
scheider achten/ wenn du zu geschehenen Sachen
das beste reden/ und dich klüglich begreiffen wür-
dest/ daß nichts von den Göttern ohngefehr gesche-
he. Zu dem ist auch dieser Mensch unserer Pfle-
ge-Tochter wol würdig/ als welcher ihr am Ge-
schlechte und Stande nichts nachgiebet/ am Ver-

mö-

Anderes Buch.
Fenſter zu eroͤffnen/ wodurch denn der neue Braͤu-
tigam von allen vor den Scandor erkennet und
angeſehen wurde. Hier lag nun der ehrliche
Scandor und wendete ſich mit verliebten Augen
nach ſeiner vertrauten Lorangy/ welche aber vor
groſſem Erſchrecken/ ſo bald ſie ihn recht ange-
ſchauet/ in bloſſem Hemde aus dem Bette ſprang/
und ſich hinter einige Tapeten verſteckete. Haſſa-
na war dermaſſen beſtuͤrtzt/ daß ſie ſich ohn eini-
ges Wortſprechen auff den Stul/ vor welchem
noch ihre Gegenwart zu verſpuͤren war/ nieder-
ſetzte/ und eine geraume Zeit mit ſtarren Augen
ſitzen blieb. Talemon begab ſich zu dem Scan-
dor/ und ſetzte ihn zur Rede/ was ihn bewogen haͤt-
te/ ein ſolches nachtheiliges Gauckelſpiel anzufan-
gen: Dieſer entdeckte ihm hierauff heimlich die
gantze Sache/ vom Anfange biß zum Ende/ wo-
durch er gantz beguͤtiget ward/ und ſich zu ſeiner
Frauen mit dieſen Worten wendete: Jſt dieſes
nun der treffliche Beweiß Weiblicher Klugheit?
und ſind dieſes die Fruͤchte deines uͤberklugen An-
ſchlages/ daß du dich mit ſehenden Augen ver-
blenden laſſen. Von dieſer Weißheit halte ich
nicht viel/ beſondern ich wuͤrde dich vor viel ge-
ſcheider achten/ wenn du zu geſchehenen Sachen
das beſte reden/ und dich kluͤglich begreiffen wuͤr-
deſt/ daß nichts von den Goͤttern ohngefehr geſche-
he. Zu dem iſt auch dieſer Menſch unſerer Pfle-
ge-Tochter wol wuͤrdig/ als welcher ihr am Ge-
ſchlechte und Stande nichts nachgiebet/ am Ver-

moͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0385" n="365"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch.</hi></fw><lb/>
Fen&#x017F;ter zu ero&#x0364;ffnen/ wodurch denn der neue Bra&#x0364;u-<lb/>
tigam von allen vor den Scandor erkennet und<lb/>
ange&#x017F;ehen wurde. Hier lag nun der ehrliche<lb/>
Scandor und wendete &#x017F;ich mit verliebten Augen<lb/>
nach &#x017F;einer vertrauten Lorangy/ welche aber vor<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;em Er&#x017F;chrecken/ &#x017F;o bald &#x017F;ie ihn recht ange-<lb/>
&#x017F;chauet/ in blo&#x017F;&#x017F;em Hemde aus dem Bette &#x017F;prang/<lb/>
und &#x017F;ich hinter einige Tapeten ver&#x017F;teckete. Ha&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
na war derma&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;tu&#x0364;rtzt/ daß &#x017F;ie &#x017F;ich ohn eini-<lb/>
ges Wort&#x017F;prechen auff den Stul/ vor welchem<lb/>
noch ihre Gegenwart zu ver&#x017F;pu&#x0364;ren war/ nieder-<lb/>
&#x017F;etzte/ und eine geraume Zeit mit &#x017F;tarren Augen<lb/>
&#x017F;itzen blieb. Talemon begab &#x017F;ich zu dem Scan-<lb/>
dor/ und &#x017F;etzte ihn zur Rede/ was ihn bewogen ha&#x0364;t-<lb/>
te/ ein &#x017F;olches nachtheiliges Gauckel&#x017F;piel anzufan-<lb/>
gen: Die&#x017F;er entdeckte ihm hierauff heimlich die<lb/>
gantze Sache/ vom Anfange biß zum Ende/ wo-<lb/>
durch er gantz begu&#x0364;tiget ward/ und &#x017F;ich zu &#x017F;einer<lb/>
Frauen mit die&#x017F;en Worten wendete: J&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
nun der treffliche Beweiß Weiblicher Klugheit?<lb/>
und &#x017F;ind die&#x017F;es die Fru&#x0364;chte deines u&#x0364;berklugen An-<lb/>
&#x017F;chlages/ daß du dich mit &#x017F;ehenden Augen ver-<lb/>
blenden la&#x017F;&#x017F;en. Von die&#x017F;er Weißheit halte ich<lb/>
nicht viel/ be&#x017F;ondern ich wu&#x0364;rde dich vor viel ge-<lb/>
&#x017F;cheider achten/ wenn du zu ge&#x017F;chehenen Sachen<lb/>
das be&#x017F;te reden/ und dich klu&#x0364;glich begreiffen wu&#x0364;r-<lb/>
de&#x017F;t/ daß nichts von den Go&#x0364;ttern ohngefehr ge&#x017F;che-<lb/>
he. Zu dem i&#x017F;t auch die&#x017F;er Men&#x017F;ch un&#x017F;erer Pfle-<lb/>
ge-Tochter wol wu&#x0364;rdig/ als welcher ihr am Ge-<lb/>
&#x017F;chlechte und Stande nichts nachgiebet/ am Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0385] Anderes Buch. Fenſter zu eroͤffnen/ wodurch denn der neue Braͤu- tigam von allen vor den Scandor erkennet und angeſehen wurde. Hier lag nun der ehrliche Scandor und wendete ſich mit verliebten Augen nach ſeiner vertrauten Lorangy/ welche aber vor groſſem Erſchrecken/ ſo bald ſie ihn recht ange- ſchauet/ in bloſſem Hemde aus dem Bette ſprang/ und ſich hinter einige Tapeten verſteckete. Haſſa- na war dermaſſen beſtuͤrtzt/ daß ſie ſich ohn eini- ges Wortſprechen auff den Stul/ vor welchem noch ihre Gegenwart zu verſpuͤren war/ nieder- ſetzte/ und eine geraume Zeit mit ſtarren Augen ſitzen blieb. Talemon begab ſich zu dem Scan- dor/ und ſetzte ihn zur Rede/ was ihn bewogen haͤt- te/ ein ſolches nachtheiliges Gauckelſpiel anzufan- gen: Dieſer entdeckte ihm hierauff heimlich die gantze Sache/ vom Anfange biß zum Ende/ wo- durch er gantz beguͤtiget ward/ und ſich zu ſeiner Frauen mit dieſen Worten wendete: Jſt dieſes nun der treffliche Beweiß Weiblicher Klugheit? und ſind dieſes die Fruͤchte deines uͤberklugen An- ſchlages/ daß du dich mit ſehenden Augen ver- blenden laſſen. Von dieſer Weißheit halte ich nicht viel/ beſondern ich wuͤrde dich vor viel ge- ſcheider achten/ wenn du zu geſchehenen Sachen das beſte reden/ und dich kluͤglich begreiffen wuͤr- deſt/ daß nichts von den Goͤttern ohngefehr geſche- he. Zu dem iſt auch dieſer Menſch unſerer Pfle- ge-Tochter wol wuͤrdig/ als welcher ihr am Ge- ſchlechte und Stande nichts nachgiebet/ am Ver- moͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/385
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/385>, abgerufen am 24.11.2024.