Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
stellete sich über ihre Gewonheit sehr freundlich
an; ob sie gleich sonsten/ als des Talemos vierdte
Ehefrau/ durch steten Wider-Sinn ihrem alten
Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es sey
nichts gefährlicher/ als eine offt wiederholte Ehe;
weil man nothwendig sich einmal verbrennen
müsse: wann man die Flamme zu offte versuchen
wil. Lorangy ließ sich hingegen den ersten An-
blick des Printzen dermassen entzünden: daß man
die Buchstaben der Liebe gantz deutlich in ihren
Augen lesen kunte. Aller massen sie sich sehr ge-
schäfftiget um den Printzen erwiese/ und sich an-
genehm zu machen/ der gestalt bemühete/ daß es
dem Printzen leicht war/ etwas mehrers/ als eine
häußliche Auffwartung daraus abzunehmen.
Sie war sonst von gemeiner Schönheit/ mehr
lang und starck/ als wol gewachsen/ blasser Far-
be/ verliebter Augen/ etwa 24. Jahr alt/ und end-
lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wür-
dig: Ausser/ daß man einigen Mangel/ des sonst
dem Frauen-Zimmer anständigen Verstandes/
an ihr verspührte: indem sie die Flammen ihrer
Begierde durchaus nicht verbergen/ noch sich in
allzu hefftiger Liebes-Bezeugung mäßigen kunte.
Und solches ließ sie auch hier dermassen mercken:
daß es schiene/ als ob sie durch des Printzen Ge-
stalt gantz bezaubert wäre. Dennoch aber ließ
sie hierinnen einen Funcken ihres Verstandes/ in
Urtheilen der Liebe/ so weit blicken/ wenn man
saget/ daß sie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirret

habe.

Der Aſiatiſchen Baniſe.
ſtellete ſich uͤber ihre Gewonheit ſehr freundlich
an; ob ſie gleich ſonſten/ als des Talemos vierdte
Ehefrau/ durch ſteten Wider-Sinn ihrem alten
Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es ſey
nichts gefaͤhrlicher/ als eine offt wiederholte Ehe;
weil man nothwendig ſich einmal verbrennen
muͤſſe: wann man die Flamme zu offte verſuchen
wil. Lorangy ließ ſich hingegen den erſten An-
blick des Printzen dermaſſen entzuͤnden: daß man
die Buchſtaben der Liebe gantz deutlich in ihren
Augen leſen kunte. Aller maſſen ſie ſich ſehr ge-
ſchaͤfftiget um den Printzen erwieſe/ und ſich an-
genehm zu machen/ der geſtalt bemuͤhete/ daß es
dem Printzen leicht war/ etwas mehrers/ als eine
haͤußliche Auffwartung daraus abzunehmen.
Sie war ſonſt von gemeiner Schoͤnheit/ mehr
lang und ſtarck/ als wol gewachſen/ blaſſer Far-
be/ verliebter Augen/ etwa 24. Jahr alt/ und end-
lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wuͤr-
dig: Auſſer/ daß man einigen Mangel/ des ſonſt
dem Frauen-Zimmer anſtaͤndigen Verſtandes/
an ihr verſpuͤhrte: indem ſie die Flammen ihrer
Begierde durchaus nicht verbergen/ noch ſich in
allzu hefftiger Liebes-Bezeugung maͤßigen kunte.
Und ſolches ließ ſie auch hier dermaſſen mercken:
daß es ſchiene/ als ob ſie durch des Printzen Ge-
ſtalt gantz bezaubert waͤre. Dennoch aber ließ
ſie hierinnen einen Funcken ihres Verſtandes/ in
Urtheilen der Liebe/ ſo weit blicken/ wenn man
ſaget/ daß ſie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirret

habe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tellete &#x017F;ich u&#x0364;ber ihre Gewonheit &#x017F;ehr freundlich<lb/>
an; ob &#x017F;ie gleich &#x017F;on&#x017F;ten/ als des Talemos vierdte<lb/>
Ehefrau/ durch &#x017F;teten Wider-Sinn ihrem alten<lb/>
Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es &#x017F;ey<lb/>
nichts gefa&#x0364;hrlicher/ als eine offt wiederholte Ehe;<lb/>
weil man nothwendig &#x017F;ich einmal verbrennen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e: wann man die Flamme zu offte ver&#x017F;uchen<lb/>
wil. Lorangy ließ &#x017F;ich hingegen den er&#x017F;ten An-<lb/>
blick des Printzen derma&#x017F;&#x017F;en entzu&#x0364;nden: daß man<lb/>
die Buch&#x017F;taben der Liebe gantz deutlich in ihren<lb/>
Augen le&#x017F;en kunte. Aller ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;ehr ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fftiget um den Printzen erwie&#x017F;e/ und &#x017F;ich an-<lb/>
genehm zu machen/ der ge&#x017F;talt bemu&#x0364;hete/ daß es<lb/>
dem Printzen leicht war/ etwas mehrers/ als eine<lb/>
ha&#x0364;ußliche Auffwartung daraus abzunehmen.<lb/>
Sie war &#x017F;on&#x017F;t von gemeiner Scho&#x0364;nheit/ mehr<lb/>
lang und &#x017F;tarck/ als wol gewach&#x017F;en/ bla&#x017F;&#x017F;er Far-<lb/>
be/ verliebter Augen/ etwa 24. Jahr alt/ und end-<lb/>
lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wu&#x0364;r-<lb/>
dig: Au&#x017F;&#x017F;er/ daß man einigen Mangel/ des &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
dem Frauen-Zimmer an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ver&#x017F;tandes/<lb/>
an ihr ver&#x017F;pu&#x0364;hrte: indem &#x017F;ie die Flammen ihrer<lb/>
Begierde durchaus nicht verbergen/ noch &#x017F;ich in<lb/>
allzu hefftiger Liebes-Bezeugung ma&#x0364;ßigen kunte.<lb/>
Und &#x017F;olches ließ &#x017F;ie auch hier derma&#x017F;&#x017F;en mercken:<lb/>
daß es &#x017F;chiene/ als ob &#x017F;ie durch des Printzen Ge-<lb/>
&#x017F;talt gantz bezaubert wa&#x0364;re. Dennoch aber ließ<lb/>
&#x017F;ie hierinnen einen Funcken ihres Ver&#x017F;tandes/ in<lb/>
Urtheilen der Liebe/ &#x017F;o weit blicken/ wenn man<lb/>
&#x017F;aget/ daß &#x017F;ie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirret<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">habe.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0042] Der Aſiatiſchen Baniſe. ſtellete ſich uͤber ihre Gewonheit ſehr freundlich an; ob ſie gleich ſonſten/ als des Talemos vierdte Ehefrau/ durch ſteten Wider-Sinn ihrem alten Ehe-Herrn die allgemeine Lehre gab: Es ſey nichts gefaͤhrlicher/ als eine offt wiederholte Ehe; weil man nothwendig ſich einmal verbrennen muͤſſe: wann man die Flamme zu offte verſuchen wil. Lorangy ließ ſich hingegen den erſten An- blick des Printzen dermaſſen entzuͤnden: daß man die Buchſtaben der Liebe gantz deutlich in ihren Augen leſen kunte. Aller maſſen ſie ſich ſehr ge- ſchaͤfftiget um den Printzen erwieſe/ und ſich an- genehm zu machen/ der geſtalt bemuͤhete/ daß es dem Printzen leicht war/ etwas mehrers/ als eine haͤußliche Auffwartung daraus abzunehmen. Sie war ſonſt von gemeiner Schoͤnheit/ mehr lang und ſtarck/ als wol gewachſen/ blaſſer Far- be/ verliebter Augen/ etwa 24. Jahr alt/ und end- lich einer Standesgleichen Liebe noch wol wuͤr- dig: Auſſer/ daß man einigen Mangel/ des ſonſt dem Frauen-Zimmer anſtaͤndigen Verſtandes/ an ihr verſpuͤhrte: indem ſie die Flammen ihrer Begierde durchaus nicht verbergen/ noch ſich in allzu hefftiger Liebes-Bezeugung maͤßigen kunte. Und ſolches ließ ſie auch hier dermaſſen mercken: daß es ſchiene/ als ob ſie durch des Printzen Ge- ſtalt gantz bezaubert waͤre. Dennoch aber ließ ſie hierinnen einen Funcken ihres Verſtandes/ in Urtheilen der Liebe/ ſo weit blicken/ wenn man ſaget/ daß ſie in der Wahl ihrer Liebe nicht geirret habe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/42
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/42>, abgerufen am 21.11.2024.