Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Erstes Buch. habe. Denn/ zu geschweigen des hohen und ihrunbewusten Standes/ so war er eine wolgewach- sene/ mehr lang als kurtze Person. Sein Haupt war mit Castanien-braunen/ und von der Natur gelockten Haaren umgeben. Er hatte schöne grosse und graulicht-blaue Augen/ woraus nichts als Anmuth und ein hoher Verstand blitzte. Dem schönen/ wiewol itzt etwas blassen Munde/ stund ein freundliches Lachen und Reden über die massen wol an; und aus der wol gestalten/ in der Mitten etwas erhabenen Nase/ kunte man dessen Großmütigkeit erkennen. Seine freye und un- gezwungene Anständigkeit der Geberden/ wolte immer seines Standes Verräther seyn. Jn Summa: Leib/ Verstand und Gemüthe war mit einer solchen Vollkommenheit begabet/ daß seine Person die Abbildung eines vollständigen Printzens sattsam vorstellen kunte. Jn solche Leibes- und Gemüths-Gaben war nun Lorangy nicht unbillig verliebt/ und hatte hierinnen mit einer Princeßin etwas gemeines/ daß sie gleichfalls ihre Liebe/ wiewol mit Unterscheid des Jrrthums/ einem Printzen wiedmen wolte. Die- ser Jrrthum verleitete sie so weit/ daß sie/ ihre Auf- wartsamkeit zu bezeugen/ durch öffters zu rechte Ziehen des Hauptküssens sich dermassen zu ihm bückte/ daß es schiene/ als ob sie ihre Lippen auff des Printzen Mund legen/ und ihn gar küssen wol- te. Allein der Printz/ welcher das Kleinod belieb- ter Keuschheit seiner Tugend-Crone angehefftet/ und B 4
Erſtes Buch. habe. Denn/ zu geſchweigen des hohen und ihrunbewuſten Standes/ ſo war er eine wolgewach- ſene/ mehr lang als kurtze Perſon. Sein Haupt war mit Caſtanien-braunen/ und von der Natur gelockten Haaren umgeben. Er hatte ſchoͤne groſſe und graulicht-blaue Augen/ woraus nichts als Anmuth und ein hoher Verſtand blitzte. Dem ſchoͤnen/ wiewol itzt etwas blaſſen Munde/ ſtund ein freundliches Lachen und Reden uͤber die maſſen wol an; und aus der wol geſtalten/ in der Mitten etwas erhabenen Naſe/ kunte man deſſen Großmuͤtigkeit erkennen. Seine freye und un- gezwungene Anſtaͤndigkeit der Geberden/ wolte immer ſeines Standes Verraͤther ſeyn. Jn Summa: Leib/ Verſtand und Gemuͤthe war mit einer ſolchen Vollkommenheit begabet/ daß ſeine Perſon die Abbildung eines vollſtaͤndigen Printzens ſattſam vorſtellen kunte. Jn ſolche Leibes- und Gemuͤths-Gaben war nun Lorangy nicht unbillig verliebt/ und hatte hierinnen mit einer Princeßin etwas gemeines/ daß ſie gleichfalls ihre Liebe/ wiewol mit Unterſcheid des Jrrthums/ einem Printzen wiedmen wolte. Die- ſer Jrrthum verleitete ſie ſo weit/ daß ſie/ ihre Auf- wartſamkeit zu bezeugen/ durch oͤffters zu rechte Ziehen des Hauptkuͤſſens ſich dermaſſen zu ihm buͤckte/ daß es ſchiene/ als ob ſie ihre Lippen auff des Printzen Mund legen/ und ihn gar kuͤſſen wol- te. Allein der Printz/ welcher das Kleinod belieb- ter Keuſchheit ſeiner Tugend-Crone angehefftet/ und B 4
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Erſtes Buch.
habe. Denn/ zu geſchweigen des hohen und ihr
unbewuſten Standes/ ſo war er eine wolgewach-
ſene/ mehr lang als kurtze Perſon. Sein Haupt
war mit Caſtanien-braunen/ und von der Natur
gelockten Haaren umgeben. Er hatte ſchoͤne
groſſe und graulicht-blaue Augen/ woraus nichts
als Anmuth und ein hoher Verſtand blitzte.
Dem ſchoͤnen/ wiewol itzt etwas blaſſen Munde/
ſtund ein freundliches Lachen und Reden uͤber die
maſſen wol an; und aus der wol geſtalten/ in der
Mitten etwas erhabenen Naſe/ kunte man deſſen
Großmuͤtigkeit erkennen. Seine freye und un-
gezwungene Anſtaͤndigkeit der Geberden/ wolte
immer ſeines Standes Verraͤther ſeyn. Jn
Summa: Leib/ Verſtand und Gemuͤthe war
mit einer ſolchen Vollkommenheit begabet/ daß
ſeine Perſon die Abbildung eines vollſtaͤndigen
Printzens ſattſam vorſtellen kunte. Jn ſolche
Leibes- und Gemuͤths-Gaben war nun Lorangy
nicht unbillig verliebt/ und hatte hierinnen
mit einer Princeßin etwas gemeines/ daß ſie
gleichfalls ihre Liebe/ wiewol mit Unterſcheid des
Jrrthums/ einem Printzen wiedmen wolte. Die-
ſer Jrrthum verleitete ſie ſo weit/ daß ſie/ ihre Auf-
wartſamkeit zu bezeugen/ durch oͤffters zu rechte
Ziehen des Hauptkuͤſſens ſich dermaſſen zu ihm
buͤckte/ daß es ſchiene/ als ob ſie ihre Lippen auff
des Printzen Mund legen/ und ihn gar kuͤſſen wol-
te. Allein der Printz/ welcher das Kleinod belieb-
ter Keuſchheit ſeiner Tugend-Crone angehefftet/
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