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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
Sie lebet/ und zwar in vermeyntem Wolstande/
allein der geringste Zeit-Verlust kan sie unglück-
lich machen. Dieser Brieff von ihrer Hand
wird meinen Worten nöthige Erklärung thun.
Womit er den von der Princeßin anvertrauten
Brieff ehrerbietigst überreichte. So bald er nun
aus der Uberschrifft seiner Princeßin wahre
Schreib-Art erkennete/ küssete ersolche Zeilen in-
brünstig/ und sagte: Ach angenehmste Zeilen/ de-
ren Schrifft nicht irrdische Augen/ sondern Son-
nen zu lesen würdig sind. Dieses Pfand bekräff-
tiget/ was mir der güldene Ponnedro gesaget hat.
Wohlan/ es sey gewaget/ ich erbreche den Brieff/
um bey diesem Zucker der Galle nicht zu entwoh-
nen. Worauff er das Siegel eröffnete/ und
folgende Worte darauß laß:

Werthester Printz!

DEssen nahe Gegenwart ist die Ursache mei-
nes Lebens/ ausser welcher ich bereits die
Grufft erkieset hätte. Jndessen bin ich vergnü-
get/ wenn mein Englischer Printz in solchem Zu-
stande lebet/ wie es meine Wolfarth erfordert/ ob
mich gleich die eiserne Hand des wilden Unglücks
fast erdrücken wil. Wo mich vor Verlauff des
vierdten Tages eine kluge Hand befreyet/ so werde
ich erweisen können/ wie kein Unglück die Pfeiler
der Liebe einzuäschern vermocht habe. Ausser
diesem werde ich zwar sterben/ iedoch eine unbe-
fleckte Seele und unverbrüchliche Treue mit ins
Grab nehmen. Lebet wohl/ und errettet diejeni-

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C c 2

Anderes Buch.
Sie lebet/ und zwar in vermeyntem Wolſtande/
allein der geringſte Zeit-Verluſt kan ſie ungluͤck-
lich machen. Dieſer Brieff von ihrer Hand
wird meinen Worten noͤthige Erklaͤrung thun.
Womit er den von der Princeßin anvertrauten
Brieff ehrerbietigſt uͤberreichte. So bald er nun
aus der Uberſchrifft ſeiner Princeßin wahre
Schreib-Art erkennete/ kuͤſſete erſolche Zeilen in-
bruͤnſtig/ und ſagte: Ach angenehmſte Zeilen/ de-
ren Schrifft nicht irrdiſche Augen/ ſondern Son-
nen zu leſen wuͤrdig ſind. Dieſes Pfand bekraͤff-
tiget/ was mir der guͤldene Ponnedro geſaget hat.
Wohlan/ es ſey gewaget/ ich erbreche den Brieff/
um bey dieſem Zucker der Galle nicht zu entwoh-
nen. Worauff er das Siegel eroͤffnete/ und
folgende Worte darauß laß:

Wertheſter Printz!

DEſſen nahe Gegenwart iſt die Urſache mei-
nes Lebens/ auſſer welcher ich bereits die
Grufft erkieſet haͤtte. Jndeſſen bin ich vergnuͤ-
get/ wenn mein Engliſcher Printz in ſolchem Zu-
ſtande lebet/ wie es meine Wolfarth erfordert/ ob
mich gleich die eiſerne Hand des wilden Ungluͤcks
faſt erdruͤcken wil. Wo mich vor Verlauff des
vierdten Tages eine kluge Hand befreyet/ ſo werde
ich erweiſen koͤnnen/ wie kein Ungluͤck die Pfeiler
der Liebe einzuaͤſchern vermocht habe. Auſſer
dieſem werde ich zwar ſterben/ iedoch eine unbe-
fleckte Seele und unverbruͤchliche Treue mit ins
Grab nehmen. Lebet wohl/ und errettet diejeni-

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[403/0423] Anderes Buch. Sie lebet/ und zwar in vermeyntem Wolſtande/ allein der geringſte Zeit-Verluſt kan ſie ungluͤck- lich machen. Dieſer Brieff von ihrer Hand wird meinen Worten noͤthige Erklaͤrung thun. Womit er den von der Princeßin anvertrauten Brieff ehrerbietigſt uͤberreichte. So bald er nun aus der Uberſchrifft ſeiner Princeßin wahre Schreib-Art erkennete/ kuͤſſete erſolche Zeilen in- bruͤnſtig/ und ſagte: Ach angenehmſte Zeilen/ de- ren Schrifft nicht irrdiſche Augen/ ſondern Son- nen zu leſen wuͤrdig ſind. Dieſes Pfand bekraͤff- tiget/ was mir der guͤldene Ponnedro geſaget hat. Wohlan/ es ſey gewaget/ ich erbreche den Brieff/ um bey dieſem Zucker der Galle nicht zu entwoh- nen. Worauff er das Siegel eroͤffnete/ und folgende Worte darauß laß: Wertheſter Printz! DEſſen nahe Gegenwart iſt die Urſache mei- nes Lebens/ auſſer welcher ich bereits die Grufft erkieſet haͤtte. Jndeſſen bin ich vergnuͤ- get/ wenn mein Engliſcher Printz in ſolchem Zu- ſtande lebet/ wie es meine Wolfarth erfordert/ ob mich gleich die eiſerne Hand des wilden Ungluͤcks faſt erdruͤcken wil. Wo mich vor Verlauff des vierdten Tages eine kluge Hand befreyet/ ſo werde ich erweiſen koͤnnen/ wie kein Ungluͤck die Pfeiler der Liebe einzuaͤſchern vermocht habe. Auſſer dieſem werde ich zwar ſterben/ iedoch eine unbe- fleckte Seele und unverbruͤchliche Treue mit ins Grab nehmen. Lebet wohl/ und errettet diejeni- ge/ C c 2

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/423>, abgerufen am 22.11.2024.