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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
und ist doch ein unbegreifliches Wesen. Jch weiß
auch gar wohl/ daß sich die Liebe durch Klugheit
nicht binden lasse. Denn ein Vogel siehet den
Leim/ und die Mücke das Liecht/ dennoch läßt sich
jener kirren/ und diese verbrennet sich selber/ das
schnelle Rehe schauet das Garn/ und der Schiffer
kennet die Fahrt der Ancker-losen See: Doch
kan jenes das Sehen nicht klug/ noch diesen die
Gefahr verzagt machen. So rennet auch der/
der da liebet/ sichtbar in das Verderben/ indem er
nur zwey Hafen vor sich siehet/ entweder die Wol-
lust oder den Tod. Wie nun diesen zu meiden/
jene allerdings zu fliehen ist/ also sichere/ daß nichts
mehr schädlich/ als die Wollust den Gemüthern.
Gegen die geharnischten Armeen darff sich unser
Alter nicht so auff Gegenwehr gefast machen/ als
gegen die Wollust/ welche uns in ihr Garn zu lo-
cken/ mit sussen Körnern streuet. Sie wincket
uns mit Engel-Augen/ und gewähret uns den
Abgrund der Höllen. Wer nun sothane Wollust
überwindet/ der thut mehr/ als wer seinen Feind
in den Sieges-Wagen einspannet indem Her-
cules eine weit grössere Helden-That begienge/
da er beym Scheide-Wege die Tugend erwehle-
te/ und die Wollust verließ/ als er an Riesen/
Schlangen und Löwen erwiesen hat. Nun diese
Tugend müssen auch J. Majest. erkiesen/ wo sie
ihren Nahmen dem Sonnen-Zirckel wollen ein-
verleibet wissen. Eine Hand voll Ehre überwie-
get tausend Centner Wollust. Sie lassen diese

Schön-
F f 3

Anderes Buch.
und iſt doch ein unbegreifliches Weſen. Jch weiß
auch gar wohl/ daß ſich die Liebe durch Klugheit
nicht binden laſſe. Denn ein Vogel ſiehet den
Leim/ und die Muͤcke das Liecht/ dennoch laͤßt ſich
jener kirren/ und dieſe verbrennet ſich ſelber/ das
ſchnelle Rehe ſchauet das Garn/ und der Schiffer
kennet die Fahrt der Ancker-loſen See: Doch
kan jenes das Sehen nicht klug/ noch dieſen die
Gefahr verzagt machen. So rennet auch der/
der da liebet/ ſichtbar in das Verderben/ indem er
nur zwey Hafen vor ſich ſiehet/ entweder die Wol-
luſt oder den Tod. Wie nun dieſen zu meiden/
jene allerdings zu fliehen iſt/ alſo ſichere/ daß nichts
mehr ſchaͤdlich/ als die Wolluſt den Gemuͤthern.
Gegen die geharniſchten Armeen darff ſich unſer
Alter nicht ſo auff Gegenwehr gefaſt machen/ als
gegen die Wolluſt/ welche uns in ihr Garn zu lo-
cken/ mit ſuſſen Koͤrnern ſtreuet. Sie wincket
uns mit Engel-Augen/ und gewaͤhret uns den
Abgrund der Hoͤllen. Wer nun ſothane Wolluſt
uͤberwindet/ der thut mehr/ als wer ſeinen Feind
in den Sieges-Wagen einſpannet indem Her-
cules eine weit groͤſſere Helden-That begienge/
da er beym Scheide-Wege die Tugend erwehle-
te/ und die Wolluſt verließ/ als er an Rieſen/
Schlangen und Loͤwen erwieſen hat. Nun dieſe
Tugend muͤſſen auch J. Majeſt. erkieſen/ wo ſie
ihren Nahmen dem Sonnen-Zirckel wollen ein-
verleibet wiſſen. Eine Hand voll Ehre uͤberwie-
get tauſend Centner Wolluſt. Sie laſſen dieſe

Schoͤn-
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[453/0473] Anderes Buch. und iſt doch ein unbegreifliches Weſen. Jch weiß auch gar wohl/ daß ſich die Liebe durch Klugheit nicht binden laſſe. Denn ein Vogel ſiehet den Leim/ und die Muͤcke das Liecht/ dennoch laͤßt ſich jener kirren/ und dieſe verbrennet ſich ſelber/ das ſchnelle Rehe ſchauet das Garn/ und der Schiffer kennet die Fahrt der Ancker-loſen See: Doch kan jenes das Sehen nicht klug/ noch dieſen die Gefahr verzagt machen. So rennet auch der/ der da liebet/ ſichtbar in das Verderben/ indem er nur zwey Hafen vor ſich ſiehet/ entweder die Wol- luſt oder den Tod. Wie nun dieſen zu meiden/ jene allerdings zu fliehen iſt/ alſo ſichere/ daß nichts mehr ſchaͤdlich/ als die Wolluſt den Gemuͤthern. Gegen die geharniſchten Armeen darff ſich unſer Alter nicht ſo auff Gegenwehr gefaſt machen/ als gegen die Wolluſt/ welche uns in ihr Garn zu lo- cken/ mit ſuſſen Koͤrnern ſtreuet. Sie wincket uns mit Engel-Augen/ und gewaͤhret uns den Abgrund der Hoͤllen. Wer nun ſothane Wolluſt uͤberwindet/ der thut mehr/ als wer ſeinen Feind in den Sieges-Wagen einſpannet indem Her- cules eine weit groͤſſere Helden-That begienge/ da er beym Scheide-Wege die Tugend erwehle- te/ und die Wolluſt verließ/ als er an Rieſen/ Schlangen und Loͤwen erwieſen hat. Nun dieſe Tugend muͤſſen auch J. Majeſt. erkieſen/ wo ſie ihren Nahmen dem Sonnen-Zirckel wollen ein- verleibet wiſſen. Eine Hand voll Ehre uͤberwie- get tauſend Centner Wolluſt. Sie laſſen dieſe Schoͤn- F f 3

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/473>, abgerufen am 29.06.2024.