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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
Tugend begrube/ denn die Tugend kan uns nur
vergöttern/ und so lange ich diese im Hertzen füh-
le/ ist mir Thron und Krohn verhaßt. Ja wenn
uns auch/ bemühte sich der Rolim ferner/ ausser
diesem unsere Freyheit und Leben erlaubet würde/
daß wir unser Leben in stiller Einsamkeit zubrin-
gen/ und nicht vielmehr Marter und Tod/ welches
der Käyser dräuet/ ausstehen dürfften. Auch
dieser/ versetzte Banise/ jaget mir keinen Schrecken
ein/ denn die Eigenschafft der Tugend gleicht den
Palmen/ welche durch die unterdrückende Last
nur desto kräfftiger werden. Sturm/ Unglück
und Hertzeleid ist die beste Lust der Tugend/ Angst
ist ihre Mutter/ und Elend ihre Amme. Ja alle
ihr Schmuck bestehet|in Thränen/ Blut und
Asche. Es schneide und brenne der Tyranne/
wie er wil/ so werde ich doch durch Stahl und Feu-
er so rein als Gold und Diamant werden. Jch
muß ihren Engel-hohen Sinn rühmen/ erwieder-
te der Rolim/ und mich über dero Standhafftig-
keit verwundern. Allein je höher ich solches schä-
tze und rühme: ie grössers Mitleiden muß ich mit
dero Untergang haben. Jhre Tugend muß ein
Rolim loben/ und dero Schönheit ein Käyser lie-
ben: So erbarme sie sich doch über sich selbst/
und lösche nicht selbst die herrliche Fackel ihres Le-
bens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht
gantz Asien einer solchen Schönheit/ womit die
übrigen Theile der Welt schwerlich prangen kön-
nen. Sie rathe sich selbst/ und zähme den Löwen

durch

Anderes Buch.
Tugend begrube/ denn die Tugend kan uns nur
vergoͤttern/ und ſo lange ich dieſe im Hertzen fuͤh-
le/ iſt mir Thron und Krohn verhaßt. Ja wenn
uns auch/ bemuͤhte ſich der Rolim ferner/ auſſer
dieſem unſere Freyheit und Leben erlaubet wuͤrde/
daß wir unſer Leben in ſtiller Einſamkeit zubrin-
gen/ und nicht vielmehr Marter und Tod/ welches
der Kaͤyſer draͤuet/ ausſtehen duͤrfften. Auch
dieſer/ verſetzte Baniſe/ jaget mir keinen Schrecken
ein/ denn die Eigenſchafft der Tugend gleicht den
Palmen/ welche durch die unterdruͤckende Laſt
nur deſto kraͤfftiger werden. Sturm/ Ungluͤck
und Hertzeleid iſt die beſte Luſt der Tugend/ Angſt
iſt ihre Mutter/ und Elend ihre Amme. Ja alle
ihr Schmuck beſtehet|in Thraͤnen/ Blut und
Aſche. Es ſchneide und brenne der Tyranne/
wie er wil/ ſo werde ich doch durch Stahl und Feu-
er ſo rein als Gold und Diamant werden. Jch
muß ihren Engel-hohen Sinn ruͤhmen/ erwieder-
te der Rolim/ und mich uͤber dero Standhafftig-
keit verwundern. Allein je hoͤher ich ſolches ſchaͤ-
tze und ruͤhme: ie groͤſſers Mitleiden muß ich mit
dero Untergang haben. Jhre Tugend muß ein
Rolim loben/ und dero Schoͤnheit ein Kaͤyſer lie-
ben: So erbarme ſie ſich doch uͤber ſich ſelbſt/
und loͤſche nicht ſelbſt die herrliche Fackel ihres Le-
bens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht
gantz Aſien einer ſolchen Schoͤnheit/ womit die
uͤbrigen Theile der Welt ſchwerlich prangen koͤn-
nen. Sie rathe ſich ſelbſt/ und zaͤhme den Loͤwen

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[459/0479] Anderes Buch. Tugend begrube/ denn die Tugend kan uns nur vergoͤttern/ und ſo lange ich dieſe im Hertzen fuͤh- le/ iſt mir Thron und Krohn verhaßt. Ja wenn uns auch/ bemuͤhte ſich der Rolim ferner/ auſſer dieſem unſere Freyheit und Leben erlaubet wuͤrde/ daß wir unſer Leben in ſtiller Einſamkeit zubrin- gen/ und nicht vielmehr Marter und Tod/ welches der Kaͤyſer draͤuet/ ausſtehen duͤrfften. Auch dieſer/ verſetzte Baniſe/ jaget mir keinen Schrecken ein/ denn die Eigenſchafft der Tugend gleicht den Palmen/ welche durch die unterdruͤckende Laſt nur deſto kraͤfftiger werden. Sturm/ Ungluͤck und Hertzeleid iſt die beſte Luſt der Tugend/ Angſt iſt ihre Mutter/ und Elend ihre Amme. Ja alle ihr Schmuck beſtehet|in Thraͤnen/ Blut und Aſche. Es ſchneide und brenne der Tyranne/ wie er wil/ ſo werde ich doch durch Stahl und Feu- er ſo rein als Gold und Diamant werden. Jch muß ihren Engel-hohen Sinn ruͤhmen/ erwieder- te der Rolim/ und mich uͤber dero Standhafftig- keit verwundern. Allein je hoͤher ich ſolches ſchaͤ- tze und ruͤhme: ie groͤſſers Mitleiden muß ich mit dero Untergang haben. Jhre Tugend muß ein Rolim loben/ und dero Schoͤnheit ein Kaͤyſer lie- ben: So erbarme ſie ſich doch uͤber ſich ſelbſt/ und loͤſche nicht ſelbſt die herrliche Fackel ihres Le- bens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht gantz Aſien einer ſolchen Schoͤnheit/ womit die uͤbrigen Theile der Welt ſchwerlich prangen koͤn- nen. Sie rathe ſich ſelbſt/ und zaͤhme den Loͤwen durch

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/479>, abgerufen am 28.09.2024.