Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
sanfften Worten von diesem gefährlichen/ und
theils verhasseten Vorsatz ableiten solte: doch/ in
Betrachtung/ daß sein Vorbringen nicht so gar
übel gegründet/ und er sich gleichwohl um ihrent
willen in solche Gefahr des Lebens begeben hatte/
erachtete sie es vorbillicher zu seyn/ ihn mit freund-
lichen Worten ab zumahnen/ dahero sie zu ihm
sagte: Mein Printz von Tangu! Wo ich mich
nicht einiger Undanckbarkeit schuldig erkennen
wil/ so muß ichs gestehen/ daß ich euch nicht wenig
verpflichtet bin/ indem ihr auch mit Gefahr eures
Lebens und Hindansetzung eures Reichs so treu-
lich auf meine Freyheit bedacht seyd. Nachdem
aber die Götter schon einmal ihr Mißfallen über
selbst genommener Freyheit erwiesen/ und mich
dadurch angemahnet/ ihrer rechten Hülffe zu er-
warten: als bin ich des festen Entschlusses/ denen
Göttern gehorsame Folge zu leisten/ und mich so
lange in dem Kercker zu schmiegen/ biß sie mir
selbst Thor und Riegel eröffnen/ und mir die gül-
dene Crone der Freyheit auffsetzen werden. Za-
rang/ welcher sich nichts weniger/ als dieser Wei-
gerung versehen/ erstaunte gantz hierüber/ und
wolte durch scharffes Ansehen ihren Ernst oder
Schertz erkundigen. Als er aber in ihrem un-
veränderten Angesichte lauter Ernst verspürte/
kunte er sich nicht enthalten/ sie ferner zu der
Flucht zu bereden.

Wie? Schönste Banise sagte er! ist dieses
möglich/ daß von einer freygebornen Seelen ein

be-

Der Aſiatiſchen Baniſe.
ſanfften Worten von dieſem gefaͤhrlichen/ und
theils verhaſſeten Vorſatz ableiten ſolte: doch/ in
Betrachtung/ daß ſein Vorbringen nicht ſo gar
uͤbel gegruͤndet/ und er ſich gleichwohl um ihrent
willen in ſolche Gefahr des Lebens begeben hatte/
erachtete ſie es vorbillicher zu ſeyn/ ihn mit freund-
lichen Worten ab zumahnen/ dahero ſie zu ihm
ſagte: Mein Printz von Tangu! Wo ich mich
nicht einiger Undanckbarkeit ſchuldig erkennen
wil/ ſo muß ichs geſtehen/ daß ich euch nicht wenig
verpflichtet bin/ indem ihr auch mit Gefahr eures
Lebens und Hindanſetzung eures Reichs ſo treu-
lich auf meine Freyheit bedacht ſeyd. Nachdem
aber die Goͤtter ſchon einmal ihr Mißfallen uͤber
ſelbſt genommener Freyheit erwieſen/ und mich
dadurch angemahnet/ ihrer rechten Huͤlffe zu er-
warten: als bin ich des feſten Entſchluſſes/ denen
Goͤttern gehorſame Folge zu leiſten/ und mich ſo
lange in dem Kercker zu ſchmiegen/ biß ſie mir
ſelbſt Thor und Riegel eroͤffnen/ und mir die guͤl-
dene Crone der Freyheit auffſetzen werden. Za-
rang/ welcher ſich nichts weniger/ als dieſer Wei-
gerung verſehen/ erſtaunte gantz hieruͤber/ und
wolte durch ſcharffes Anſehen ihren Ernſt oder
Schertz erkundigen. Als er aber in ihrem un-
veraͤnderten Angeſichte lauter Ernſt verſpuͤrte/
kunte er ſich nicht enthalten/ ſie ferner zu der
Flucht zu bereden.

Wie? Schoͤnſte Baniſe ſagte er! iſt dieſes
moͤglich/ daß von einer freygebornen Seelen ein

be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0540" n="520"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
&#x017F;anfften Worten von die&#x017F;em gefa&#x0364;hrlichen/ und<lb/>
theils verha&#x017F;&#x017F;eten Vor&#x017F;atz ableiten &#x017F;olte: doch/ in<lb/>
Betrachtung/ daß &#x017F;ein Vorbringen nicht &#x017F;o gar<lb/>
u&#x0364;bel gegru&#x0364;ndet/ und er &#x017F;ich gleichwohl um ihrent<lb/>
willen in &#x017F;olche Gefahr des Lebens begeben hatte/<lb/>
erachtete &#x017F;ie es vorbillicher zu &#x017F;eyn/ ihn mit freund-<lb/>
lichen Worten ab zumahnen/ dahero &#x017F;ie zu ihm<lb/>
&#x017F;agte: Mein Printz von Tangu! Wo ich mich<lb/>
nicht einiger Undanckbarkeit &#x017F;chuldig erkennen<lb/>
wil/ &#x017F;o muß ichs ge&#x017F;tehen/ daß ich euch nicht wenig<lb/>
verpflichtet bin/ indem ihr auch mit Gefahr eures<lb/>
Lebens und Hindan&#x017F;etzung eures Reichs &#x017F;o treu-<lb/>
lich auf meine Freyheit bedacht &#x017F;eyd. Nachdem<lb/>
aber die Go&#x0364;tter &#x017F;chon einmal ihr Mißfallen u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t genommener Freyheit erwie&#x017F;en/ und mich<lb/>
dadurch angemahnet/ ihrer rechten Hu&#x0364;lffe zu er-<lb/>
warten: als bin ich des fe&#x017F;ten Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es/ denen<lb/>
Go&#x0364;ttern gehor&#x017F;ame Folge zu lei&#x017F;ten/ und mich &#x017F;o<lb/>
lange in dem Kercker zu &#x017F;chmiegen/ biß &#x017F;ie mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Thor und Riegel ero&#x0364;ffnen/ und mir die gu&#x0364;l-<lb/>
dene Crone der Freyheit auff&#x017F;etzen werden. Za-<lb/>
rang/ welcher &#x017F;ich nichts weniger/ als die&#x017F;er Wei-<lb/>
gerung ver&#x017F;ehen/ er&#x017F;taunte gantz hieru&#x0364;ber/ und<lb/>
wolte durch &#x017F;charffes An&#x017F;ehen ihren Ern&#x017F;t oder<lb/>
Schertz erkundigen. Als er aber in ihrem un-<lb/>
vera&#x0364;nderten Ange&#x017F;ichte lauter Ern&#x017F;t ver&#x017F;pu&#x0364;rte/<lb/>
kunte er &#x017F;ich nicht enthalten/ &#x017F;ie ferner zu der<lb/>
Flucht zu bereden.</p><lb/>
          <p>Wie? Scho&#x0364;n&#x017F;te Bani&#x017F;e &#x017F;agte er! i&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
mo&#x0364;glich/ daß von einer freygebornen Seelen ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[520/0540] Der Aſiatiſchen Baniſe. ſanfften Worten von dieſem gefaͤhrlichen/ und theils verhaſſeten Vorſatz ableiten ſolte: doch/ in Betrachtung/ daß ſein Vorbringen nicht ſo gar uͤbel gegruͤndet/ und er ſich gleichwohl um ihrent willen in ſolche Gefahr des Lebens begeben hatte/ erachtete ſie es vorbillicher zu ſeyn/ ihn mit freund- lichen Worten ab zumahnen/ dahero ſie zu ihm ſagte: Mein Printz von Tangu! Wo ich mich nicht einiger Undanckbarkeit ſchuldig erkennen wil/ ſo muß ichs geſtehen/ daß ich euch nicht wenig verpflichtet bin/ indem ihr auch mit Gefahr eures Lebens und Hindanſetzung eures Reichs ſo treu- lich auf meine Freyheit bedacht ſeyd. Nachdem aber die Goͤtter ſchon einmal ihr Mißfallen uͤber ſelbſt genommener Freyheit erwieſen/ und mich dadurch angemahnet/ ihrer rechten Huͤlffe zu er- warten: als bin ich des feſten Entſchluſſes/ denen Goͤttern gehorſame Folge zu leiſten/ und mich ſo lange in dem Kercker zu ſchmiegen/ biß ſie mir ſelbſt Thor und Riegel eroͤffnen/ und mir die guͤl- dene Crone der Freyheit auffſetzen werden. Za- rang/ welcher ſich nichts weniger/ als dieſer Wei- gerung verſehen/ erſtaunte gantz hieruͤber/ und wolte durch ſcharffes Anſehen ihren Ernſt oder Schertz erkundigen. Als er aber in ihrem un- veraͤnderten Angeſichte lauter Ernſt verſpuͤrte/ kunte er ſich nicht enthalten/ ſie ferner zu der Flucht zu bereden. Wie? Schoͤnſte Baniſe ſagte er! iſt dieſes moͤglich/ daß von einer freygebornen Seelen ein be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/540
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/540>, abgerufen am 28.09.2024.