Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
gvanama nicht lange/ ob sie Liebe oder Scham
solte herrschen lassen/ sondern diese muste jener
weichen/ indem sie mit zitternden Armen und
weinenden Augen/ ihren Printzen auffzurichten/
sich bemühete/ auff die Erden setzte/ und ihn gar
auff ihre Schooß legte: Da denn so bald die Leib-
Aertzte und Feldscherer herbey geholet/ und der
halb-todte Nherandi wieder zu sich selbst gebracht
ward/ wobey doch die linde Hand/ und die ange-
nehme Lagerstatt sonder Zweiffel die gröste Wür-
ckung thaten/ und alle andere Stärckungen weit
übertraffen.

Wie er nun endlich die Augen eröffnete/ und
seine Higvanama beweglichst anschaute/ gleich-
sam als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte/ ge-
währete sie ihm solches reichlich durch häuffige
Thränen/ und folgende Worte: Wie? Mein er-
wehlter Printz! will er sterben/ da die Seinige zu
leben anfänget? Will er die jenige so schleunig
wieder verlassen/ die eine zwey jährige Höllen-
Pein durch Abwesenheit ausstehen müssen? Ach
so wäre ich ja weit glückseliger/ wenn ich mich
auch mit einem Dolche unter den dicksten Hauf-
fen der ergrimmeten Feinde gewaget/ und einen
rühmlichen Tod von ihrer gereitzten Hand em-
pfangen hätte/ damit die späte Nach-Welt sagen
könte: Higvanama hat durch Tapfferkeit und
nicht durch Wehmuth ihr Leben verlohren. Denn
er nehme dieses/ als ein wahres Zeugniß gröster
Liebe von meinen betrübten Lippen an: daß die

erste
S s

Drittes Buch.
gvanama nicht lange/ ob ſie Liebe oder Scham
ſolte herrſchen laſſen/ ſondern dieſe muſte jener
weichen/ indem ſie mit zitternden Armen und
weinenden Augen/ ihren Printzen auffzurichten/
ſich bemuͤhete/ auff die Erden ſetzte/ und ihn gar
auff ihre Schooß legte: Da denn ſo bald die Leib-
Aertzte und Feldſcherer herbey geholet/ und der
halb-todte Nherandi wieder zu ſich ſelbſt gebracht
ward/ wobey doch die linde Hand/ und die ange-
nehme Lagerſtatt ſonder Zweiffel die groͤſte Wuͤr-
ckung thaten/ und alle andere Staͤrckungen weit
uͤbertraffen.

Wie er nun endlich die Augen eroͤffnete/ und
ſeine Higvanama beweglichſt anſchaute/ gleich-
ſam als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte/ ge-
waͤhrete ſie ihm ſolches reichlich durch haͤuffige
Thraͤnen/ und folgende Worte: Wie? Mein er-
wehlter Printz! will er ſterben/ da die Seinige zu
leben anfaͤnget? Will er die jenige ſo ſchleunig
wieder verlaſſen/ die eine zwey jaͤhrige Hoͤllen-
Pein durch Abweſenheit ausſtehen muͤſſen? Ach
ſo waͤre ich ja weit gluͤckſeliger/ wenn ich mich
auch mit einem Dolche unter den dickſten Hauf-
fen der ergrimmeten Feinde gewaget/ und einen
ruͤhmlichen Tod von ihrer gereitzten Hand em-
pfangen haͤtte/ damit die ſpaͤte Nach-Welt ſagen
koͤnte: Higvanama hat durch Tapfferkeit und
nicht durch Wehmuth ihr Leben verlohren. Denn
er nehme dieſes/ als ein wahres Zeugniß groͤſter
Liebe von meinen betruͤbten Lippen an: daß die

erſte
S s
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0661" n="641"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi></fw><lb/>
gvanama nicht lange/ ob &#x017F;ie Liebe oder Scham<lb/>
&#x017F;olte herr&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern die&#x017F;e mu&#x017F;te jener<lb/>
weichen/ indem &#x017F;ie mit zitternden Armen und<lb/>
weinenden Augen/ ihren Printzen auffzurichten/<lb/>
&#x017F;ich bemu&#x0364;hete/ auff die Erden &#x017F;etzte/ und ihn gar<lb/>
auff ihre Schooß legte: Da denn &#x017F;o bald die Leib-<lb/>
Aertzte und Feld&#x017F;cherer herbey geholet/ und der<lb/>
halb-todte Nherandi wieder zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gebracht<lb/>
ward/ wobey doch die linde Hand/ und die ange-<lb/>
nehme Lager&#x017F;tatt &#x017F;onder Zweiffel die gro&#x0364;&#x017F;te Wu&#x0364;r-<lb/>
ckung thaten/ und alle andere Sta&#x0364;rckungen weit<lb/>
u&#x0364;bertraffen.</p><lb/>
        <p>Wie er nun endlich die Augen ero&#x0364;ffnete/ und<lb/>
&#x017F;eine Higvanama beweglich&#x017F;t an&#x017F;chaute/ gleich-<lb/>
&#x017F;am als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte/ ge-<lb/>
wa&#x0364;hrete &#x017F;ie ihm &#x017F;olches reichlich durch ha&#x0364;uffige<lb/>
Thra&#x0364;nen/ und folgende Worte: Wie? Mein er-<lb/>
wehlter Printz! will er &#x017F;terben/ da die Seinige zu<lb/>
leben anfa&#x0364;nget? Will er die jenige &#x017F;o &#x017F;chleunig<lb/>
wieder verla&#x017F;&#x017F;en/ die eine zwey ja&#x0364;hrige Ho&#x0364;llen-<lb/>
Pein durch Abwe&#x017F;enheit aus&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Ach<lb/>
&#x017F;o wa&#x0364;re ich ja weit glu&#x0364;ck&#x017F;eliger/ wenn ich mich<lb/>
auch mit einem Dolche unter den dick&#x017F;ten Hauf-<lb/>
fen der ergrimmeten Feinde gewaget/ und einen<lb/>
ru&#x0364;hmlichen Tod von ihrer gereitzten Hand em-<lb/>
pfangen ha&#x0364;tte/ damit die &#x017F;pa&#x0364;te Nach-Welt &#x017F;agen<lb/>
ko&#x0364;nte: Higvanama hat durch Tapfferkeit und<lb/>
nicht durch Wehmuth ihr Leben verlohren. Denn<lb/>
er nehme die&#x017F;es/ als ein wahres Zeugniß gro&#x0364;&#x017F;ter<lb/>
Liebe von meinen betru&#x0364;bten Lippen an: daß die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s</fw><fw place="bottom" type="catch">er&#x017F;te</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[641/0661] Drittes Buch. gvanama nicht lange/ ob ſie Liebe oder Scham ſolte herrſchen laſſen/ ſondern dieſe muſte jener weichen/ indem ſie mit zitternden Armen und weinenden Augen/ ihren Printzen auffzurichten/ ſich bemuͤhete/ auff die Erden ſetzte/ und ihn gar auff ihre Schooß legte: Da denn ſo bald die Leib- Aertzte und Feldſcherer herbey geholet/ und der halb-todte Nherandi wieder zu ſich ſelbſt gebracht ward/ wobey doch die linde Hand/ und die ange- nehme Lagerſtatt ſonder Zweiffel die groͤſte Wuͤr- ckung thaten/ und alle andere Staͤrckungen weit uͤbertraffen. Wie er nun endlich die Augen eroͤffnete/ und ſeine Higvanama beweglichſt anſchaute/ gleich- ſam als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte/ ge- waͤhrete ſie ihm ſolches reichlich durch haͤuffige Thraͤnen/ und folgende Worte: Wie? Mein er- wehlter Printz! will er ſterben/ da die Seinige zu leben anfaͤnget? Will er die jenige ſo ſchleunig wieder verlaſſen/ die eine zwey jaͤhrige Hoͤllen- Pein durch Abweſenheit ausſtehen muͤſſen? Ach ſo waͤre ich ja weit gluͤckſeliger/ wenn ich mich auch mit einem Dolche unter den dickſten Hauf- fen der ergrimmeten Feinde gewaget/ und einen ruͤhmlichen Tod von ihrer gereitzten Hand em- pfangen haͤtte/ damit die ſpaͤte Nach-Welt ſagen koͤnte: Higvanama hat durch Tapfferkeit und nicht durch Wehmuth ihr Leben verlohren. Denn er nehme dieſes/ als ein wahres Zeugniß groͤſter Liebe von meinen betruͤbten Lippen an: daß die erſte S s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/661
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/661>, abgerufen am 23.11.2024.